"Trotz der Energiewende haben wir die Lage im Griff"
Chef der Bundesnetzagentur warnt aber davor, sich beim Netzausbau beruhigt zurückzulehnen
Matthias Kurth im Gespräch mit Jörg Münchenberg
Auch an den extrem kalten Tagen ist es zu keinem Blackout im deutschen Stromnetz gekommen. Der Härtetest werde dennoch erst in den nächsten zehn Jahren bestanden, wenn weitere Atomkraftwerke abgeschaltet würden, betont der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth.
Jörg Münchenberg: Von 17 deutschen Atomkraftwerken sind nach der Energiewende derzeit nur neun am Netz, und die bange Frage war, hält das Netz auch im Winter bei langen Frostperioden, oder kommt es dann eben doch auch mal zum Blackout. Hoch Dieter brachte nun genau die von Experten befürchtete Konstellation: extrem kalte Tage, wenig Wind. Aber am Ende konnte Deutschland sogar noch Strom nach Frankreich exportieren. Am Telefon nun der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth. Herr Kurth, ich grüße Sie.
Matthias Kurth: Ja, guten Tag.
Münchenberg: Herr Kurth, auch die Bundesnetzagentur hatte ja vor einem möglichen Blackout gewarnt. War das im Rückblick nicht doch alles ein wenig übertrieben?
Kurth: Also erstens haben wir nicht vor dem Blackout gewarnt, sondern wir haben nur Bedingungen beschrieben, wie es nicht zu einem Blackout kommen soll, und wir haben schon im Sommer - übrigens lange bevor es kalt wurde und bevor der Winter kam - genau beschrieben, was erforderlich ist. Unter anderem auch die Bereitstellung von sogenannten Kaltreserve-Kraftwerken in der Größenordnung von 2000 MW. Die wurden dann in der Folge auch reserviert und werden jetzt in Anspruch genommen. Also wir waren die einzigen, die weder vom Winter noch von der Kälte überrascht wurden.
Münchenberg: Kann man es denn im Rückblick jetzt vielleicht auch so formulieren, dass es nur Zufall war, dass das Netz gehalten hat, eben weil es trotz der harten Kälte eben auch sehr viel Sonne gegeben hat?
Kurth: Nichts im Leben ist Zufall. Ich glaube schon, dass eine ordentliche Planung größere Chancen hat, unsere Versorgungssicherheit zu gewährleisten, als auf den Zufall zu vertrauen. So weit ist es noch nicht und wir haben mit den Übertragungsnetz-Betreibern schon im Sommer Dinge durchgespielt, die jetzt noch gar nicht eingetreten sind. Aber es wäre natürlich auch völlig leichtsinnig zu sagen, es ist ja nichts passiert, deswegen ist alles gut. Wir haben uns für eine realistische Risikobetrachtung eingesetzt, die weder Panikmache macht, noch in vordergründige Sicherheit wiegt. Wir haben beschrieben, dass die Energiewende ehrgeizig ist, dass das Netz unter Stress steht, wir haben Maßnahmen beschrieben bei den Kraftwerken, aber auch im Netz, die werden jetzt ergriffen. Solche Maßnahmen sind zum Teil nur für den Notfall gedacht gewesen. Wir können sie anwenden und wir können mit diesen außergewöhnlichen Anstrengungen unsere Versorgungssicherheit gewährleisten.
Münchenberg: Aber trotzdem noch mal im Rückblick: War es denn zu einem Zeitpunkt mal so richtig eng, dass ein Blackout zu befürchten war?
Kurth: Nein! Ich mache nicht in Dramatik und das hilft auch niemandem weiter. Wir haben gute Ingenieure auf unseren Leitwarten, wir haben ein gutes Klima zwischen den Übertragungsnetz-Betreibern und uns, wir beobachten die Lage, auch dann, wenn sie angespannt ist, und wir finden sachgerechte Lösungen. Von Panikmache ist nicht die Rede und damit ist auch niemand gedient.
Münchenberg: Trotzdem gab es ja mal für den Süden Deutschlands durchaus Warnungen, sich mit dem Energieverbrauch vielleicht etwas zurückzuhalten, zum Beispiel an Bürger von süddeutschen Kleinstädten.
Kurth: Also wir haben derartige Warnungen nicht ausgesprochen. In Frankreich, obwohl die 80 Prozent Kernenergie haben, gibt es schon Aufrufe zum Stromsparen und zum Heizsparen. Das gab es in Deutschland nicht. Also ich würde da nicht übertreiben. Ich glaube, trotz der Energiewende haben wir die Lage im Griff - jetzt. Ob wir sie in den nächsten Jahren, wenn weitere Kernkraftwerke abgeschaltet werden, auch noch im Griff haben, das müssen wir erst unter Beweis stellen. Insoweit warne ich auch davor zu sagen, wir haben jetzt den Härtetest bestanden. Den Härtetest werden wir erst in den nächsten zehn Jahren bestehen.
usw....
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wirtschaftammittag/1676495/
Interessantes Interview, der Mann hat Recht. Keine Panik und aber auch kein zurücklehnen. Es gibt viel zu tun, packen wir es an.