24. August 2008, 17:51 Uhr Von Hildegard Stausberg Warum Brasilien wahnsinnig unterschätzt wirdWas kaum jemand weiß: Brasilien ist Exportweltmeister bei Soja, Kaffee und Orangensaft. Der Bundesverband der Deutschen Industrie erwartet, dass deutsche Unternehmen in den kommenden Jahren massiv in Brasilien investieren werden. Denn gegenüber Russland, China und Indien haben die Brasilianer einen entscheidenden Vorteil. So positiv hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Brasilien schon lange nicht mehr bewertet: „In Zukunft sind in Brasilien umfangreiche Investitionen deutscher Unternehmen zu erwarten“, erklärt Beatrice Kühne, BDI-Abteilungsleiterin Internationale Märkte – und verweist auf „eine stabile Wirtschafts- und Finanzpolitik, ein Investitionsprogramm von über 200 Milliarden Euro bis 2010 und positive Bewertungen der Ratingagenturen Fitch und Standard & Poor’s“. Deshalb versprechen die in Köln stattfindenden 26. Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage für Peter Rösler vom Lateinamerika Verein in Hamburg auch „besonders spannend“ zu werden – zumal mit mehr als 600 Teilnehmern „eine Rekordbeteiligung“ zu verzeichnen sei. Die Veranstaltung, ausgerichtet vom BDI und dem brasilianischen Industriellenverband Confederacao Nacional da Indústria (CNI), ist traditionell das wichtigste Treffen von Industriellen beider Länder.
Nicht nur wegen der aktuellen Situation fordert Rösler eine „schnelle und tief greifende Revision des Brasilienbildes“ in Deutschland: Das fünftgrößte Land der Welt sei mit seinen gewaltigen Agrar-, Bergbau- und Energieressourcen „längst eine Exportweltmacht“ und liege auf Platz eins bei Soja, Kaffee, Rindfleisch, Geflügel, Zucker, Ethanol, Eisenerz und Orangensaft. Brasilien verfüge über einen umfassend entwickelten Industriesektor und liege im Weltranking außerdem auf Platz eins bei Hybridmotoren, Platz drei beim Bau von Linienflugzeugen und Platz sechs bei der Kfz-Fertigung.
„Das wissen in Deutschland nur wenige, und kaum eine Nation wird immer noch so unterschätzt wie Brasilien“, sagt Rösler: „Dabei ist das Land mit 1,3 Billionen US-Dollar schon heute die weltweit neuntgrößte Volkswirtschaft und wird Deutschland spätestens 2036 überholt haben.“ Unter den BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China) habe Brasilien im Übrigen als einziges die Möglichkeit „seine Lebensbedingungen in jeder Hinsicht selbst zu gestalten und wirklich autark zu werden“. Das hänge auch damit zusammen, dass das Land über seine Firma „Petrobras“ weltweit führend sei bei Tiefseebohrungen und die brasilianischen Ölreserven, die bisher immer auf 14 Milliarden Barrel geschätzt wurden, wahrscheinlich um ein Dreifaches höher lägen: „Brasilien kann sich damit unabhängig machen von Ölimporten“, sagt Rösler. Eine viel versprechende Alternative Für ihn ist das von der Regierung des Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva 2007 aufgelegte Wachstumsprogramm zum Ausbau der Infrastruktur PAC (Programa de Aceleracao do Crescimento) eine für deutsche Unternehmen „absolut viel versprechende Perspektive“ gerade in den Bereichen Kraftwerks- und Straßenbau sowie besonders bei Hafenanlagen.Auch die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo wird im ersten Quartal 2009 ausgeschrieben. Sie ist 420 Kilometer lang und liegt in einer Region, in der etwa 40 Millionen Menschen leben und 45 Prozent des brasilianischen Bruttoinlandproduktes (BIP) erwirtschaftet werden. Für Ingo Plöger, den Koordinator der Deutsch-Brasilianischen Initiativen, stehen gerade hier die Chancen für deutsche Firmen gut: „Allerdings stehen auch andere in den Startlöchern, etwa Franzosen und Italiener.“ 1200 deutsche Firmen sind schon da Deshalb sollte Deutschland das Netz der in Brasilien tätigen Firmen noch viel intensiver nutzen, meint Plöger: „1200 deutsche Unternehmen haben Niederlassungen in Brasilien, und Sao Paulo ist mit 800 deutschen Unternehmen die weltweit größte Industriestadt außerhalb der Bundesrepublik.“ Deutsche Unternehmen produzierten zehn Prozent des brasilianischen BIP, und zudem gebe es zehn Millionen deutschstämmige Brasilianer. Plöger begrüßt, dass durch das Motto der Wirtschaftstage: „Mobilität, Energiesicherheit und Klimaschutz“ in Köln gerade auch Fragen der Umweltsicherheit und Nachhaltigkeit diskutiert würden: „Wir sind nach den Vereinigten Staaten der weltweit größte Ethanol-Hersteller, aber wir schaffen das, anders als die Amerikaner, ohne Subventionen.“ Auch den Vorwurf, Brasilien vernachlässige durch die Ethanol-Gewinnung seine landwirtschaftliche Produktion, weist Plöger zurück: „Dafür stehen sieben Millionen Hektar zur Verfügung, für die gesamte Landwirtschaft hingegen mehr als 200 Millionen Hektar.“ http://www.welt.de/wirtschaft/arti2368255/..._unterschaetzt_wird.html
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