Angst vor schwarzem Montag Reißen uns die Börsen in den Abgrund?
VON STEFAN ERNST UND RALF SCHULER
Berlin ? Steht die Welt schon wieder am Finanz-Abgrund? Rund um den Globus wächst die Angst, dass die Schuldenkrise zur Börsen-Schmelze und in eine Weltwirtschaftskrise führt! Schon heute kann der große Aktien-Crash kommen ... Im Kanzleramt hieß es gestern: DIE LAGE IST SEHR ERNST! Nach den Kursabstürzen der letzten Woche hatte die Ratingagentur Standard & Poor?s Samstag die Kreditwürdigkeit der USA heruntergestuft. Das hoch verschuldete Land besaß Jahrzehnte die Bestnote AAA, jetzt nur noch AA+. Bitter für die größte Wirtschaftsmacht der Welt ? ein Alarmsignal mit drei Ausrufezeichen für den Rest der Welt! Denn: Amerika wird offiziell neben Europa zum zweiten Problemfall für die Finanzmärkte. Experten, wie der Ex-Vorsitzende der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan, rechnen damit, dass es heute an den Börsen zu weiteren dramatischen Kursverlusten kommt. Nach Meinung von Geenspan werde es einige Zeit dauern, bis sich die Aktienkurse auf niedrigerem Niveau wieder stabilisieren. Am Wochenende gab es ein en Vorgeschmack im Nahen Osten: Die Börse Dubai verbuchte 3,7 % Minus, der israelische Tel-Aviv-25-Index sogar mehr als 6 % ? bis ein Kurssicherungssystem eingriff, Schlimmeres verhinderte. Die Angst-Frage: Was passiert heute, wenn Europas Börsen und die Wall Street wieder öffnen? Möglich sind zwei Szenarien. ? Szenario 1: Totalabsturz, weil alle ihre Verluste begrenzen wollen (?Stop-Loss-Verkäufe?). Erst würde es in Tokio und Hongkong abwärtsgehen, dann der Dax in Frankfurt abschmieren und später der Dow Jones in New York.​ An der Wall Street öffnet die Börse um 15.30 Uhr deutscher Zeit ...Beängstigend: Viele Banken und Versicherungen wären zu Notverkäufen (?fire sales?) gezwungen, um ihr Eigenkapital zu schützen. Folge: Kreditklemme, nichts geht mehr, Firmen und Privatkunden stornieren Aufträge, Jobs wackeln. Auch z. B. Lebensversicherungen geraten ins Wanken ? weil viele Anbieter das Geld ihrer Kunden u. a. in Aktien angelegt haben. Ifo-Chefvolkswirt Kai Carstensen: ?Das wäre ein Infarkt mit schweren Langzeitfolgen.? ? Szenario 2: Der Crash auf Raten geht weiter, obwohl die deutsche Wirtschaft robust ist, Wachstum möglich wäre. Aber vor allem die Schuldenkrisen in Spanien und Italien belasten die Märkte ? und Europa findet kein wirksames Gegenmittel. Prof. Stefan Homburg, Uni Hannover: ?Die aktuellen Rettungspakete und Konjunkturprogramme haben eines gemeinsam: Sie bedeuten höhere Staatsausgaben und mehr Schulden. Die Probleme werden dadurch nicht behoben, sondern verschärft.? HINTER DEN KULISSEN DER POLITIK HERRSCHTEN AM WOCHENENDE RATLOSIGKEIT UND HEKTIK. Am späten Sonntagabend signalisierte die Europäische Zentralbank den Kauf von italienischen und spanischen Staatsanleihen. Die EZB wolle ihr Anleihenkaufprogramm ?aktiv umsetzten?, teilte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nach einer Telefonkonferenz des Rats der Notenbank mit. Die EZB begrüße die neuen Spar- und Reformanstrengungen von Italien und Spanien. Sie fordert von beiden Staaten eine rasche Umsetzung. Alle Staaten der Eurozone müssten ihren haushaltspolitischen Verpflichtungen nachkommen, schreibt die EZB. Wichtig sei, auch das Wachstumspotenzial der Länder zu steigern. Die EZB fordert die Staaten auf, die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom 21. Juli rasch umzusetzen. Von entscheidender Bedeutung sei ebenso die rasche Umsetzung aller Entscheidungen des Euro-Sondergipfels Ende Juli, erklärte die EZB-Spitze und begrüßte ausdrücklich die gemeinsame deutsch-französische Erklärung dazu. Italien und Spanien mussten zuletzt hohe Zinsen für ihre Refinanzierung anbieten. Nach Aussage mehrerer EZB-Mitglieder hat dies nur wenig mit der realwirtschaftlichen Lage der beiden Euro-Schwergewichte zu tun. Das oberste Gremium der Zentralbank ermahnte die dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft der Währungsgemeinschaft aber, die angekündigte Verschärfung ihrer Sparpakete entschlossen und zügig umzusetzen. Dies sei eine grundlegende Voraussetzung für eine bessere Wettbewerbsfähigkeit und einen schnellen Schuldenabbau. Die EZB sagte jedoch nicht ausdrücklich, um Anleihen welcher Länder es sich handelte. Offen ließ sie auch, ob sie ab Montag tatsächlich auch italienische und spanische Bonds kauft. ERSTE BÖRSEN-REAKTIONEN Erste Reaktionen an den asiatischen Devisenmärkten zeigten, dass die Botschaft angekommen ist: Der Euro sprang auf 1,4378 Dollar und lag damit fast ein US-Cent über dem Schlusskurs am Freitag in New York. An den New Yorker Börsen deutet sich nach der Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit auch zu Wochenbeginn eine Fortsetzung der Talfahrt an. Die Futures der führenden Indizes eröffneten den außerbörslichen Handel am Sonntagabend mit deutlichen Abschlägen. Die Aktienfutures für den Dow-Jones-Index der Standardwerte für den breiter gefasste S&P-500 und für die Technologiebörse Nasdaq notierten in den ersten Minuten allesamt mehr als zwei Prozent tiefer. In der Nacht sollten zudem die Finanzminister der sieben führenden Industriestaaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, USA, Kanada und Japan) per Telefon über die Schuldenkrisen beraten.
Galerie ? Schwarzer Freitag Mehr zum Thema Rolf Kleine Jetzt sind eiserne Nerven gefragt Rating-Agenturen Mächtig und doch nur Schein-Riesen Nach Abwertung der USA Steht uns ein schwarzer Montag bevor?
|