Auf Schnäppchenjagd in Deutschland
Tschechiens Krone hat gegenüber dem Euro rasant an Wert gewonnen. Das schadet der dortigen Industrie, freut aber die Bürger, die nun billig im Westen einkaufen. Von Klaus Brill
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/975/304947/text/4/
Manchmal zeigt der Kapitalismus seine angenehmen Seiten, und eine Zeitlang darf man sich dann fühlen wie ein Glückskind. In den vergangenen Jahren ging es vielen Tschechen so. Wenn sie zum Beispiel nach Bayern fuhren, dann war das, rein finanziell gesehen, ein wachsendes Vergnügen. Ihr Geld vermehrte sich rapide und gewann zudem noch rapide an Wert.
Im Jahr 2000 verdiente ein Tscheche durchschnittlich 14.000 Kronen brutto im Monat, das waren damals umgerechnet 400 Euro. Mitte 2005 waren die Löhne und Gehälter schon auf 18700 Kronen gestiegen, umgerechnet nun 625 Euro. 2008 lag der statistische Vergleichswert am 31. März bei 22.531 Kronen, wofür es gut 900 Euro gab. Und heute, vier Monate später, kann man gut und gerne 23000 Kronen als Monatsverdienst annehmen - runde 1000 Euro. In acht Jahren also ein Anstieg von 400 auf 1000 Euro, was einem Zugewinn von 150 Prozent entspricht.
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Manche Analysten halten einen Wert von etwa 26 Kronen je Euro für angemessen. Also fragt man sich, ob da Spekulanten am Werk sind, die angesichts der anhaltenden Probleme in den USA und des Dollar-Verfalls ihr Geld von dort abziehen und stattdessen ihr Heil an den Rohstoffmärkten und in sicheren Währungen suchen. Was noch problematischer wird, wenn einzelne Anleger regelrecht auf die Kursentwicklung wetten und große Summen hin- und herbewegen.
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Der sozialdemokratische Oppositionsführer Jiri Paroubek warf der Regierung vor, mit ihren unbedachten Vorstößen die gute Konjunktur abzuwürgen.
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Der Präsident des Verbandes der tschechischen Exporteure, Jiri Grund, rechnete vor, die betreffenden Firmen hätten bisher schon einen Schaden von 70 bis 80 Milliarden Kronen - nach jetzigem Kurs um die drei Milliarden Euro - erlitten.
Allein die Firma Skoda Auto zum Beispiel, eine Tochter des VW-Konzerns, hat nach Angaben ihres Vorstandsmitglieds Holger Kintscher im ersten Halbjahr 2008 Kurseffekte von 2,3 Milliarden Kronen (derzeit etwa 96 Millionen Euro) verspürt. Die Folge: Die Erlöse sinken, obwohl die Verkäufe und die Umsätze weiter kräftig steigen.
Die tschechische Paradefirma, die 90 Prozent ihrer Autos im Ausland absetzt, wickelt deshalb schon jetzt möglichst viele Transaktionen mit dem Mutterkonzern ebenso wie mit den Zulieferern nur noch in Euro ab: Dann stehen Einnahmen in Euro auch Ausgaben in Euro gegenüber.
Andere Exporteure halten es ebenso, und alle sehnen sie den Tag herbei, an dem auch Tschechien den Euro einführt. Als Termin dafür ist aber erst das Jahr 2012 im Gespräch. . . .
Die Notenbank soll helfen . . . Alle Aufmerksamkeit richtet sich nun auf eine Sitzung des Zentralbankrates an diesem Donnerstag, nachdem der Zentralbank-Gouverneur Zdenek Tuma jüngst schon eine weitere Lockerung der Kreditpolitik öffentlich in Erwägung zog. Prompt kehrte sich der Trend an der Devisenbörse um, der Wechselkurs liegt wieder bei 23,9 Kronen zum Euro und 15,3 Kronen zum Dollar.
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Boom in Ostbayern
Nicht zuletzt profitieren auch die nächsten Nachbarn in Niederbayern und der Oberpfalz, die vor der EU-Aufnahme Tschechiens 2004 noch fürchteten, ihre Handwerker würden durch die neue Konkurrenz in den Ruin getrieben. Das Gegenteil trat ein: Nur wenige Tschechen mochten im Westen arbeiten, dafür kommen immer mehr von ihnen nach Weiden, Regensburg, Deggendorf oder Passau zum Einkaufen.
"Die geben hier richtig Geld aus", sagt Richard Brunner, der als Geschäftsstellenleiter der Industrie- und Handelskammer Regensburg in Cham für die Oberpfalz die Entwicklung verfolgt. In Cham und anderswo gibt es inzwischen Geschäfte, die tschechischsprachige Verkäufer beschäftigen und gezielt auf die wachsenden Ansprüche der Nachbarn eingehen.
Der Boom in Böhmen hat also auf Bayern übergegriffen, die Arbeitslosenquote ist in der Oberpfalz auf 3,1 Prozent gesunken, in Bad Kötzting sogar auf 2,9 Prozent. "Das ist einmalig niedrig", sagt Brunner. Weshalb sich auch die Oberpfälzer und die Niederbayern in dem Gefühl sonnen dürfen, dass es der Kapitalismus und die Konjunktur derzeit ganz gut mit ihnen meinen.
(SZ vom 05.08.2008/mel)
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