lustig?
Lager Atrush für türkisch-kurdische Flüchtlinge
Wieso Mitverantwortung?
Vor zehn Jahren, am 16. März 1988, überfiel die irakische Armee die kurdische Stadt Halabdscha mit einem Giftgasangriff. Damals starben in wenigen Minuten 5000 Menschen; unzählige fielen den Folgen des Bombardements zum Opfer. Der Angriff auf Halabdscha war der Höhepunkt einer Vernichtungskampagne, in deren Verlauf die irakische Armee Giftgas und Napalm gegen die kurdische Zivilbevölkerung einsetzte - zehn Städte und mehr als viertausend Dörfer wurden zerstört, weite Landstriche vermint. Noch immer werden dort Menschen beim Versuch, ihre Felder zu bestellen, durch Minen deutscher Herkunft zu Krüppeln.
Halabscha und diese sogenannte "Anfal"-Kampagne waren nur möglich durch die Lieferung westdeutscher Giftgasfabriken und durch die Schulung ostdeutscher Experten im Giftgaskrieg. Objektiv gesehen war die Bundesregierung durch ihre wirtschaftliche, militärische und politische Unterstützung von Saddam Hussein Kriegspartner bei dessen Vernichtungsfeldzug gegen die Kurden. Von einer Entschädigung der Opfer (sofern überhaupt möglich) war nie die Rede - im Gegenteil.
Statt 'Wiedergutmachung' wasserdichte Abschottung
Als nun zur Jahreswende ein paar hundert kurdische Flüchtlinge an der italienischen Küste strandeten, rief die deutsche Regierung fast schon den Notstand aus und forderte lautstark ihre Rückschiebung in die Türkei und die strikte Abriegelung der europäischen Grenzen. So hat die Bundesregierung unter anderem eine Bürgschaft über 60 Millionen DM für die Lieferung von Geräten zur elektronischen Grenzüberwachung an die Türkei übernommen. Das türkische Regime erhofft sich davon, sowohl den Fluchtweg für Kurdinnen und Kurden in den Nordirak abzuschneiden, als auch umgekehrt -im Hinblick auf die Folgen amerikanischer Militärschläge gegen den Irak- eine erneute Fluchtwelle irakischer Kurden in die Türkei zu verhindern. Und die deutsche Regierung erhofft sich davon eine wirksames Hindernis gegen den Zustrom irakisch-kurdischer Flüchtlinge nach Europa.
Die sogenannte 'Schutzzone' - humanitäres Notprogramm statt politischer Lösung
1991, als Millionen hungernder und halberfrorener Kurden auf der Flucht vor den Truppe Saddam Husseins über die verschneiten Berge in die Grenzregionen zum Iran und zur Türkei flohen, wurde unter dem Druck der Weltöffentlichkeit von den Mitgliedern der seinerzeitigen Anti-Irak-Koalition im Nordirak eine sogenannte Schutzzone, "Save Haven", ausgerufen - weniger aus Mitleid oder gar Solidarität mit den bedrängten Kurden, als vielmehr aus Angst vor einer Destabilisierung der Nachbarländer durch die Flüchtlingsmassen.
Eine Schutzzone, die diesen Namen verdienen würde, war sie jedoch in Wirklichkeit nie: Weder bot sie den Betroffenen Schutz vor militärischen Invasionen der Türkei und des Iran, noch wurde die 1992 gebildete Autonomieregierung international anerkannt; noch wurde eine dringend benötigte nachhaltige Aufbauhilfe geleistet, sondern Jahr für Jahr Nothilfeprogramme durchgeführt, die an den Symptomen lediglich herumdokterten und hauptsächlich den Sinn hatten, den unhaltbaren Zustand zu zementieren. Ein notdürftiges Überlebensprogramm sollte die ungelöste 'Kurdenfrage' regional eingrenzen und die Menschen daran hindern, in Massen das Land zu verlassen.
Unfähig, weitere Schritte zum Sturz Saddam Husseins zu unternehmen, und nicht willens, die kurdische Autonomieregion durch verbindliche Anerkennung überhaupt erst lebensfähig werden zu lassen, hatte der Westen ein grundlegendes politisches Problem zu einem rein humanitären erklärt. - Dieses Programm ist gescheitert.
Innerstaatliche 'Fluchtmöglichkeit' Nordirak?
