Die Frage ist doch, was unter "Wohlstand" konkret zu verstehen ist: Ein formal steigendes Wirtschaftswachstum mit wachsenen Profiten vor allem für große, exportorientierte Unternehmen und ihre Aktionäre oder ein besserer Lebensstandard für die breite Masse der Bevölkerung. Die bedingungslose Öffnung der nationalen Märkte verschärft den Wettbewerb und zwingt die Unternehmen dazu, ihre Kosten zugunsten günstiger Preise zu senken. In Hochlohnländern wie Deutschland geht das vor allem auf Kosten der menschlichen Arbeitskraft. Personal wird immer stärker durch moderne Technik ersetzt. Gleichzeitig erleichtert es die Globalisierung den Unternehmen, ihre Produktionsstandorte ins preisgünstige Ausland zu verlagern. Dieser Trend dürfte sich mit der Aufnahme Polens und der Tschechei, zwei Billiglohnländern direkt an den Grenzen zu Deutschland, noch verschärfen. Denn nun ist es auch für klein- und mittelständische Unternehmen, die immerhin knapp 80% der Arbeitsplätze in Deuzschland stellen, relativ leicht, dem teuren Produktionsstandort Deutschland mit seinen hohen Steuern und Abgaben sowie der wuchernden Bürokratie den Rücken zu kehren. Umgekehrt sehen sich personalintensive Handwerksbetriebe vor allem in den Grenzregionen mit der Konkurrenz durch ausländische Billiganbieter konfrontiert.
Das Märchen vom steigenden Wohlstand für alle Europäer wurde uns doch schon im Zusammenhang mit der Schaffung des EU-Binnenmarktes 1992 erzählt. Und wie sieht die Lage heute, 12 Jahre später aus? Die Arbeitslosigkeit ist in Deutschland so hoch wie nie zuvor, die öffentliche Hand ist pleite und der Sozialstaat am Ende. Und Experten gehen davon aus, dass sich dieser fatale Trend - also die weitere Vernichtung von Arbeitsplätzen gepaart mit einer wachsenden sozialen Zweiteilung der Gesellschaft in wenige Wohlhabene einerseits und Globalisierungsverlierer andererseits bei gleichzeitig schrumpfendem Mittelstand - auch in Zukunft fortsetzen wird.
Sollten sich diese Prognosen bewahrheiten - und es spricht sehr viel mehr dafür als dagegen - dann wird nicht nur in Deutschland alsbald eine Gegenbewegung einsetzen, die sich für Protektionismus und eine Renationalisierung der Wirtschaftspolitik einsetzt. Denn die von der politischen Linken vertretende Alternative, man könne die Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung durch eine Internationalisierung der Politik bis hin zu einem "Weltstaat" unter Kontrolle bekommen, ist wegen der nationalen Interessenunterschiede, die zwischen den Staaten bestehen, schlicht unrealistisch.
J.R.
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