Aus der FTD vom 25.9.2003 Ericsson verstärkt das Geschäft mit Großkunden Von Martin Virtel, Montreux
Der angeschlagene schwedische Technologiekonzern Ericsson baut auf seine starke Position bei Telefonanlagen, um Kunden wie T-Mobile oder Vodafone neue Geschäftsperspektiven zu eröffnen. Dabei sollen Festnetztelefone vom Markt verschwinden.
"Alle Betreiber haben die Unternehmenskunden ganz oben auf der Prioritätenliste. Mit denen lassen sich hohe Umsätze erzielen", sagte der weltweit für Firmenlösungen zuständige Vice President Lars E. Svensson der FTD. Ein Ziel ist die zunehmende Verdrängung von Festnetztelefonen, wie es Ericsson intern bereits eingeführt hat: Die Mitarbeiter sind auf dem Handy über ihre firmeninterne Durchwahl erreichbar; dank eines speziellen Vertrages mit dem schwedischen Betreiber Telia bleiben diese firmeninternen Handytelefonate kostenlos.
Angesichts weiter sinkender Umsätze mit Funkmasten, Steuerungseinheiten und anderer Handynetztechnik gehört die Entwicklung neuer Anwendungen für Handys zu den Zukunftsstrategien. Zudem hat sich die Branche Verschlankungskuren verordnet. So wird Ericsson Ende des Jahres etwa 47.000 Mitarbeiter haben - über die Hälfte weniger als noch vor drei Jahren. "Wie jeder in der Branche haben wir einen schweren Weg zurückgelegt. Bei so harten Schnitten bleibt das laufende Geschäft fast immer auf der Strecke. Hier müssen wir uns weiter verbessern", so Svensson selbstkritisch.
Mit dem Focus auf dem Unternehmensmarkt sieht Svensson sein Unternehmen als einen Vorreiter. Während des mittlerweile drei Jahre dauernden Umsatzrückgangs ist der Branche indes nicht viel Raum für originelle Strategien geblieben. Auch Konkurrenten wie Siemens, Alcatel und Nokia sehen in unternehmensweiten Handynetzen mit Anwendungen wie Firmentelefonbuch, Firmen-E-Mail und Ähnlichem einen neuen Markt. Der deutsche Technologiekonzern Siemens etwa installiert beim schwedischen Autohersteller Volvo ein ähnliches System, dass für 2500 Nutzer firmeninterne Gespräche mit dem eigenen Handy erlaubt. Anders als bei Ericsson befinden sich bei Siemens Telefonanlagen und Mobilfunk in zwei unterschiedlichen Konzernteilen, die zumindest beim Kunden Volvo nicht Hand in Hand gearbeitet haben.
Neue Sparte
Zuletzt hatte der finnische Konzern Nokia vor wenigen Wochen die Gründung einer eigenen Konzernsparte mit dem Etikett "Enterprise Solutions" angekündigt, die ab kommendem Jahr auch in den Quartalsberichten des Unternehmens auftauchen soll. Nokia baut auf die Popularität seiner Mobiltelefone und hat den Bereich Unternehmen zu einer der drei Säulen seiner Wachstumsstrategie erklärt. "Jeder neue Konkurrent hilft, diesen Markt zu beleben", sagt Svensson. "Das Einzige, was ich seltsam finde: Siemens und Nokia haben einfach meine Powerpoint-Folien kopiert und nicht mal unsere Produktfotos durch eigene ersetzt." In dem Maße, wie Unternehmen ihre internen Telefonate auf Mobilfunk umstellen, entstehe laut Svensson auch der notwendige Bedarf für die durch die UMTS-Netze geschaffenen neuen Kapazitäten.
Mit einem Kundenstamm von über 100.000 Unternehmen bei großen Telefonanlagen und einem Marktanteil von 40 Prozent bei Mobilfunknetzen sei Ericsson exzellent positioniert, um in diesem Markt Fuß zu fassen. Ericsson hatte zu Wochenbeginn 400 Kunden und Vertriebspartner aus der ganzen Welt an den Genfer See eingeladen, um die Produkte rund um seine Unternehmenslösungen vorzustellen. Darunter war auch ein neues Handy der Tochterfirma Sony Ercicsson mit der Modellbezeichnung P900, das als Nachfolger des populären Multifunktionsgerätes P800 auf den Markt kommen soll. "Das Problem beim P800 ist die eingebaute Kamera", sagte Svensson. "Viele Unternehmen erlauben keine Kameras auf dem Werksgelände."
Svensson kritisierte den Versuch einiger Mobilfunkbetreiber, den vielversprechenden Unternehmensmarkt direkt anzugehen, wie dies Vodafone und T-Mobile in Deutschland tun. "Das funktioniert nicht. Große Unternehmen sind zurückhaltend, wenn es darum geht, direkt mit Betreibern zu verhandeln."
|