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Börsianern drohen Zitterwochen September laut Statistik schlechtester Monat - Bisheriger Jahresverlauf aber untypisch von Karsten Seibel
Frankfurt/Main - Fast entsteht der Eindruck, der Deutsche Aktienindex (Dax) hätte sich in der zweiten Augusthälfte mit dem Plus von 200 Punkten ein Polster angefressen, nur um in den nächsten Wochen davon zehren zu können. Schließlich steht mit dem September der mit Abstand schlechteste Börsenmonat der vergangenen Jahrzehnte bevor. Seit 1966 gab der Dax im September durchschnittlich um 2,6 Prozent nach. Nur der Mai ist mit einem Minus von 0,5 Prozent ebenfalls im negativen Bereich. "Die September-Schwäche ist kein Zufall, dazu ist sie an zu vielen Märkten und über einen zu langen Zeitraum zu beobachten", sagt Aktienstratege Gerhard Schwarz von der Hypo-Vereinsbank.
In den vergangenen 39 Jahren fiel der Dax im September 26 Mal, nur 13 Mal legte er im neunten Monat eines Jahres zu. Noch deutlicher fällt das September-Phänomen seit 1990 aus. Lediglich zwei Mal (1996 und 1997) stand seitdem am Monatsende ein Plus. Der schlechte September-Durchschnitt geht vor allem auf drei Ausreißer-Jahre zurück. So gab der Dax im September 1990 um 18,1 Prozent nach - wenige Wochen zuvor war der Irak in Kuwait einmarschiert. Im Jahr 2001 führten die Terroranschläge des 11. September zum Ausverkauf an den Börsen (minus 17 Prozent). Der Negativrekord ein Jahr später mit einem Verlust von mehr als 25 Prozent war Folge einer Reihe von Risikofaktoren wie steigender Rezessionsangst und der Kriegsgefahr im Irak. Doch selbst wenn die drei Jahre herausgerechnet werden, behält der September mit minus 1,1 Prozent unverändert die rote Laterne.
"In der zweiten Jahreshälfte müssen die Gewinnschätzungen oftmals nach unten angepasst werden, da viele Analysten und Investoren in der Regel zu optimistisch in ein Jahr hineingehen", erklärt sich Aktienstratege Volker Borghoff von HSBC Trinkaus & Burkhardt den September-Effekt. Stefan Mitropoulos von der Bankgesellschaft Berlin gibt allerdings zu bedenken, dass die Gewinnerwartungen selten in der nachrichtenarmen Zeit im September korrigiert würden. Außerdem müsste es dann in überraschend guten Jahren auch zu deutlichen Aufwärtskorrekturen im September kommen. Fraglich ist für Mitropoulos auch das Argument, dass sich im September verstärkt Fonds, deren Geschäftsjahr zum 31. Oktober endet, von verlustbringenden Aktien trennen: "Warum ist dies dann nicht ebenfalls im Oktober zu beobachten?"
Uneinig sind sich die Experten darin, ob auch der September des Jahres 2004 seinem Ruf als Minus-Monat gerecht wird. Borghoff erwartet erneut einen schwächeren Dax: "Die US-Konjunkturindikatoren der kommenden Tage werden die September-Korrektur auslösen." Im Mittelpunk stehen das US-Verbrauchervertrauen am heutigen Dienstag und die Arbeitsmarktdaten am Freitag. Die schlechten Nachrichten würden gerade solche Anleger zum Verkauf bewegen, die sich erst in den vergangenen Wochen mit Papieren eingedeckt hätten.
Schwarz von der Hypo-Vereinsbank will den September-Effekt zwar nicht ignorieren, in diesem Jahr werde er die Märkte aber nicht sonderlich belasten. Dafür sei der Dax mit einem durchschnittlichen Kurs/Gewinn-Verhältnis von 13,5 gegenüber einem Mittel von 15 zu niedrig bewertet. Mitropoulos blickt vor allem auf die Rohstoffmärkte: "Ob der September seinem schlechten Ruf gerecht wird, dürfte in erster Linie von der Entwicklung des Ölpreises abhängen" Wenn der Preis auf 35 Dollar falle, steige der Dax auch wieder über 4000 Punkte. Zum Wochenauftakt lag der Ölpreis in London bei knapp über 40 Dollar.
Beruhigend für alle Anleger sollte sein, dass 2004 bislang nicht typisch verläuft. Neben dem Mai schlossen auch Februar, März und Juli mit einem Minus ab. Der August wird sich da aller Voraussicht nach einreihen. Warum sollte also nicht der September überraschend im Plus enden?
Artikel erschienen am Di, 31. August 2004
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