Das Ende der "Rot-Grünen Epoche"
--button_text--
interessant
|
witzig
|
gut analysiert
|
informativ
|
0
damit ist wohl alles zur demokratischen gesinnung der spd gesagt... aber, um es auch deutlich zu sagen: die cdu ist keinen deut besser - das einzige gute ist, dass angela gerade die klappe hält, was dann wohl taktik ist...
ein schönes wochenende euch allen, blindfish :-))
Optionen
0
0
0
«Sozialdemokraten und ihre Bundestagsabgeordneten haben Anstand und Ehrgefühl»
Ex-SPD-Chef Lafontaine hat die Sozialpolitik von Bundeskanzler Schröder als Rückfall in das 19. Jahrhundert bezeichnet. Er begehe Wortbruch, so Lafontaine.
Der frühere Vorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgeworfen, die Wähler «für dumm» zu verkaufen. Schröder verlange von seiner Partei und der Bundestagsfraktion bei Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe Kündigungsschutz und Krankengeld «Wortbruch» zu begehen, schrieb Lafontaine in einem Beitrag für die «Bild»-Zeitung vom Dienstag.
Doch damit habe Schröder die Rechnung ohne den Wirt gemacht: «Sozialdemokraten und ihre Bundestagsabgeordneten haben Anstand und Ehrgefühl», betonte Lafontaine. Sie seien nicht bereit, das Volk zu betrügen«.
»Rückfahrt ins 19. Jahrhundert«
Die so genannte Agenda 2010 Schröders bestehe aus »uralten Ladenhütern der Unternehmerverbände«, so Lafontaine. Der Kurs des Kanzlers verkörpere eine »Rückfahrt ins 19. Jahrhundert«. Wer sich darauf einlasse, ernte pure Arbeitslosigkeit und steigende Staatsschulden, hob der frühere Bundesfinanzminister hervor.
Lafontaine unterstützte ausdrücklich die Bundestagsabgeordneten, die über Schröders Reformpläne ein Mitgliederbegehren herbeiführen wollen. Er betonte: »Wer darauf besteht, Wahlversprechen einzuhalten, ist kein Verräter. Den Schuh anziehen müssen sich Politiker, die das Vertrauen der Menschen missbrauchen.« (nz)
Optionen
0
1. Juni 2003 - Bekommt Gerd den Oskar?
?Kanzler Gerhard Schröder ist auch Chef der SPD. Und dieser Job macht ihm derzeit wenig Freude. Denn die eigenen Genossen wollen ihm nicht so recht folgen.
Unsozial und ungerecht nennen viele seine Politik, mit der der oberste Genosse den Sozialstaat Deutschland sanieren will. Und weil der Kanzler gerne ?Basta? sagt, wenn er etwas will, sagen jetzt die Genossen zu ihm: Nichts mit Basta, erst mal uns fragen.
So könnte der Parteitag am 1. Juni auch zu einem unangenehmen Ergebnis führen. Wenn nämlich die Basis - angeführt von einem der linken Wortführer namens Oskar Lafontaine - plötzlich den Putsch gegen den Chef wagen würde. Die Erinnerung an Mannheim wird wach. Damals stürzte Lafontaine mit Schröder im Bunde den gemeinsamen Chef Rudolf Scharping vom Sockel.?
?Berliner Kurier? vom 15. April 2003
Optionen
0
Foto: AP
DGB-Zwickel wirft Schröder Wortbruch vor
IG-Metall-Chef Klaus Zwickel hat die Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen in einem offenen Brief zu Widerstand gegen die Agenda 2010 aufgerufen.
In einem offenen Brief an die rot-grünen Bundestagsabgeordneten hat Gewerkschaftschef Klaus Zwickel die Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder scharf kritisiert. Zwickel warf dem Kanzler Wortbruch vor: Sein Kurs in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik sei eine Absage an das SPD-Wahlprogramm und an die Koalitionsvereinbarung.
Zwickel ruft in dem am Montag veröffentlichten Brief die Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen zu Widerstand gegen Schröders Reformen auf. Vor allem die Pläne zur Einschränkung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe sowie zur Streichung des Krankengeldes müssten korrigiert werden.
Zwickel fordert die Parlamentarier dazu auf, sich vor Ort ein Bild von der Stimmungslage der Arbeitnehmer machen. Er habe den Eindruck, der Bundesregierung ginge es «immer weniger um Sach- und immer mehr allein um Machtfragen». (nz)
netzeitung, 28.04.2003
Optionen
0
SCHRÖDERS KAMPF AN DER BASIS
"Wort halten, Gerd!"
Von Markus Deggerich, Bonn
Auf der ersten von vier Regionalkonferenzen versuchte Gerhard Schröder der SPD seinen Kurs zu erklären. Schröder will ändern, was den Genossen lieb und ihm zu teuer ist. Die Partei steht unter Hochdruck, und ihr Chef macht keine gute Figur bei der Suche nach Ventilen.
Bonn - Es ist nur ein Wort. Aber es sagt alles. Vor neun Monaten stand Rafael Struwe noch auf Marktplätzen und hielt ein Schild hoch, als Gerhard Schröder um die Wiederwahl warb. "Dranbleiben, Gerd!" stand auf der blauen Pappe. Jetzt ist der 23-jährige Juso aus Köln wieder im Einsatz. Als Gerhard Schröder am Montagabend in Bonn auf der ersten Regionalkonferenz die SPD-Basis von seiner Agenda 2010 überzeugen will, zeigt Struwe wieder eine blaue Pappe. Doch diesmal steht da: "Wort halten, Gerd!"
Struwe ist enttäuscht von seinem Parteivorsitzenden. "Es reicht doch ein Blick ins Wahlprogramm", sagt er. Da finden sich die Versprechen, soziale Sicherungssysteme paritätisch zu finanzieren, den Kündigungsschutz nicht anzutasten, das Krankengeld zu erhalten und vieles mehr, was einem Genossen lieb und dem Kanzler so nun zu teuer ist.
