Mit Tchibo startet in Deutschland der erste so genannte virtuelle Mobilfunknetzbetreiber (MVNO). Das sind Anbieter, die eigene Verträge vermarkten, aber kein Netz haben und sich die nötigen Minuten für ihre Kunden von Netzbesitzern kaufen. Experten sehen vor allem im Zuge des Starts der neuen, schnellen Mobilfunkgeneration UMTS in ganz Europa eine neue Welle virtueller Netzbetreiber entstehen. Dabei dürfte die neue Spezies die etablierten Anbieter auf dem Markt deutlich unter Druck setzen.
Zeichen für einen gesättigten Markt
"Nach und nach werden immer mehr MVNOs auftreten. Das ist ein Zeichen der Marktsättigung in Europa", analysiert Roman Friedrich, Berater bei Booz Allen Hamilton. Gerade kleine Anbieter dürften aus seiner Sicht großes Interesse daran haben, MVNOs auf ihren Netzen zuzulassen. "Durch UMTS haben die Netzbetreiber große Kapazitäten", sagt Friedrich. "Doch die kleinen Anbieter besitzen zu wenig Kunden. Mit MVNOs können sie ihre Netze besser auslasten." Er gehe davon aus, dass der verstärkte Wettbewerb durch die virtuellen Betreiber schließlich die Preise senken werde.
Da die Mobilfunkmärkte immer stärker gesättigt sind, wird es schwieriger, neue Kunden zu finden. Die Anbieter konkurrierten aggressiver, betonen auch die Analysten von Credit Suisse First Boston in einer aktuellen Studie: "MVNOs werden in verschiedenen Märkten den Druck auf die Preise verstärken." Sie dürften etablierten Anbietern zudem Marktanteile abjagen und deren Profitabilität senken. "Mit Sicherheit werden die Margen der europäischen Ex-Telekommonopolisten von derzeit rund 40 Prozent fallen", so die Studie.
Schon jetzt gilt die britische Virgin Mobile als erfolgreicher MVNO. In Frankreich öffnete der Anbieter SFR sein Netz für die deutsche Debitel, die als MVNO startet. Freitag kündigte der französische Marktführer Orange an, The Phone House - Tochter des britischen Anbieters Carphone - als MVNO auf sein Netz zu lassen.
Konkurrenz aus Schweden
Der schwedische Netzbetreiber Tele 2 will auch einen neuen Anlauf starten, in Deutschland wie schon in anderen Ländern als MVNO anzutreten. Nach und nach erobert Tele 2 seit Jahren europäische Länder mit diesem Geschäftsmodell, um aus dem Korsett seines Heimatmarkts auszubrechen. Zwar hatte Tele 2 Anfang 2002 schon mit O2 die Nutzung dessen Netzes als MVNO vereinbart. Doch der Regulierer gab den Schweden keine eigenen Rufnummern.
"Wir diskutieren derzeit mit dem deutschen Regulierer die Bedingungen für unseren Start als MVNO", sagte Anders Olsson, Geschäftsführer von Tele 2 Deutschland und verantwortlich für Zentraleuropa, der FTD. "Unser Ziel ist, in ganz Europa unser Angebot zu vermarkten."
Derzeit agieren die Schweden in den Niederlanden, in Norwegen, Österreich und Dänemark. In Deutschland sind sie als Call-by-Call-Anbieter im Festnetz bekannt. "Wir starten normalerweise als Festnetzanbieter und offerieren unserem Kundenstamm dann auch Mobilfunkdienste", erklärt Olsson die Strategie.
Interessant für MVNOs ist, dass sie eigene Handydienste und Tarife anbieten können. Serviceprovider wie Debitel oder Mobilcom verkaufen nur die Verträge der Netzbetreiber. Vor allem das Angebot von Prepaid-Handyverträgen macht das Geschäftsmodell für Tchibo sinnvoll. Beim Verkauf von Guthabenkarten muss der Konzern keine Rechnungen schreiben. Das drückt die Kosten. Schon Mitte 1999 hatte sich Tchibo als Mobilfunkhändler für Verträge von Mobilcom versucht, jedoch keine eigenen Tarife bieten können.
Aus Sicht des Telekomexperten Friedrich könnte das verstärkte Auftauchen von MVNOs sogar Vorbote der Änderung des Netzbetreiber-Geschäftsmodells sein. "Die Konsequenz könnte sein, dass es bald reine Netzbetreiber gibt, die Verträge für deren Netze jedoch von Anbietern wie MVNOs vermarktet werden."
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