SanochemiaAbschied von den Schneeglöckchen Sanochemia gelang die Synthese des Wirkstoffs Galanthamin | | Die Sanochemia Pharmazeutika AG schuf durch die chemische Erzeugung des Wirkstoffs Galanthamin die Grundlage für die weltweite Vermarktung ihres ehemaligen Nischenproduktes Nivalin. Sanochemia erkannte als eines der ersten Unternehmen die Bedeutung des Wirkstoffs für weitere Krankheitsgruppen wie zum Beispiel Alzheimer. Die typischen Defizite kleinerer Unternehmen im Bereich Vertrieb und Marketing kompensierte Sanochemia durch geschickte Kooperationen. |
Erwünschte Nebenwirkungen Galanthamin, dessen Name auf seinen Wirkstoff aus Schneeglöckchen (Galanathus nivalis) zurückgeht, wurde unter dem Markennamen Nivalin bereits seit 1961 in Österreich und Deutschland verkauft. Bei der Sanochemia wurde Nivalin bis Mitte der 1990er Jahre für neurologische Anwendungen eingesetzt, wie zum Beispiel bei Restlähmungen infolge Polio, zur Regeneration der Muskelspannung oder bei Traumata. Nivalin war ein Nischenprodukt, der Umsatz, der damit erwirtschaftet wurde, betrug nur einige hunderttausend Euro jährlich. Als Mitte der 1980er Jahre bekannt wurde, dass Alzheimer mit einem Azetylcholin-Mangel einhergeht, bahnte sich eine Wende an: Galanthamin erhöht den Azetylcholin-Spiegel, so dass es nun denkbar schien, Alzheimer erstmals pharmazeutisch zu therapieren. Eine Sensation zum damaligen Zeitpunkt. Sanochemia führte eine Reihe von Untersuchungen durch, die diese Vermutung bestärkten. Nachschub Mit den klinischen Erfolgen überall auf der Welt wurde aber die Versorgung mit dem Rohstoff zu einem Problem: Die Herausforderung war nicht die Synthese selbst, sondern die Übertragung einer bereits bekannten Methode für die industrielle Produktion von Galanthamin. Es ging darum, die produzierte Menge von einigen wenigen Milligramm auf einige Tonnen zu erhöhen. 1991 begann Sanochemia mit der Entwicklungsarbeit in Kooperation mit der TU Wien. Insgesamt arbeiteten bei der Sanochemia und der TU Wien bis zu dreißig Wissenschaftler, Techniker und Laboranten daran. Es ist dieser Konzentration der Kräfte zu danken, dass große Konkurrenten der Sanochemia aus dem Rennen geschlagen werden konnten. 1996 meldete man das Verfahren zum Patent an. Von 0 auf 10 Die Situation für den weltweiten Vertrieb von Nivalin war damals denkbar günstig, jedoch konnte Sanochemia keine weltweite Markteinführung finanzieren. Das Unternehmen entschied sich daher für eine Vertriebskooperation mit der belgischen Janssen Pharmaceutica N.V. 1997 begann Sanochemia mit der Errichtung einer entsprechenden Fertigungsanlage zur Synthese von Galanthamin im Werk Neufeld. Ohne die Unterstützung von Janssen, die ihr diesbezügliches Know-how einbrachte, wäre dies nicht in so kurzer Zeit möglich gewesen. Zwischen April und Juli 1998 produzierte man bereits eine Tonne Galanthamin, die Kapazität liegt bei mehr als zehn Tonnen im Jahr. Die Entwicklung und praktische Umsetzung des industriell verwertbaren Syntheseprozesses für Galanthamin bietet für Sanochemia weitaus größere Perspektiven, als die zuverlässige Lieferung eines Arzneiwirkstoffs, der in Zukunft immer wichtiger werden wird. Durch Modifikationen im Synthesevorgang sind jetzt ganze Familien von Galanthamin-Abkömmlingen realisierbar, die sich ausgehend vom natürlichen Molekül nicht synthetisieren ließen. In den vergangenen Jahren hat die Sanochemia hundert solcher Derivate erdacht, hergestellt und pharmakologisch charakterisiert. Die Stärken der Kleinen Durch die Synthese von Galanthamin konnte das Produktvolumen des Wirkstoffs vom Milligramm- zum Tonnenbereich erweitert werden. Gemeinsam mit einem Universitätsinstitut gelang es einem kleinen österreichischen Unternehmen, ein Verfahren zu entwickeln, das selbst größere Unternehmen nicht realisieren konnten bzw. überhaupt nicht für möglich hielten. Dies zeigt damit einmal mehr, dass radikale Innovationen oft von kleinen Unternehmen durchgesetzt werden.
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