"Traurig ist das", sagt der junge Mann und legt Wert darauf, dass er hier nicht gegen den Kanzler demonstriert, sondern für eine sozialdemokratische Politik: "Die anderen wären ja noch schlimmer!" Das Mitgliederbegehren kritisiert er genauso wie seinen Parteivorsitzenden: "Beide Seiten polarisieren, sagen nur Ja oder Nein, aber so geht das nicht", klagt er und verlangt mehr Diskussion und Beteiligung.
Die Regionalkonferenzen sollen diesen Diskussionsnotstand in der Partei, den Schröder zu spät erkannt hat, beheben. Doch allzu offen wollen die SPD-Führer diesen Prozess nicht führen. Das zeigte die Inszenierung der Versammlung und Schröders Spagat, den er nun einleitet. Im Streit über seine Reformpolitik hat er indirekt mit seinem Rücktritt gedroht. Im SPD-Vorstand stimmte noch am Nachmittag dennoch knapp ein Viertel der anwesenden Mitglieder nicht für die Reformpläne.
Schröders Rücktrittsdrohung
"Wer etwas anderes beschließen will oder durchsetzen will, der muss wissen, dass er die inhaltliche Grundlage für meine Arbeit mir entzieht und mich zu Konsequenzen zwingt", hatte Schröder erklärt. Der SPD-Vorstand stimmte dem Leitantrag für den Sonderparteitag am 1. Juni mit 28 Ja-Stimmen, vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen zu, in dem die Parteiführung an den Hauptpunkten der Reformagenda festhält - etwa den Einschnitten bei Arbeitslosengeld, Krankengeld und Kündigungsschutz. In fünf Bereichen sollen aber Arbeitsgruppen bis zum Parteitag Lösungsvorschläge erarbeiten, etwa zum Thema Rente.
Nach den Aufsässigkeiten in der Bundestagsfraktion versucht der Parteichef unter Ausübung größtmöglichen Drucks die SPD auf Kurs zu bringen. Sein Alles-oder-Nichts-Programm mit dem Titel Agenda 2010 hat im SPD-Vorstand im Grundsatz zwar eine wichtige Hürde genommen. In Form von Arbeitsgruppen wurde jedoch auf den unter Hochdruck stehenden Kessel SPD vorsichtshalber ein kleines Ventil aufgesetzt - denn die Partei ist noch lange nicht überzeugt.
Wie nötig das ist, zeigte sich am Montagabend in Bonn. Vor 700 Delegierten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland warb er in einer halbstündigen mit längerem Applaus und vereinzelten Pfiffen bedachten Rede eindringlich für seine Pläne: "Wir müssen nur den Mut haben, den Realitäten, den Notwendigkeiten neuer Realitäten nicht auszuweichen."
Der Abend spiegelte die Zerrissenheit der Partei. Sie steht nicht gegen Schröder. Aber sie hat ein mehr als mulmiges Gefühl. Mehrere Redner forderten Kompromisse des Kanzlers: "Du hast uns eingeladen zu einer Diskussion über ein Fertigprodukt an dem es keine Abstriche gibt - was soll dann diese Einladung?", sagte ein Redner.
Zugabe-Rufe für Schreiner
Arbeitnehmer-Sprecher Ottmar Schreiner, der warnte, die Pläne Schröders würden die Arbeitslosigkeit erhöhen, brachte den Saal fast zum Kochen. Schreiner und Schröder würdigten sich oben auf dem Podium keines Blickes. Der Parteichef bekam von den Basisgenossen den stärksten Applaus, als er machtpolitisch, nicht inhaltlich argumentierte: Sollen wir es machen, oder wollt ihr, dass die anderen drankommen? Von Schreiner verlangten die Parteimitglieder hingegen sogar lautstark "Zugabe, Zugabe", was Sitzungsleiter Kurt Beck offensichtlich unangenehm war. Er forderte deshalb seltsamerweise von den Genossen mehr "Ernsthaftigkeit", als ihm der Applaus für Schreiner zu viel wurde.
Damit brachte er den Saal endgültig gegen sich auf. Zu offensichtlich war die Sympathie des Ministerpräsidenten aus Rheinland Pfalz für die Reformbefürworter. Bei den Gegenreden pochte er streng darauf, die Redezeit von fünf Minuten einzuhalten, Schröder-Freunde durften ausführlicher ihre Manuskripte vortragen. Rufe nach "Redegerechtigkeit" wurden deshalb laut. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement jedenfalls schwante nach der Veranstaltung bereits: "Wir haben noch viel Vermittlungsarbeit vor uns".
Doch dafür wird es mehr brauchen als Regionalkonferenzen. Die als Basis-Treffen annoncierten vier Veranstaltungen ließen zumindest am Montag doch nur hauptsächlich die üblichen Verdächtigen ans Rednerpult. Nur vereinzelt kamen einfache Delegierte zu Wort. Es waren Leute wie Sozialministerin Ulla Schmidt, Superminister Clement, NRW-SPD-Chef Harald Schartau, die Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und Kurt Beck, die für Schröder in den Ring stiegen. Einen Diskussionsnotstand löst das nicht. Immerhin, der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas begrüßte die vom SPD-Vorstand beschlossenen Arbeitsgruppen als ernst gemeintes Angebot.
Parforceritt oder Traditionalismus?
Aber noch lässt sich nicht erkennen, was die Sozialdemokraten wollen: Schröders Parforceritt oder Schreiners Traditionalismus? Deshalb wird die SPD im Zweifelsfall dem Regierungschef folgen. Zum dritten Mal in seiner fünfjährigen Amtszeit als Kanzler musste Schröder nun mit Rücktritt drohen. Je häufiger er die Partei allerdings so zu disziplinieren versucht, desto stumpfer wird dieses Schwert, desto frostiger wird das ohnehin nicht von viel Wärme geprägte Verhältnis zwischen dem Vorsitzenden und seiner Partei.
