Die Affäre um den Visa-Mißbrauch ? gestern übernahm Joschka Fischer die ?politische Verantwortung?. Am Dienstag meldet die ?Rheinische Post?: Fischer soll schon seit fast zwei Jahren von den Mißständen gewußt haben! Die Zeitung beruft sich auf eine ?Ministervorlage? des Auswärtigen Amtes vom 19. März 2003: ?Die massenhafte Verwendung dieser Reiseschutzpässe führte zu einer erheblichen Erhöhung der Antragstellerzahlen an den Auslandsvertretungen der GUS-Staaten. Sie wurden über viele Monate auch von Schleusern und Schleppern mißbraucht,um Visa zu erschleichen.? Deutlicher geht's kaum. Fischer selbst hat es bisher abgelehnt, sich auf Einzelheiten festzulegen. Seine außenpolitischen Schwerpunkte hätten in der fraglichen Zeit woanders gelegen. Er kündigte gestern jedoch an an, daß er sich erst einmal anhand der Akten Kenntnis verschaffen müsse... Gestern um 10.51 Uhr hatte der Außenminister sein Schweigen gebrochen ? und sagte doch wenig ... Schon am frühen Morgen drängelten sich in dicke Mäntel gehüllte Reporter im Schneegestöber vor der Parteizentrale der Grünen in Berlin-Mitte, warteten auf Fischer. Der saß zu dieser Zeit noch in seinem warmen Ministerbüro ? und hielt Hof: erst der frühere italienische Außenminister Fratini, dann EU-Kommissar Laszlo Kovacs. Derweil trat der Kanzler vor die Mikrophone. Am Rande des SPD-Präsidiums gab er eine Ehrenerklärung für seinen Vize ab: ?Joschka Fischer hat mein volles Vertrauen und meine volle Unterstützung. Wenn die Opposition glaubt, ihn kippen zu können, dann irrt sie gewaltig!? Auch der Kanzler weiß: Ohne Fischer wäre Rot-Grün am Ende! Vor der Grünen-Zentrale unterhielt zu dieser Zeit Umweltminister Jürgen Trittin die wartende Journalisten-Schar, witzelte: ?Das sieht ja hier aus wie vor der Botschaft in Kiew ...!? Eine ironische Anspielung auf den hunderttausendfachen Visa-Mißbrauch, der erst durch den umstrittenen Erlaß des Auswärtigen Amtes im März 2000 möglich wurde. 10.51 Uhr: Joschka Fischer wuchtet sich vor der Parteizentrale der Grünen aus seiner Panzerlimousine. Seine Body-guards schieben ihn in den Reporter-Pulk. Der sonst so brummige Außenminister gibt sich ungewohnt freundlich, sagt: ?Für mögliche Versäumnisse und Fehler meiner Mitarbeiter trage ich die politische Verantwortung.? Die eigentliche Schuld für den massenhaften Visa-Mißbrauch schiebt er der Regierung Kohl zu: ?Es ist ja nicht so, daß mit Rot-Grün die Schleuser-Kriminalität begonnen hätte!? Nach knapp fünf Minuten verschwindet der Minister in die Sitzung des Parteirates. Auch dort wurde er kaum deutlicher: ?Ja, es hat Fehler in Kiew gegeben. Und ich bedauere, daß es so lange gedauert hat, diese abzustellen ...? Die Runde kam zu dem Schluß: Das Wichtigste sei, ?daß das Problem Volmer gelöst ist?. Der Ex-Staatsminister war am Freitag von seinem Amt als Außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion zurückgetreten. Die Opposition ließ gestern nicht locker. Kanzler Schröder müsse sich vor dem Untersuchungs-Ausschuß verantworten, so Angela Merkel. Die CDU-Chefin weiter: ?Herr Fischer wälzt die politische Verantwortung auf seine Mitarbeiter ab.? CDU-Vize Christian Wulff über Fischer: ?Das Beste wäre der Rücktritt.? CSU-Chef Edmund Stoiber stellte schon die Frage, ?ob der Außenminister, der in der Praxis am Gesetz vorbei die Ausgabe von Visa ermöglicht hat, nicht seinen Amtseid gebrochen hat und zurücktreten muß??
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