Wer mit dem Drachen tanzt Leitartikel von Michael Stürmer
Wer auf industrielle Wachstumsraten schaut, dem bietet der Ferne Osten das Paradies. Wer auf Konfliktgründe und militärische Potentiale schaut, eingeschlossen Nuklearwaffen, für den liegen die Seegebiete zwischen Festlandchina, Taiwan, Nordkorea, Südkorea, Japan und den Spratley-Islands im Südchinesischen Meer näher zur Hölle.
Nordkorea arbeitet an Atomwaffen. Peking hat kein Interesse, daß der kleine rote Drache das Zündeln anfängt, wohl aber daran, den Amerikanern zu zeigen, daß sie ohne und gegen den großen roten Drachen nichts bewirken. Werden aber Nordkoreas Nuklearaufbau und Technologieexport an sinistre Kunden nicht gestoppt, dann wird nichts und niemand Japan, Taiwan und Südkorea daran hindern, demnächst im Nuklearen eigene Sicherheit zu suchen. Dann ist der Nonproliferationsvertrag, ohnehin wegen des Iran in der Prüfung, nur noch ein Fetzen Papier.
Wer, wie Chirac und Schröder es wollen, an China Waffensysteme der fortgeschrittenen Art liefert - offenbar Stealth- und Cybertechnologien für politische Einschüchterung und strategische Lähmung - ändert die strategischen Gleichungen der Region - mit Auswirkungen bis nach Europa und tief in das atlantische Sicherheitssystem. Dann ist die Pax Americana in Fernost angeschlagen, eine Pax Sinica aber nicht in Sicht. In einem Wort, der Ferne Osten ist nicht nur Traumziel für Industrielle im Kanzlerjet, sondern rechtfertigt auch die besorgten Blicke, welche die Amerikaner und die meisten Europäer dorthin werfen.
Als Friedensbringer gegen die USA gewann Gerhard Schröder vor zwei Jahren die zweite Amtszeit. Als Waffenbringer gegen die USA sucht er heute in China Verbündete. Der rot-grünen Koalition wird angst und bange, ebenso den europäischen Nachbarn. Im Kanzleramt ist man beeindruckt von den Großaufträgen, die da kommen sollen. Für die Waffensysteme wird argumentiert, ohne sie fühle sich Peking diskriminiert. Außerdem erstrebt Berlin, durch außenpolitische Erfolge nicht verwöhnt, den ständigen Sitz im Sicherheitsrat, möglichst mit Veto. Dafür wird auch China gebraucht, aber nicht allein. Daß möglicherweise andere Vetomächte angesichts neudeutscher Abenteuerlust sich die deutsche Standeserhöhung sehr gut überlegen werden, übersieht man geflissentlich.
Die USA fürchten, daß eines Tages europäische Waffensysteme gegen amerikanische Waffensysteme stehen könnten. Der Szenarien gibt es viele, speziell wegen Taiwan und des periodischen chinesischen Säbelrasselns gegen die Insel. China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz, Teil des Reichs der Mitte. Die Taiwan-Chinesen und die USA sehen das anders. Das ist der Grund, warum - diesmal spielt Konkurrenzangst keine Rolle - die USA ankündigen, sollten die Europäer an China liefern, dann würden sie transatlantisch bezahlen müssen - nicht nur mit dem Ende aller Rüstungskooperation.
Wenn das, was Schröder und Chirac vorlegen, europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist, wird EU-Europa der Länge nach gespalten. Selbst in Moskau, während sich Chinas schwerer Schatten über Sibirien legt, bevölkerungsarm und rohstoffreich, ist diese Chinapolitik erklärungsbedürftig. Putin versteht, was Machtpolitik ist, und eben deswegen liefert seine der Großaufträge entwöhnte Rüstungsindustrie massenhaft Luftwaffengerät an China, während doch gleichzeitig seine Generale Chinas aufsteigende Macht fürchten. Die Europäer beschlossen 1989, nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, ein Waffenembargo. Bis heute sind in China die Menschenrechte wenig wert. Pekings militärischer Druck auf Taiwan gefährdet mehr als nur die Region. Damit stellen Schröder und Chirac alles in Frage, was seit dem Irak-Krieg an Rapprochement Europa-Amerika geleistet wurde.
teil 1
gruß grüneagonie
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