Als die Aussprache beendet wurde, standen noch 50 Namen auf der Liste von Delegierten, die gerne gesprochen hätten. "Na ja, das bedeutet, wir bekommen einen super Parteitag", kommentierte Schartau die Warteliste mit Ungesagtem.
Schröder muss das gespürt haben. Er bekam das letzte Wort auf dem Treffen und streckte noch mal vorsichtig die harte Hand aus. Über Details der Reform könne durchaus geredet werden. "Das war immer die Linie und wird auch so bleiben", behauptete er etwas gewagt. Doch er warnte die Basis zugleich davor, gemeinsam erreichte Ergebnisse zu zerreden oder zerreden zu lassen. Die ökonomische Kompetenz der SPD müsse gestärkt werden. Während die Wählerinnen und Wähler mit sozialdemokratischer Friedenskompetenz keine Probleme hätten, sei dies bei der ökonomischen Kompetenz anders.
Und dann zeigte er unfreiwillig noch mal, wie er sich das nun vorstellt, sein Verhältnis zu den Genossen. Das Reformpaket solle mit Hilfe der Partei gesellschaftliche Realität werden. "Das ist mein Wunsch", verkündete der Chef und korrigierte sich dann schnell: "Nicht mein Wunsch, meine Bitte!"
Den als Bitte getarnten Chefwunsch hatte Jungsozialist Rafael Struwe nicht mehr vernommen. Der hatte sich vorher abgewendet und ist nach Hause gegangen.
SPIEGEL online 29.04.2003
Optionen
0
SPD stürzt ins Bodenlose
Der innerparteiliche Streit um die von Kanzler Schröder geplanten Sozialreformen hat für die SPD dramatische Konsequenzen. Einer aktuellen Umfrage zufolge sind die Sozialdemokraten nach einer leichten Erholung in den vergangenen Wochen wieder auf ihr Jahrestief zurückgefallen: 27 Prozent der Stimmen.
Hamburg - Nach einer Forsa-Umfrage sind die Sozialdemokraten im Vergleich zur Vorwoche um zwei Punkte gefallen und liegen damit erneut auf ihrem Jahrestief von 27 Prozent. Das teilten die Auftraggeber der Umfrage, das Magazin "Stern" und der Fernsehsender RTL, am Mittwoch mit.
Einen solch niedrigen Wert hatte die SPD zuletzt Anfang Februar nach der Niederlage bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen. Die Grünen verbesserten sich um einen Punkt auf 12 Prozent, die FDP stagniert bei sechs Prozent, die PDS verlor einen Punkt auf nunmehr vier Prozent.
Das bundespolitische Tief wirkt sich laut Forsa auch auf die SPD in Bremen aus, wo am 25. Mai die Bürgerschaft neu gewählt wird. Wäre die Wahl schon jetzt, würden die Sozialdemokraten auf 37 Prozent kommen, ein Minus von 5,6 Punkten gegenüber der letzten Wahl am 6. Juni 1999. Stärkste Partei würde die CDU mit 38 Prozent der Stimmen werden (plus 0,9 Punkte), ermittelte Forsa für den "Stern". Mit 14 Prozent würden die Grünen fünf Prozent hinzu gewinnen. Die FDP wäre mit vier Prozent (plus 1,5) erneut nicht in der Bürgerschaft vertreten. Rein rechnerisch wäre damit in dem Stadtstaat neben einer großen Koalition auch eine rot-grüne Koalition möglich.
Das Meinungsforschungsinstitut befragte zwischen dem 28. April und dem 2. Mai 2002 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger zu ihrer Parteipräferenz auf Bundesebene. Die Fehlertoleranz liegt bei +/- 2,5 Prozentpunkten. Zur Bremen-Wahl wurden 1194 Wahlberechtigte im Land Bremen (Bremen und Bremerhaven) vom 24. bis 30. April befragt. Die Fehlertoleranz liegt bei +/- drei Prozentpunkten.
SPIEGEL online, 07.05.2003
Optionen
1
ZDF-Politbarometer
Keine Trendwende für SPD nach Sonderparteitag
Die breite Zustimmung des SPD-Sonderparteitags zu den Reformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Wähler kaum beeindruckt. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würde weiterhin nur knapp jeder Dritte die Sozialdemokraten wählen, ermittelte das am Freitag veröffentlichte ZDF-Politbarometer.
HB/dpa MAINZ/BERLIN. Union und FDP hätten laut Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen eine sichere Bundestagsmehrheit von 52 Prozent. Gut drei Viertel der Befragten glauben trotz des klaren Parteitagsbeschlusses nicht, dass die SPD hinter den Reformen des Kanzlers steht. Und obwohl viele Wähler gegen die sozialen Einschnitte der Agenda sind, steigt das Vertrauen in Schröder, notwendige Reformen durchzusetzen.
Bei der so genannten Sonntagsfrage blieben die Werte aller Bundestagsparteien im Vergleich zum Politbarometer von vor drei Wochen unverändert: SPD 31 Prozent, CDU/CSU 46 Prozent, Grüne 9, FDP 6 und PDS 4 Prozent. Auch in der politischen Stimmung gab es laut Politbarometer kaum Ausschläge: Nach 27 Prozent vor drei Wochen erreicht die SPD jetzt 28 Prozent, die Union sackte um einen Punkt auf 51 Prozent - alle anderen Parteien sind konstant, die Grünen bei 10 Prozent, die FDP bei 6 Prozent und die PDS bei 3 Prozent.
Nach der am Freitag veröffentlichten Emnid-Umfrage für den Nachrichtensender n-tv kletterte die Union in der Sonntagsfrage auf 48 Prozent (+1 im Vergleich zur Vorwoche). Die SPD bleibt bei 27 Prozent. Grüne (10) und FDP (7) verlieren je einen Punkt, die PDS bleibt bei vier Prozent.
