Berlin/Pirna (dpa) - Nach dem Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist eine heftige Debatte über den Umgang mit dem EU-Beitrittskandidaten entbrannt. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen, kritisierte das Verhalten der Europäischen Union gegenüber der Türkei scharf.
"Europa sendet in Richtung Türkei fast nur noch negative Signale", sagte Verheugen der "Bild am Sonntag". "Wir konzentrieren uns auf die Schwächen des Landes, ohne Mut zur Veränderung zu machen. Das verursacht in der Türkei wachsende Unlust, die von uns geforderten Reformen voranzutreiben. Das wiederum führt in Europa zur Feststellung, die Türken schafften es nicht. Das ist eine gefährliche Spirale, die in ein weltpolitisches Versagen allererster Ordnung zu münden droht."
"Es wäre ein verheerender Fehler, wenn wir der Türkei die EU-Tür vor der Nase zuschlügen", sagte der SPD-Vorsitzende Kurt Beck der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Eine privilegierte Partnerschaft, "also nur die Katzenbank, egal wie sehr sich die Türkei bemüht", sei falsch. Seine Partei werde weiter darauf achten, dass die Türkei eine faire Chance hat, EU-Mitglied zu werden.
Zuvor hatte Merkel ihre Skepsis gegenüber einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU bekräftigt. Sie wolle die Beitrittsverhandlungen nicht behindern, hatte sie am Freitag in Istanbul gesagt. Als CDU- Vorsitzende setze sie aber weiter auf das Konzept einer "privilegierten Partnerschaft". In einer Videobotschaft auf ihrer Internetseite zur EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr sagte sie: "Wir wissen, wir werden auf absehbare Zeit keine weiteren Mitgliedstaaten aufnehmen können." Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei müssten ergebnisoffen geführt werden.
Die CDU sei für die privilegierte Partnerschaft zwischen der Türkei und der EU, betonte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Samstag beim CDU-Landesparteitag Sachsen in Pirna. "Wir machen damit deutlich, dass wir einen Betritt der Türkei zur EU nach wie vor für nicht vertretbar und falsch halten." Zur Ehrlichkeit eines Dialogs gehöre zu sagen, "dass die christlichen Kirchen in der Türkei diskriminiert werden" und dass das "für uns völlig inakzeptabel ist".
Verheugen betonte, das Ziel der Verhandlungen laute EU- Vollmitgliedschaft. Er warne davor, ein Scheitern dieser Verhandlungen herbeizureden. "Wir haben jedes Interesse an einer Türkei, die fest mit der westlichen Welt verbunden ist - die also demokratisch und rechtsstaatlich ist, die Menschenrechte achtet und die Minderheitenrechte schützt. Dafür stehen die Reformkräfte in der Türkei und diese Kräfte brauchen und verdienen die Unterstützung Europas." Der EU-Kommissar fügte hinzu: "Das ist unsere Form des Regimewechsels - ohne einen einzigen Schuss."
Statt Forderungen zu stellen, hätte Europa mit der Türkei eine gute Nachbarschaftspolitik betreiben sollen, kritisierte der Vorsitzende des EU-Umweltausschusses, Karl-Heinz Florenz (CDU), am Samstag im Deutschlandradio Kultur. In der Türkei seien einige nun enttäuscht, da einige Forderungen der EU zwar erfüllt worden seien, ein Beitritt aber in immer weitere Ferne rücke.
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