eine kleine anregung zum sandburgenbau*s* Wir buddeln uns ein Sommerloch - (aber den Schutzwall nicht vergessen)
Tief aus dem Sommerloch - und zwar von dorther, wo das Depress-Loch sommers wie winters am tiefsten ist, nämlich aus dem Mecklemburgischen - drang zu uns eine tröstliche demoskopische Botschaft: Mehr als 60 Prozent der Ostsee-Urlauber erklären die selbstgebaute Strandburg für unverzichtbar, um die Ferien an der See wirklich genießen zu können.
Ein feste Burg ist unser Volk! So habe ich schon vor Jahren an dieser Stelle frohgelockt (Wochenschauer Nr. 39). Schließlich sind wir alle deutsche Bürger. Jawohl, lieber Wessi-Leser, auch der Mecklemburger ist ein "deutscher Mitbürger" und nicht nur ein sogenannter. So weit sollten wir eigentlich allmählich, nach bald 14 Wende-Jahren, sein. Schließlich: "Die Mauer in den Köpfen verfällt immer mehr", gab unser Bundes-Johannes neulich bekannt, ohne auf konkretere Verfallsdaten einzugehen.
Dabei liegt es gewissermaßen im Wesen des deutschen Bürgers, daß er einen Schutzwall braucht - zumindest dann, wenn er im Sommerurlaub gestrandet ist am Gestade eines Meeres. Deshalb baut sich der Bürger als erstes eine Burg und zeigt so, daß er sich seiner mittelalterlichen Tradition bewußt ist. Ein Blick ins Grimmsche "Deutsche Wörterbuch" belegt das: Ein "Bürger" war zunächst einer, der im Schutze einer Burg lebte. Das unterschied ihn vom Landmann, der ungeschützt auf dem Felde hauste: "Bürger und Bauer scheidet nichts als die Mauer."
Es reichte ein aufgeschütteter Wall um die ersten größeren Ansiedlungen herum, um dahinter ein Bürger zu sein. Und so ist noch heute die Ferienzeit zugleich die Hoch-Zeit des Bürgertums.
Ich hab das mal vor ein paar Jahren in Dänemark miterlebt, wie da deutsche Familienväter die ihnen teilweise schon von früheren Invasionen her bekannten Gestade zurückeroberten. Am fremden Strande angekommen, greift der deutsche Mann als erstes zur Schippe und buddelt sich ein - so wie er's von früher her gewohnt war. Wir nahmen immer als erstes das fremde Land auf die deutsche Schippe und legten einen Wall drum herum: Das war und ist der Sinn jeder deutschen Wall-Fahrt.
An der dänischen Ferienfront gab es damals auch heftigen Widerstand, doch von irgendwelchen Ausländern läßt sich ein deutscher Bürger nicht unterkriegen: Wenn der sich der sich seine deutsche Burg gebaut hat, fühlt er sich eingebürgert. Dann hockt er drinnen. So macht er aus dem Ausland ein Inland. Und wehe einer von den dortigen Aborigines kommt seiner Burg zu nahe. Da geht es Dänen aber schlecht. Der deutsche Burgherr ist allzeit bereit zum Bürgerkrieg.
In seine Burg läßt ein deutscher Vater eben nur die Seinen. Hier ist er der erste Bürger. Hier ist er der King. Der Bürger King.
In der kleinen Strandpension, in der ich damals wohnte, hatte sich zwei Zimmer weiter ein Burgenbauer aus Britz einquartiert. Ein volldröhnender Vertreter dessen, was als Berliner Volkshumor berüchtigt ist. Grauenvoll! Aber vielleicht war ich auch nur neidisch, weil ich zu der Zeit auftrittsfrei war. Und dieser Britzer Volks-Humorist hatte jeden Morgen im Frühstücksraum seinen Auftritt, wenn er der dänischen Bedienerin völkerverständigend zurief: "Jetzt aber ran an die Eier, Frollein! Aber hopphopphopp! Dafür zahl ick schließlich. Hier zählt meene Mark - und nich Dänemark."
So lachte der deutsche Ferien-Landser in den guten alten Vor-Euro-Zeiten, als deutsche D-Markationen noch was galten. Ansonsten lauert er weiterhin den ganzen Sommer über auf vorgeschobenem Posten hinter seinem Wall. Neben ihm das Weib, das er einst kürte, seine Wall-Küre. Meist hört sie auf den Rufnamen: Mutti. Mutti hat in der Etappe für den Nachschub zu sorgen: Sie holt vom Kiosk das Bier, während er die Stellung hält.
Das Recht auf die eigene Burg muß tagtäglich neu erkämpft werden. Dieser Kampf eint die deutschen Bürgerrechtler - egal, ob aus Ost oder West. Da herrscht Burgfrieden. Doch wie wir sehen: Dieser Frieden ist auf Sand gebaut.
von horst buchholz/wochenschauer
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