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins ?Stern? und des Fernsehsenders RTL hatte dagegen zwei Tage zuvor einen klaren Aufwärtstrend für die SPD gezeigt. Gegenüber der Vorwoche war die SPD dort um fünf Punkte auf 30 Prozent gestiegen.
In der Beurteilung der wichtigsten zehn Politiker legen laut Forschungsgruppe Wahlen vor allem Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zu. Der Kanzler rückt vom achten auf den siebten Platz vor. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) führt die Liste nach wie vor souverän an, Platz zwei für Clement, Platz drei für Innenminister Otto Schily (SPD).
Nur 18 Prozent glauben, dass die SPD voll hinter der Politik Schröders steht. 76 Prozent sagen ?nein?. Allerdings trauen zunehmend mehr Bürger Schröder zu, die notwendigen gesellschaftlichen Reformen durchzusetzen. Anfang März waren es nur 32 Prozent, jetzt 45 Prozent. Zusätzliche Belastungen der Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung lehnen zwei Drittel ab. Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer befürworten 68 Prozent. Dass große Erbschaften in Zukunft höher besteuert werden sollten, meinen 51 Prozent.
Ähnlich sind die Ergebnisse der Emnid-Umfrage: Danach fordern fast zwei Drittel der Befragten (64 Prozent), Reiche stärker zu belasten. Ein Drittel ist der Auffassung, dass ?alle entsprechend ihrem Einkommen verzichten?. Vier Fünftel (79 Prozent) befürworten eine ?Vermögensteuer für reiche Bürger und profitable Unternehmen?, wenn deren Einnahmen in das deutsche Bildungssystem fließen.
Bei der Frage nach gewünschten Koalitionen verliert Rot-Grün laut ZDF-Politbarometer seit der Bundestagswahl deutlich an Unterstützung. Vor der Bundestagswahl wünschten sich 31 Prozent Rot-Grün, 28 Prozent wollten eine Koalition aus CDU/CSU und FDP, nur 9 Prozent eine große Koalition. Jetzt sprechen sich nur noch 16 Prozent für Rot-Grün aus, 25 Prozent für Schwarz-Gelb, aber 23 Prozent möchten eine große Koalition.
Die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen hatte zwischen 2. und 5. Juni 1255 Wahlberechtigte befragt. Die Fehlertoleranz bei den großen Parteien beträgt 2,7 Prozentpunkte, bei den kleineren 1,4 Punkte. Emnid hatte Anfang der Woche 1531 Wahlberechtigte befragt.
HANDELSBLATT, Freitag, 06. Juni 2003, 15:12 Uhr
Optionen
0
0
das sicherlich mehr als hundert Arivaner, die mich real kennen, alles mögliche vielleicht zu mir sagen würden, aber nicht Kindchen.
Das ist übrigens auch gar keine Beleidigung; denn Kindchen zu sein, wäre ja etwas edles, unschuldiges.
Du dagegen bist als ebenso feiger wie auch dümmlicher Heckenschütze auf deine Anonymietät angewiesen.
Wer will mit dir schon tauschen !
0
0
NRW: 5,66 Mrd. Neuverschuldung - Rot-Grün unter Druck
Viele Streit-Themen und immer neue Haushaltslücken. CDU-Chef Rüttgers: "Koalitionswechsel helfen nicht mehr"
von Peter Lamprecht
Nordhein-Westfalen soll nach dem Willen der rot-grünen Koalition 1,9 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden aufnehmen, um neu entstandene Einnahmeausfälle zu kompensieren. Damit wird für das laufende Jahr eine Neuverschuldung von insgesamt 5,66 Milliarden Euro geplant - Nachkriegsrekord. So steht es im Nachtragshaushalt, den Finanzminister Jochen Dieckmann, SPD, am Freitag im Landtag eingebracht hat. Wenige Stunden vor der Krisensitzung des Koalitionsausschusses aus SPD und Grünen wurde auf diese Weise der Druck überdeutlich, unter dem die Regierung und die sie tragenden Parteien ächzen. Die jüngste Arbeitslosenstatistik - über 870 000 Registrierte - markiert einen weiteren Negativrekord für einen Mai.
"NRW steht vor der Lösung großer Probleme, was die wirtschaftliche Entwicklung und die öffentlichen Finanzen angeht. Da ist es wichtiger denn je, dass die Fraktionen stärker zusammenrücken und die beste Lösung im Interesse des Landes zu suchen", fordert deshalb Landtagspräsident Ulrich Schmidt, SPD, gegenüber dieser Zeitung. Und weiter: "Man muss mehr miteinander als über einander reden."
Drei Wochen nach Beginn einer Interview-gewürzten Koalitionskrise und eine Woche vor dem möglicherweise vorentscheidenden SPD-Landesparteitag in Bochum ist allerdings noch ungewiss, ob zumindest die Koalitionsparteien zu einem zukunftsträchtigen Miteinander finden. Eine große Koalition, wie sie nach den Worten des Landtagspräsidenten eigentlich nahe läge, gilt in beiden großen Parteien als nicht willkommen. CDU-Chef Jürgen Rüttgers: "Die gibt es auf keinen Fall. Mit Koalitionswechseln ist es überhaupt nicht mehr getan, schon gar nicht mit einer SPD-FDP-Koalition." Denn: "Selbst die 1,9 Milliarden im Nachtragshaushalt sind noch nicht die ganze Wahrheit. Dabei geht die Regierung Steinbrück immer noch von einem Wachstum aus, das ,75 Prozent beträgt. Die Institute rechnen aber bundesweit längst nur noch mit ,45 Prozent - und da NRW seit Jahren um ,5 Punkte hinter dem Bund zurückbleibt, muss man hier von einer schrumpfenden statt einer wachsenden Wirtschaftsleistung ausgehen. Also müssen mindestens weitere 500 Millionen Euro an Stelle ausgefallener Einnahmen her, für die es keine Deckung gibt. Ein Skandal, dass die Regierung in dieser Lage auch noch darauf verzichtet, nur eine einzige Einsparung vorzuschlagen." Rüttgers rechnet im Übrigen für die angekündigten Doppelhaushalt 2004/2005 mit einem Defizit von "mindestens zweimal drei Milliarden. Der Spielraum wird immer enger." Für den CDU-Chef gibt es deshalb nur einen Weg: "Jetzt können die nicht mehr helfen, die die Krise zu verantworten haben. Wir brauchen Neuwahlen, danach eine wirkliche Reformkoalition so schnell wie möglich."