Lager Atrush für türkisch-kurdische Flüchtlinge Nicht nur haben die militärischen Überfälle der Nachbarländer -und 1996 dann auch der Einmarsch irakischer Truppen- die Lage im Nordirak völlig destabilisiert, sondern die Nicht-Anerkennung der kurdischen Autonomie-Regierung durch die internationale Gemeinschaft führte zusammen mit dem doppelten Embargo (zum einen vonseiten der UN und zum anderen vonseiten des Regimes in Bagdad) zu einem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch. Sieben Jahre Embargo, ein zerstörtes Land und eine Bevölkerung, die zum größten Teil aus Vertriebenen, Zwangsumgesiedelten und Flüchtlingen (teils innerirakisch, teils aus den Nachbarländern) besteht, haben die Ansätze zu einer kurdischen Selbstverwaltung scheitern lassen. Die gewählte kurdische Autonomieregierung kann weder die Sicherheit noch die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger garantieren und hat mittlerweile jegliche Autorität und Handlungsfähigkeit verloren. Stattdessen ist ein Regime von Kriegsfürsten entstanden: Seit 1994 führen beiden größten kurdischen Parteien, die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) unter Führung von Barzani und die Patriotische Union Kurdistans (PUK) unter Führung von Talabani, einen regelrechten Bandenkrieg um die verbliebenen Reste an Einkommensquellen und werden dabei zum Spielball ihrer jeweiligen Bündnispartner, nämlich des türkischen, des iranischen und auch des irakischen Regimes. - Detailliert hat amnesty international nachgewiesen, daß alle größeren Parteien in Irakisch-Kurdistan unzählige Menschenrechtsverletzungen begehen. Trügerische Hoffnung Europa
Seit fünfzig Jahren begleiten Unsicherheit und Rechtlosigkeit in immer größerem Ausmaß die kurdischen Menschen im Irak. Ob während der Dorfzerstörungsaktionen in den 70er Jahren oder während der sogenannten Anfal-Kampagne in den 80er Jahren: die Zerstörung der Lebensgrundlagen in Kurdistan, einhergehend mit völliger politischer Entrechtung der Bewohner, hatte immer wieder nur ein Resultat, nämlich vertriebene und umgesiedelte Menschen. Wenige schafften damals die Flucht nach Europa, die meisten mußten in der Region bleiben und leben dort unter unbeschreiblichen Bedingungen Die Kurden, die heute unter enormen Strapazen auf lebensgefährlichen Wegen nach Europa fliehen, ziehen nur die Konsequenz aus einer Situation, die -unter der ständigen Bedrohung einer erneuten Invasion des Irak- keinerlei Lebensperspektive für sie bietet. Während jedoch Europa seine Grenzen schließt und Druck auf die Türkei ausübt, irakische Kurden an der Flucht nach Europa zu hindern, verebben selbst die letzten Hilfsgelder für den Nordirak. Die meisten Hilfsorganisationen, die das Leben in der Region eben noch so ermöglicht haben, ziehen ab und zeigen so der Bevölkerung eindringlich, daß der Westen den Nordirak aufgegeben hat. - Die Massenflucht in den Westen, der seine 1991 halbherzig gegebenen Schutzversprechungen nie wirklich einzuhalten beabsichtigte, ist lediglich das Ergebnis dieser völlig verfehlten Politik. "Die Lage im Nordirak stellt kein Abschiebehindernis mehr dar"
Statt dies einzugestehen und den Kurden hier einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewähren, beabsichtigt die Bundesregierung nicht nur die Abschottung ihrer Grenzen, sondern auch irakisch-kurdische Flüchtlinge, die schon eine Aufenthaltsduldung erhalten haben, 'abschiebefähig' zu machen. Im Herbst vorigen Jahres - zu einer Zeit, als die türkische Armee erneut in den Nordirak einfiel, Splitterbomben und Napalm gegen Zivilisten einsetzte und die irakische Arnee eine neue Invasion androhte- erhielten viele irakische Kurden in Deutschland vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ein Schreiben mit dem Wortlaut:
