Von
Ralf Heidenreich
Primacom steht das Wasser bis zum Hals: Das Unternehmen wird von den Zinsen auf eine zweitrangig besicherte Kreditlinie in Höhe von rund 500 Millionen Euro langsam aber sicher aufgefressen. Die Mainzer müssen 20 Prozent an Zinsen an die Gläubiger zahlen - den US-Investor Apollo und die US-Bank JP Morgan Chase. Die Folge: Das Unternehmen rutscht immer tiefer in die roten Zahlen, obwohl das operative Geschäft gute Erträge abwirft. " Wir müssen pro Jahr 125 Millionen Euro an Zinsen aufbringen - das ist zu viel" , sagte Primacom-Vorstandschef Wolfgang Preuß gegenüber dieser Zeitung.
Der Konflikt heizt sich nun immer weiter auf. Bereits vor gut vier Wochen hatte die Primacom beim Landgericht Mainz wegen der hohen Zinsen Feststellungsklage eingereicht. Nach Ansicht der Mainzer, die sich auf ein Gutachten einer renommierten Wirtschaftsprüfersozietät stützen, ist das Darlehen sittenwidrig und eigenkapitalzersetzend. Jetzt legt das Management nach: Die florierende niederländische Tochter Multikabel soll verkauft werden. Laut Primacom befindet man sich mit Interessenten in fortgeschrittenen Verhandlungen über einen Verkauf, der deutlich über 500 Millionen Euro bringen könnte. Durch die Veräußerung könnten " die gesamten erstrangig besicherten Kreditverpflichtungen (500 Millionen Euro zu deutlich niedrigeren Zinsen, d.Red.) zurückgeführt und die Gesellschaft von Zins- und Tilgungszahlen entlastet werden" , so Primacom. Bei den so genannten Senior-Banken, die die erste Kreditlinie bedienen, zeichne sich eine Zustimmung zum Verkauf ab.
Die Gläubiger aus Amerika, die die hochverzinsten zweitrangigen Darlehen halten, sind anderer Auffassung und haben eine einstweilige Verfügung gegen den Verkauf erwirkt - " um die Einhaltung der Vorschriften der Vertragsdokumente, welche den Verkauf von Sachwerten ohne das Einverständnis der Gläubiger verbieten, zu gewährleisten" , wie es in einer Mitteilung von Apollo heißt. Außerdem mache man sich " ernsthaft Sorgen" um Primacom. " Ein Verkauf von Multikabel könnte den Interessen der Aktionäre abträglich sein."
Aktionärsschützer wundern sich, dass Apollo plötzlich die Aktionäre entdeckt. " Das ist scheinheilig und interessiert Apollo auch nicht" , sagte Markus Straub von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Der US-Investor wolle " die Restrukturierung von Primacom unter allen Umständen verhindern und das Unternehmen in die Insolvenz treiben, um die Aktionäre auszubooten und sich die wertvollen Unternehmensteile zu holen." Primacom werde jetzt genau prüfen, wie man sich gegen die Verfügung zur Wehr setze, sagte Straub, der auch im Primacom-Aufsichtsrat sitzt. Der Verkauf werde auf jeden Fall weiterverfolgt. Bereits im Sommer war ein spektakulärer Übernahmeversuch von Apollo und J.P. Morgan geplatzt. Multikabel ist im Primacom-Portfolio ein Juwel. Internet-Telefonie und Hochgeschwindigkeits-Internet bringen dicke Geschäfte. Eine nachhaltige Schwächung des Unternehmens durch den Verlust von Multikabel erwartet Preuß nicht. " In Deutschland haben wir mehr als dreimal soviel Kunden wie in den Niederlanden. Internet-Telefonie und High-Speed-Internet stehen hier erst am Beginn" , sagte er. Auch von Digitalfernsehen und Pay-TV erwarte man viel.
|