Regierungschef Peer Steinbrück und seine SPD-Fraktion hingegen haben sich diese Woche unter Schmerzen - nie zuvor gab es so viele Buhrufe und höhnisches Gelächter wie diesmal im SPD-Fraktionssaal - auf 17 Seiten Papier verständigt. Sie tragen die Überschrift "Bündnis für Erneuerung - Aufbruch für NRW". "Nicht zwingend ein Bündnis für Erneuerung mit den Grünen", wie FDP-Fraktionschef Ingo Wolf süffisant anmerkte. Seine Parlamentarische Geschäftsführerin Marianne Thomann-Stahl verlas im Landtag die Stichworte, die rot-grünen Dissens und zugleich Übereinstimmungen zwischen SPD und FDP markieren: "Flughäfen, Autobahnen, Ausbau des Monbilfunknetzes, Metrorapid, Bildungspolitik, Windkraft - die ideologischen Barrieren zwischen SPD und Grünen sind zu hoch".
Worum es der SPD in ihrem "Bündnis"-Papier geht, hat der Ministerpräsident in einer "Aktuellen Stunde" des Landtages in knappe Worte gefasst: Monate lang habe die Koalition öffentlich Streitigkeiten produziert - über den Metrorapid ebenso wie über den Ausbau des Dortmunder Hauptbahnhofs, über ein Gaskraftwerk in Hürth ebenso wie über den Bundesverkehrswegeplan. Angesichts der gravierenden Probleme wolle er das nicht so treiben lassen. Es dürfe jetzt "keine selbsttherapeutischen quälenden Prozesse" geben, forderte Steinbrück - sondern eben Zustimmung zu SPD-Programmpunkten wie dem Ausbau der Flughäfen, der Autobahnen und Ortsumgehungen, grünes Licht für Chemie und Biotechnologie, natürlich auch für den Metrorapid.
"Ich weiß, dass es nicht unbedingt zu den Gewohnheiten der Regierenden gehört, die Lage zu schildern, wie sie ist", sagte Steinbrück. Aber genau dies habe er mit seiner ungeschminkten Offenheit, die von manchen als Ungeschick verstanden wird, beabsichtigt. Steinbrück sagt, er wolle, "dass wir eine qualitativ andere Plattform für unsere Arbeit finden."
WamS, Artikel erschienen am 8. Jun 2003
Optionen
0
SCHRÖDERS NEUE LINIE
Und es war Sommer
Von Markus Deggerich
Mit der frohen Botschaft aus Neuhardenberg soll alles gut werden. In der SPD herrscht nun Optimismuspflicht trotz ernsthafter Bedenken gegen Schröders Steuer- und Finanzierungspläne. Denn die Regierung hat ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Bereits im Herbst droht ein böses Erwachen.
Berlin - Franz Müntefering ließ vergangenes Jahr mal scherzhaft in einen Antrag für das Wahlprogramm der SPD als Beschluss hineinschreiben: "Deutschland wird Fußballweltmeister". Ein Jahr später verordnet die SPD-Führung offenbar: Es ist Sommer in Deutschland. Mit den Steuerbeschlüssen von Neuhardenberg verschieben die Genossen alles, was nach dunklen Wolken aussieht, in den Herbst.
Die Regierung hofft, dass die Bürger das durch die vorgezogene Steuerreform eingesparte Geld für den Konsum ausgeben und somit die Wirtschaft ankurbeln. Bund, Länder und Gemeinden müssen allerdings Einnahmeausfälle von 18 Milliarden Euro verkraften - aufgefangen durch eine Mischfinanzierung: neue Schulden, Privatisierungen, Subventionsabbau.
Eitel Sonnenschein für alle
Doch einen ausgeklügelten Plan für all das gibt es noch nicht, dafür reichlich Widerstand. Der Entschluss des Kanzlers und seines Kabinetts soll vor allem psychologisch und taktisch wirken: Gute Laune für die Menschen und Druck auf die Union, im Bundesrat die Blockadeposition zu verlassen.
Tue Gutes und rede darüber lautet Gerhard Schröders Devise. Nach lästigen Details fragen seiner Auffassung nach nur Miesepeter. So stand am Montag ein sommerlicher SPD-Generalsekretär in Berlin und beschwor: "Das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe wird Aufbruchstimmung in Deutschland verbreiten." Von der Kabinettsklausur gehe ein "Signal des Aufbruchs und der Zuversicht" sowie ein Schub für die ganze Regierung aus. "Abstraktes Reden" darüber, wie das alles finanziert wird und welche Subventionen abgebaut werden, befand Scholz, "muss aber aufhören". "Bremser" würden nicht gebraucht, warnte er die Union - und die Widersacher in der eigenen Partei.
Damit sich der verordnete Optimismus auch richtig entfalten kann, wird die Kehrseite der Medaille vorläufig nicht gezeigt. Bei konkreten Nachfragen verweisen am Montag alle SPD-Spitzen auf das Jahresende.