"Bezüglich ihrer Anerkennung als Asylberechtigter in der Bundesrepublik wurde aufgrund der zwischenzeitlich geänderten Situation in Ihrem Heimatland gemäß § 73 Asylverfahrensgesetz ein Widerrufverfahren eingeleitet. Es ist beabsichtigt, Ihre Anerkennung zu widerrufen und festzustellen ..., daß keine Abschiebehindernisse nach § 53 Ausländergesetz vorliegen." Hintergrund dieses Vorgehens ist, daß irakische Kurden inzwischen eine der größten Flüchtlingsgruppen in Deutschland darstellen (1997 etwa 12 000 Personen) und sie zumeist nicht als politische Flüchtlinge nach Grundgesetz Art. 16 A anerkannt sind, sondern nur über eine Aufenthaltsduldung verfügen, die unproblematisch widerrufen werden kann. Abschiebefähig gemacht werden die irakischen Flüchtlinge nun mithilfe neuer Lagebeurteilungen durch das Auswärtige Amt in Bonn. Darin (Dez.97) wird -wider besseres Wissen- behauptet: "....Innerhalb des Gesamtirak kann aus hiesiger Sicht der kurdisch besiedelte Nordirak bedingt als eine innerstaatliche Fluchtmöglichkeit für Kurden angesehen werden. .... Solange Bagdad seine Hoheitsgewalt noch nicht wieder auf die Kurdenregionen ausgeweitet hat, genießen Flüchtlinge und Einheimische weitgehend Schutz vor dem Zugriff der Bagdader Sicherheitsdienste. ... Einzelbeispiele für Übergriffe irakischer Dienste auf Kurden im Nordirak erscheinen eher dürftig." Einer massenhaften Abschiebung steht also nichts mehr im Wege, außer: "Eine direkte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Irak ist aufgrund der unterbrochenen Flugverbindung erschwert. Durchschiebungen über Jordanien als Transitland werden von den dortigen Behörden nicht geduldet. Abschiebungen über die Türkei sind derzeit nicht durchführbar, da die Türkei nicht bereit ist, an solchen mitzuwirken." Außerdem hat das Auswärtige Amt 'Erkenntnisse' darüber, daß irakische Asylantragsteller die weithin bekannte überdurchschnittlich schlechte Menschenrechtslage im Irak dazu nutzten, staatliche Verfolgung geltend zu machen, obwohl sie eigentlich Wirtschaftsflüchtlinge seien. Darüberhinaus empfiehlt das Auswärtige Amt bei Anträgen auf Familienzusammenführung auf "freiwilliger Basis" Speicheltests als Nachweis für Verwandtschaft und Röntgenaufnahmen der Hand für die Beurteilung des Alters von Kindern durchführen zu lassen, um der "Unzuverlässigkeit von im Nordirak ausgestellten Personaldokumenten" entgegenzuwirken.
Verhandlungen mit dem Clan-Chef des Grenzgebiets
Nachdem mit Menschen aus der Türkei und Algerien quasi schon ein Testlauf absolviert wurde, daß sich gegen Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete kein massiver Widerstand erhebt, bastelt die Bundesregierung nun eifrig an der Abschieberoute über die Türkei als Transitland; denn ein letzter Abschiebestopp für die Abschiebung irakischer Kurden über die Linie Bagdad ist noch in Kraft. Diesen gilt es nun zu unterlaufen.
In aller Heimlichkeit -und Peinlichkeit- verhandelte das Auswärtige Amt (unter Teilnahme des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge!) im Oktober vergangenen Jahres mit Vertretern der KPD Barzanis über die Aufnahme abgelehnter kurdischer Asylbewerber. Es ist kaum wahrscheinlich, daß dieser seine Zusage ohne Gegenleistung gab!
Natürlich bietet Barzani, der im Kampf gegen seine kurdischen Konkurrenten weder vor einem Bündnis mit dem Regime in Ankara noch vor einem Bündnis selbst mit Saddam Hussein zurückscheut, keinerlei Gewähr für den Schutz der abgeschobenen Flüchtlinge. Morde und Attentate seitens der irakischen Geheimdienste an Oppositionellen im Nordirak sprechen eine deutliche Sprache. Auch verfügt dieser Clan-Chef über keinerlei demokratische oder völkerrechtliche Legitimation; er hat aber -in der pragmatischen Sichtweise der Bundesregierung- den Vorzug, mit seinen Milizen denjenigen Teil der türkisch-irakischen Grenze zu kontrollieren, der für die Abschiebungen infrage kommt. Jetzt steht zur Ermöglichung von Massenabschiebungen nur noch ein Transitabkommen mit der Türkei aus. Allzulange wird es damit nicht dauern. Nachdem ein paar hundert Kurden aus der Türkei nach Italien flüchten konnten, wurde der Druck auf die türkische Regierung so stark, daß sie in Istanbul, Ankara und Adana großangelegte Razzien auf Iraker durchgeführt und diese zurückgeschoben hat.
Mit den Giftgaslieferungen an den Irak steht die Bundesregierung gegenüber den irakischen Kurden tief in der Schuld. Ihre mindeste Verpflichtung ist es, allen irakisch-kurdischen Flüchtlingen einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewähren und die gegenwärtigen Vorbereitungen für Abschiebungen sofort einzustellen.
demos gegen den befreier der kurden? linke logik, die ein normaler mitteleuropäer nie verstehen wird.
###################### gruß proxi
dafür
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