Verwirrende rot-grüne Signale
Von Severin Weiland
Je wahrscheinlicher ein US-Angriff auf den Irak wird, desto nervöser werden die rot-grünen Koalitionäre. Das zeigt die vielstimmige Debatte um einen möglichen Einsatz deutscher ABC-Panzer. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Beck warnt seine Kollegen vor spekulativen Äußerungen.
Berlin - Wenn es eines Zeichens bedurft hätte, dass das Thema der deutschen ABC-Schützenpanzer im Kuwait die Nerven der rot-grünen Koalitionäre strapaziert, dann lieferte Volker Beck dafür am Montag ein schönes Beispiel. "Nicht auf jede hypothetische Journalistenfrage muss man auch eine spekulative Antwort geben", ärgerte sich der erste parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion über Aussagen aus der Koalitionsfraktion, die einen Einsatz der Panzer im Falle eines Irak-Krieges nicht ausschließen wollten. Vor allem an den Vizevorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Hans-Ulrich Klose, mag der Grüne dabei gedacht haben. Der hatte zuvor in der "Bild" erklärt: "Wenn biologische oder chemische Waffen im Grenzbereich von Kuwait oder dem Irak eingesetzt werden, müssen die deutschen Spürpanzer helfen". Kloses Äußerung war keinesfalls ein Ausrutscher: Der Sozialdemokrat, der noch in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses gewesen war, hatte bereits vor Monaten den Anti-Kriegs-Kurs von Gerhard Schröder kritisiert und wiederholt darauf hingewiesen, in welche Lage sich die Bundesrepublik international durch ihre Verweigerungshaltung bringen würde. Nun scheint Klose zu der Erkenntnis gelangt sein, dass ein Irak-Krieg trotz der Waffeninspektionen unvermeidlich geworden ist - und damit in wenigen Monaten die rot-grüne Koalition neue Antworten zu geben hat.
Diese dürften zwar nicht auf einen direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands hinauslaufen. Was aber geschieht, wenn amerikanische Truppen in Kuwait von irakischen ABC-Waffen getroffen werden? Sehen die Deutschen dann zu, wie ihre amerikanischen Nato-Verbündeten verseucht werden und umkommen? Unter vier Augen räumen hochrangige Koalitionspolitiker ein, dass dann nach dem Völkerrecht "Gefahr im Verzuge", also Notwehr, gelten müsste. Die deutschen Truppen könnten dann schlechterdings nicht abseits stehen - trotz des eigentlichen auf den Anti-Terror-Kampf begrenzten Mandats "Enduring Freedom". Auch eine andere Alternative wäre möglich: Da ja Kuwait die ABC-Panzer angefordert hat, könnte die dortige Regierung bei einem irakischen Angriff auf US-Truppen auf ihrem Hoheitsgebiet die Panzer erbeten.
Am Montag waren die Vertreter von Koalition und Bundesregierung dennoch bemüht, den Eindruck gerade zu rücken, wonach deutsche Panzer helfen könnten, sollte der Irak - entweder präventiv oder in Folge eines US-Angriffs - gegen Kuwait vorgehen. Zunächst versuchte Verteidigungsminister Peter Struck eine Äußerung seines parlamentarischen Staatssekretärs Hans Georg Wagner zu korrigieren. Der hatte im Falle eines irakischen Angriffs auf US-Lager in Kuwait genau das versichert, was viele in der rot-grünen Koalition denken, aber aus Angst vor Konflikten mit den Einsatzgegnern nicht offen auszusprechen wagen: Dass die deutschen Kräfte dann "selbstverständlich" zum Einsatz kämen. Doch Strucks Korrektur im ZDF war bei genauerem Hinsehen keine. Der Verteidigungsminister brachte nämlich eine Ausgangslage ins Spiel, um die es in der jetzigen Debatte gar nicht geht und die Kanzler und Außenminister wiederholt ausgeschlossen haben - eine Teilnahme Deutschlands an einem Angriff gegen den Irak. "Wir beteiligen uns nicht an Maßnahmen gegen den Irak, also brauchen wir auch kein neues Mandat", so der Sozialdemokrat. Die "Fuchs"-Panzer seien im Rahmen der Mission "Enduring Freedom" in Kuwait stationiert. "Dafür sind sie in Kuwait und dafür bleiben sie auch", versicherte Struck.
Was aber gilt nun wirklich, wenn Kuwait in Gefahr gerät, von irakischen Raketen getroffen zu werden? Im vielstimmigen rot-grünen Chor war dazu am Montag keine klare Botschaft herauszuhören. Der stellvertretende Regierungssprecher Hans-Herman Langguth, von den Grünen in dieses Amt entsandt, gab am Montag in der Bundespressekonferenz folgende Version ab: Das Mandat "Enduring Freedom" gelte nicht für den Fall, dass der Irak als Reaktion auf einen US-Angriff seinen Nachbar Kuwait bekämpfe. Ähnlich sah es der Grüne-Fraktionsgeschäftsführer Beck.
Neues Thema Patriot-Raketen für Israel
Doch die ABC-Panzer sind nicht das einzige Thema, das die Koalitionäre am Montag bekümmerte. Unklar blieb auch die rot-grüne Haltung zum Thema "Patriot-Raketen", um die nach einem Bericht des "Handelsblattes" die US-Regierung die Deutschen in der Nahost-Region gebeten haben soll. "Es gibt keine Anforderung der Amerikaner zu Patriot-Raketen", versicherte Verteidigungsminister Struck. Dagegen wollte der Verteidigungsexperte der Grünen-Fraktion, Winfried Nachtwei, einen Einsatz nicht grundsätzlich ausschließen: "Sicherlich könnten wir einer Existenz bedrohenden Gefahr für Israel nicht einfach zusehen". Doch bestehe, schränkte Nachtwei im "Südwest-Rundfunk" seine Aussage ein, keine Veranlassung für weitere Überlegungen. Grund: Es gebe ja offensichtlich eine solche Anfrage nicht. Bereits vor dem Golfkrieg 1991 waren der Einsatz deutscher "Patriot-Raketen" in der Bundesrepublik heiß diskutiert worden. Weil ein Einsatz deutscher Truppen außerhalb des Nato-Gebietes damals nicht erlaubt war, finanzierte Deutschland eine Batterie in Israel, das damals unter Beschuss irakischer Scud-Raketen lag.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Beck, ahnte am Montag, dass sich Rot-Grün mit den verwirrenden Äußerungen zu ABC-Panzern und Patriot-Raketen keinen Gefallen tut: "Spekulationen über unterschiedliche Szenarien", so der Grüne über die Aussagen verschiedener Abgeordneter, "verunsichern ohne Not die Öffentlichkeit".
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