Ob das bei den Haushaltsberechnungen zugrunde gelegte mehr als optimistische Wirtschaftswachstum von zwei Prozent eintritt - wird man im Herbst sehen. Welche Subventionen man anknabbert und durch einen Unionsdominierten Bundesrat mit einem wahlkämpfenden Stoiber kriegt - wird man im Herbst sehen. Ob die Verhandlungen mit der Union über die Gesundheitsreform zu Kompromissen führen - wird man im Herbst sehen. Was aus der Pflegeversicherung wird - keine Antwort, bevor die Blätter fallen. Was Ulla Schmidt plant, um die Rentenversicherung der demographischen Entwicklung anzupassen, und wie sie ihr von Hans Eichel verordnetes Sparvolumen von zwei Milliarden aufbringt - ein Gesetzentwurf soll frühestens im Oktober kommen. Selbst eine für diesen Dienstag ursprünglich anberaumte Festlegung in der SPD-Fraktion zur Beibehaltung der Wehrpflicht, ein Dauerstreitthema mit den Grünen, wurde plötzlich auf den Bundesparteitag im Herbst verschoben.
Die Union blockt
Die Union hat bereits unter Federführung von Stoiber und Fraktionsvize Friedrich Merz Widerstand angekündigt gegen die Pläne von Neuhardenberg. Aber auch die SPD-Länderfürsten fröstelt es angesichts der unklaren Buchungen. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärte, dass das Land seinen Steuerverlust von 260 Millionen Euro nicht durch zusätzliche Einsparungen kompensieren könne. Der Innenminister seiner rot-schwarzen Koalition, CDU-Landeschef Jörg Schönbohm, kündigte bereits an, man könne im Bundesrat nur zustimmen, wenn der Einnahme-Ausfall ausgeglichen werde.
Heide Simonis aus Schleswig-Holstein kommentierte bitter: "Ich vermute, dass mein Finanzminister unter dem Schreibtisch sitzt und weint." Wie zuvor bereits der nordrhein-westfälische SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück bekräftigte auch sein Stellvertreter, Bauminister Michael Vesper (Grüne), die Ablehnung der Landesregierung gegen den Beschluss des Bundeskabinetts. Denn der Bund bleibe bei der Gegenfinanzierung "wolkig".
Wolkige Finanzierung
Doch Wolken sind das Letzte, was die SPD-Führung im Augenblick sehen will. Es kann zwar sein, dass im Herbst Rentner und Patienten sich auf höhere Eigenbeteiligungen einstellen, Arbeitnehmer für ihr Krankengeld allein vorsorgen, Handwerker, Pendler, Eigenheimbesitzer, Beamte, Bauern, Arbeitslose, Nachtarbeiter und Kohlekumpel auf Privilegien verzichten müssen. Dann könnte es sein, dass Schröders Geschenk auch dringend benötigt wird für die steigenden "Nebenkosten" der Bürger. Aber wie kurbelt es dann die Wirtschaft und die Stimmung an? Wo ist der Gewinn, wenn das Geld bei Besserverdienenden in die Sparquote oder den Finanzmarkt geht, bei Geringverdienenden in den Zahnersatz?
Am Dienstag feiert die SPD-Fraktion ihr traditionelles "Hoffest" in Berlin, bevor man auseinander geht und sich in die Sommerpause verabschiedet. Da soll bei Musik von "Heart and Soul" und mit Freibier noch mal gute Stimmung verbreitet werden - der Herbst kommt früh genug.
Spiegel online, 30.06.2003
Optionen
0
STEUERREFORM
Schröder hofft auf Hilfe der Union
Gerhard Schröder appelliert eindringlich an die Oppositionsparteien, die geplanten Steuerentlastungen nicht zu blockieren. "Lasst uns in dieser Situation mal einen Moment vergessen, was uns trennt im Einzelnen", sagte der Kanzler auf einem SPD-Wirtschaftskongress.
Berlin - Die Menschen in Deutschland erwarteten von der Opposition ebenso wie von der Regierung, "dass die Chancen, die definiert worden sind, genutzt werden, dass wir uns nicht zerstreiten...". Die Bürger erwarteten eine neue Gemeinsamkeit, um Deutschland nach vorne zu bringen.
Nach anfänglich harscher Ablehnung der Regierungspläne, die dritte Steuerreformstufe um ein Jahr auf 2004 vorzuziehen, hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel inzwischen Gesprächsbereitschaft signalisiert. CSU-Chef Edmund Stoiber sagte, die Union werde die Steuerreform ermöglichen.
"Wir werden die Stimme der Vernunft sein. Das hat mit Blockade gar nichts zu tun", sagte Merkel mit Blick auf die Unions-Mehrheit im Bundesrat. Jetzt gelte es, die Gespräche zwischen Bund und Ländern abzuwarten.
Auch CDU-Vize Christoph Böhr rief seine Partei auf, sie solle sich "der Steuersenkung nicht verschließen". Das geplante Vorziehen der letzten Steuerreform-Stufe "an die notwendigen Strukturreformen bei Gesundheit und Rente" gekoppelt sein.
Notwendig sei zudem "ein Entgegenkommen der Bundesregierung, eine Art Solidarpakt, damit Länder und Gemeinden die enormen Lasten auch schultern können".
Ähnliches verlangt Baden-Württembergs CDU-Finanzminister Gerhard Stratthaus. Er sagte, bis zu einem Drittel des Einnahmeausfalls von 18 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden könne über Schulden ausgeglichen werden. Stratthaus zeigte sich optimistisch, dass im Bundesrat spätestens im Vermittlungsverfahren eine Einigung erzielt werden kann.
"Es geht nicht um Blockade", versuchte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder, die Wogen zu glätten. Auch CDU und CSU seien für ein Vorziehen der Steuerreformstufe auf 2004 und Entlastungen, allerdings unter bestimmten Bedingungen. Dazu gehörten unter anderem ein ausgeglichener Haushalt sowie Strukturreformen. Dies sei die einstimmige Position der Unionsfraktion, sagte Kauder.
