FRANKFURT, 16. Dezember. Analytisch kann so gut wie kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die Zinswende hinter uns liegt.
Die nächsten Jahre werden deshalb von spürbar steigenden Zinsen geprägt sein. Steigende Zinsen sind nach Lehrbuch immer ein Hinweis auf eine künftig erlahmende wirtschaftliche Aktivität und damit nicht besonders wünschenswert. Aber gilt das auch dann, wenn die Zinsen anfangen, sich von atemberaubend niedrigen, historischen Tiefs zu erholen und damit die Gefahr einer Deflation bannen? Oder sind sie gar Hinweise auf gemeinsame Euro-Anleihen? Und ist das gut oder schlecht?
Diese Frage wird sich erst in ein paar Jahren wirklich sinnvoll beantworten lassen, wenn feststeht, welche Ausmaße der gerade erst beginnende Zinsanstieg letztlich angenommen haben wird. Auf jeden Fall macht es die Dimension, die die Erholung der Renditen von deutschen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit seit dem historischen Tief Ende August bei gut 2 Prozent erreicht hat, de facto unmöglich, sie noch als Konsolidierung im Abwärtstrend zu klassifizieren. Auch viele Instrumente der technischen Analyse wie zum Beispiel die seit geraumer Zeit viel zu zuversichtlichen Stimmungsindikatoren legen die gleiche Vermutung nahe: Die Zinswende liegt hinter uns.
Momentan spricht zwar einiges dafür, dass der jüngste Anstieg kurzfristig und vorübergehend im Bereich der erreichten Marke bei rund 3 Prozent zum Stillstand kommen wird. Wahrscheinlich ist aber auch, dass die Zinsen ihren Anstieg danach über kurz oder lang fortsetzen und irgendwann in der ersten Hälfte des kommenden Jahres im Bereich des signifikanten Widerstandes bei rund 3,6 Prozent notieren werden. Musik in den Ohren von Neu-Anlegern und Horrorvision für alle, die beispielsweise Kredite refinanzieren müssen.
Auch eine Einschätzung der amerikanischen Zinsen kann gegenwärtig zu keinem anderen Ergebnis kommen. Zwar sehen dort die Charts vor allem deswegen so ganz anders als die hierzulande aus, weil an derWall Street das Zinstief schon Ende 2007/Anfang 2008 erreicht worden war. Aber es wäre schon sehr verwegen, aus ihnen etwas entscheidend anderes ableiten zu wollen als aus den deutschen Charts:
Die Zinsen werden signifikant weitersteigen.
Damit zum Dax, der es wie erwartet trotz der einen oder anderen Widrigkeit geschafft hat, sich zumindest für ein paar Tage über der Marke von 7000 Punkten zu etablieren. Er steht damit langsam, aber sicher am Scheideweg. Vieles, beispielsweise die Elliott Waves in der Mehrzahl ihrer gut vertretbaren Zählweisen, spricht wie bislang betont dafür, dass der Dax sich in der Endphase eines Aufwärtstrends befindet und sich deshalb in 2011 Schmalhans als Küchenmeister etablieren könnte. Allerdings nötigt die Krisenresistenz des Dax wie auch das Fehlen echter Euphorie erheblichen Respekt ab. Rückschläge werden außerordentlich schnell wettgemacht. Darüber hinaus scheinen Aktien wie die der Autobauer, die den Aufschwung bislang maßgeblich getragen haben, nicht zu ermüden, und Aktien wie die der Banken, an denen die ganze Party bislang völlig spurlos vorbeiging, fangen an, erste Ansätze dafür zu zeigen, dass Hopfen und Malz noch nicht verloren sein müssen.
Sieht man diese Entwicklung im Licht der Kernaussage der technischen Analyse überhaupt, der, dass der Trend mit weitem Abstand das Wichtigste überhaupt ist und Missachtungen dieser Erkenntnis sehr oft bitter bestraft werden, dann erhält die Hoffnung neue Nahrung, dass dem Dax die Puste vielleicht doch nicht ausgehen wird.
Vor allem die Entwicklung zwischen den Jahren und die zu Beginn von 2011 wird mehr Auskunft darüber geben können, wohin die Reise mittel- und langfristig gehen wird. Einstweilen gilt, dass der Dax immer noch Chancen auf weitere Jahreshochs hat und mit etwas Glück bis Silvester noch Kurse über 7100 Punkten erreichen könnte
Nicht von seiner Bahn abzubringen ist auch das Öl. Diese Entwicklung ist deshalb besonders beachtenswert, weil die neuen Jahreshochs über 90 Dollar unter widrigen technischen Vorzeichen zustande kamen. Im Herbst sprach weit mehr für neue Jahrestiefs denn für ihr Gegenstück, den erreichten neuen Jahreshochs. Wir müssen gerade deshalb davon ausgehen, dass der Ölpreis weiter steigen wird. Vielleicht werden nicht gleich Kurse über der magischen Schwelle von 100 Dollar auf der Tagesordnung stehen. Aber sehr nahe kommen dürften sie dreistelligen Notierungen auf jeden Fall, und damit werden auch die Spritpreise ihren bisherigen historischen Höchstkursen wohl ungesund nahe kommen. Und das ist dann wieder eine der Nachrichten, über deren eindeutig negativen Charakter ein Streiten wohl nicht wirklich lohnt.
Der Autor leitet die Staud Research GmbH in Bad Homburg. ----------- we h rt sich jemand ?
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