Das wird ein ganz brutaler Herbst
Kauder warf der Bundesregierung vor, lediglich die "frohe Botschaft" einer Steuerentlastung zu verkünden. Die Finanzierung des Haushalts für das nächste Jahr sowie der vorgezogenen Steuerreform, die zusammen 36 Milliarden Euro ausmache, sei jedoch offen. "Die Bundesregierung muss sagen, wie sie es macht."
Die rot-grüne Koalition bekomme aber nicht einmal den Haushalt 2004 auf Grund unrealistischer Annahmen hin. "Im Herbst kommen die Dinge wahrhaftig auf den Tisch", sagte Kauder. Die Enttäuschung werde dann doppelt so groß sein. Die erhofften Konjunktureffekte blieben so aus. "Das wird ein ganz brutaler Herbst." Das Vertrauen werde verspielt sein.
Kauder sagte, es sei schwieriger, ein "Ja-Aber" zu vermitteln als die bloße Botschaft, es kämen Steuerentlastungen. Um 2004 den Haushalt ausgleichen zu können und einmalig gegenzufinanzieren, würden Menschen aber durch den Wegfall etwa der Eigenheimzulage dauerhaft belastet.
Ein Streichen dieser Zulage wirke zudem erst in ein paar Jahren, da bisherige Zusagen noch gälten. Die Frage, wo Subventionen abgebaut werden können, müsste im Zuge einer großen Steuerreform besprochen werden, wie sie die Union eigentlich anstrebe.
Spiegel online, 01.07.2003
Optionen
0
SPD BAYERN
Die letzte Hoffnung ist aus Filz
Von Lars Langenau
Wir haben keine Chance - nutzen wir sie. Selten hat dieser Sponti-Spruch besser gepasst als auf eine kleine radikale Minderheit im Süden der Republik. Sozialdemokraten nennt sich das kleine chronisch erfolglose Grüppchen in Bayern. Nun wollen sie mit einem Wahlspot die übermächtige CSU das Fürchten lehren.
Hamburg - Am Donnerstag versammelten sich Bayerns Parlamentarier zur letzten Landtagssitzung dieser Legislaturperiode im Maximilianeum. Für mehr als 50 der 204 Abgeordneten bedeutete dieser Tag den endgültigen Abschied vom Landtag. Angesichts ernüchternder Umfrageergebnisse sind gerade die Sozialdemokraten ziemlich desillusioniert. Von der Wahl am 21. September erwarten sie nicht mehr viel. Manche haben schon jegliche Hoffnung fahren lassen.
So findet der 58 Jahre alte stellvertretender Vorsitzende im Agrarausschuss zwar, dass er nun "in einem guten Alter für einen Ministerposten" ist. Aber Gustav Starzmann ist auch Realist: Er erwarte nicht, dass die Regierungsverantwortung auf die bayerische SPD zukommt. "Die neuen Herausforderungen muss jetzt die nächste Generation angehen."
Für diejenigen, die in den Wahlkampf professionell eingebunden sind, wirken die Umfragewerte eher wie ein Signal, die Schlagzahl auf der Galeere SPD noch weiter zu erhöhen. Und das, obwohl sie seit Monaten schon elf bis 17 Stunden täglich für ihre Partei arbeiten. Doch nach der letzten verfügbaren Umfrage würden die Genossen gerade einmal auf 22 Prozent landen. Da hilft offenbar auch kein furchtbar netter Spitzenkandidat und keine eigens eingerichtete Wahlkampforganisation namens Kampa.
Die Bayern fühlen sich wohl und so soll es bleiben. Sie sitzen lieber in ihren Biergärten, als sich ernsthaft mit der Abwahl einer äußerst selbstzufriedenen Regierungspartei abzugeben.
Derzeit lägen die Sozialdemokraten sogar noch deutlich unter ihrem Ergebnis von 1998: Mit Renate Schmidt im Dirndl und ohne Kampa erzielte man damals immerhin noch 28,7 Prozent. Doch vor fünf Jahren gab es auch noch Rückenwind aus Berlin, Schröder war immerhin ein frischer, unverbrauchter Kandidat für die kurz darauffolgende Bundestagswahl.
Doch diesmal scheint die Bundespartei nur Gewitterfronten auszusenden, die es möglich machen könnten, dass ihre Landesgliederung zur Splitterpartei wird.
Alles sieht danach aus, als könnten die Christsozialen ihren Vorsprung noch weiter ausbauen: Bei der letzten Landtagswahl landeten sie weich bei 52,9 Prozent. Nun könnten sie gar 60 Prozent erreichen. Mit so einem Ergebnis wäre auch Franz Josef Strauß stolz auf Edmund Stoiber.
Oberstes Wahlziel: Schadensbegrenzung
Im Grunde geht es also den bayerischen Sozialdemokraten im Jahre 2003 nicht darum, einen Wechsel tatsächlich zu erreichen, wie es etwa CDU und Schill in Hamburg erfolgreich gegen eine verknöcherte SPD im Stadtstaat schafften. Oder eben die SPD im Bund gegen einen ausgelaugten Helmut Kohl.
In Bayern geht es nur noch um Schadensbegrenzung. An einen Wechsel glaubt selbst der SPD-Fraktionschef im Landtag und Spitzenkandidat Franz Maget nicht. Für Bayern komme es vielmehr darauf an, mit der Opposition auch die Demokratie zu stärken. Man will man in Bayern mittlerweile nur noch eine "Zwei-Drittel-Mehrheit verhindern", sagt Kampa-Chef Rüdiger Hahn zu SPIEGEL ONLINE.
Da sein Slogan "Bayern gewinnt" bislang nicht so gezogen hat, wie er sich das erhofft hat, greift Hahn die CSU nun an einer empfindlichen Stelle an. Zumindest würde das der aus Bonn an die Isar geholte Wahlkampfspezialist gerne glauben.
Mit einem letzen Quäntchen Hoffnung heißt es nun im einzigen Wahlfilmchen der SPD: "Viel Macht bringt viel Filz." Hoffnungsfroh arbeitet sich in dem Spot eine rote Schere durch das Dickicht der "Spezl-Wirtschaft" und fordert eine starke SPD als Korrektiv. Der SPD-Werbefilm soll in insgesamt 222 bayerischen Kinos gezeigt werden. Die SPD-Wahlkampfzentrale will damit über ein Viertel der bayerischen Bevölkerung erreichen. "Wir wissen, dass unsere Wähler öfter ins Kino gehen als die CSU-Wähler", meint Wahlkampfmanager Hahn.
SPD-Spitzenkandidat Maget selbst taucht in dem Werbefilm nicht auf. "Ich glaube nicht, dass die Wähler erfreut wären, wenn ich ihnen im Film eine Rede halte", sagt er.
Spiegel online, 11.07.2003
Optionen
0
25% - SPD auf historischem Tiefstand
"Projekt 18" läuft auf vollen Touren
Gerhard Schröder und seine Sozialdemokraten sind in der Gunst der Wähler noch weiter ins Bodenlose abgestürzt. Nur noch jeder vierte Bundesbürger würde nach den Rentenbeschlüssen der Bundesregierung für die SPD stimmen, wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären. Nach zwei am Mittwoch veröffentlichten Umfragen von Infratest-Dimap und Forsa kämen die Sozialdemokraten mit 25 Prozent auf den niedrigsten Wert in der wöchentlichen Umfrage.
62 Prozent gegen Nullrunde für Rentner
62 Prozent der 1000 Befragten halten eine Nullrunde und eine höhere Eigenleistung bei der Pflegeversicherung für die Rentner im kommenden Jahr für unzumutbar. Nur 32 Prozent halten dies für zumutbar. 40 Prozent hätten das Defizit in der Rentenversicherung lieber durch höhere Rentenbeiträge für die Arbeitnehmer finanziert als durch Einsparungen bei den Rentnern.
Insgesamt sind die Bundesbürger laut Infratest-Dimap in ihrer politischen Stimmung derzeit massiv verunsichert. 37 Prozent wissen nicht, ob sie zur nächsten Wahl gehen sollen oder welcher Partei sie ihre Stimme geben würden. Besonders ausgeprägt ist diese Unsicherheit bei ehemaligen SPD-Wählern. Von ihnen wissen 43 Prozent derzeit nicht, wen sie beim nächsten Mal wählen sollen.
Union bei 51 Prozent
Laut Forsa behauptet die Union ihre absolute Mehrheit mit 51 Prozent. Die Grünen kommen auf elf Prozent, die FDP bleibt bei sechs Prozent. Für die PDS würden derzeit vier Prozent der Wähler stimmen.
Heftige Diskussion um Rentenpläne
Oppositionspolitiker, aber auch Kritiker aus den eigenen Reihen griffen unterdessen die Rentenpläne der rot-grünen Bundesregierung scharf an. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag lehnt die Maßnahmen der Bundesregierung geschlossen ab und liegt damit auf der Linie der Parteiführungen.
Bundeskanzler Schröder kann laut ?Berliner Zeitung? offenbar mit der grundsätzlichen Unterstützung der SPD-Linken rechnen. ?Dieses Vorhaben ist so wichtig, dass wir es nicht gefährden wollen?, sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Michael Müller. Er wolle jedoch noch kleine Änderungen am Rentenpaket erreichen.
Die ?Kölnische Rundschau? berichtete dagegen, in der SPD-Linke gebe es Widerspruch zu Teilen des Rentenkonzepts. Wie die Vertreterin der Parteilinken, Ex-Juso-Chefin Andrea Nahles, der Zeitung sagte, gibt es Verärgerung über die geplante Streichung der Ausbildungszeiten bei der Rente: ?Das werden wir nicht mittragen.?
Ulla Schmidt kompromissbereit
Das ?Handelsblatt? berichtete, es sei noch offen, ob die Anrechnung von Ausbildungszeiten zurückgenommen oder verändert werde. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) zeigte sich in der Zeitung kompromissbereit: ?Wir müssen die Frage der Ausbildungszeiten offen diskutieren. An diesem Punkt scheitert keine Reform.? Auch die Grünen haben nach Darstellung des Blattes bei diesem Thema schon Gesprächsbedarf signalisiert.
Rentnern drohen weitere Nullrunden
Die fast 20 Millionen Rentner in Deutschland müssen sich nach der von Rot-Grün beschlossenen Nullrunde 2004 auch in den folgenden Jahren auf stagnierende Altersbezüge einstellen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) erklärte am Dienstag in Bad Homburg, auch 2005 und 2006 würden die Rentenanpassungen in Folge gebremster Lohn- und Beitragseinnahmen und der Riester-Reform ?eher niedrig ausfallen?. Sie tendierten gegen Null, da auch der von der Bundesregierung geplante Nachhaltigkeitsfaktor einen Rentenanstieg dämpfe.
Die Bundesregierung hatte am Sonntag beschlossen, die Beiträgssätze zur Rentenversicherung auch 2004 konstant bei 19,5 Prozent zu belassen. Dafür müssen sich die Pensionäre mit einer Nullrunde begnügen und höhere Beiträge zur Pflegeversicherung bezahlen. Die Spitzen von Rot-Grün verständigten sich auf ein Notpaket zum Ausgleich des drohenden Defizits von zehn Milliarden Euro sowie auf Eckpunkte für eine langfristige Reform der Altersversorgung.
Mit den Maßnahmen sollten insgesamt acht Milliarden Euro eingespart werden, hatte Schröder erklärt. Das entspricht dem Beitragsdefizit in den Rentenkassen. Schröder sprach von einer ?der schwierigsten Entscheidungen, die wir in unserer Regierungszeit zu treffen hatten?. Zu den Belastungen für die Rentner sagte er: ?Niemand tut das so sehr Leid wie mir.?
Focus, 22.10.03