07.07.2005 08:00 Blase im Anmarsch? von Detlev Landmesser Das günstige Börsenklima macht sich für die Neulinge net mobile und ifa systems bezahlt. Beide konnten ihre Zeichnungsfrist wegen exorbitant hoher Nachfrage vorzeitig beenden. Ein Zeichen für eine neue Überhitzung? Das klingt nach Boom: Die Aktien von ifa systems waren 14-fach überzeichnet und werden am oberen Rand der Zeichnungsspanne von 30,50 Euro zugeteilt. Am Montag geht der Softwareanbieter an den Frankfurter Freiverkehr. Auch die zwei Millionen Aktien von net mobile, die tags darauf in den Handel gehen, waren zum Preis von 8,50 Euro "vielfach" überzeichnet.
Sind die Leute schon wieder bereit, alles zu kaufen, nur weil es Gewinnchancen bietet? Handeln wieder alle irrational, kurz: ist die nächste Blase bereits da? IPO-Markt noch recht müde Das wäre ein voreiliger Schluss. So sind die jüngsten Neuemissionen ausgesprochene Leichtgewichte: Die Emission von net mobile bringt 17 Millionen Euro auf die Waage, die von ifa systems gar nur 4,9 Millionen Euro. Das ist an der Börse verschwindend wenig. Der wohl größte Börsenneuling des Jahres, der Pay-TV-Sender Premiere, brachte im März 1,18 Milliarden Euro aufs Parkett.
Und richtig überzeugend ist die IPO-Bilanz dieses Jahres noch nicht. Im ersten Halbjahr gingen fünf "echte" Börsengänge und sechs Listings über die Bühne, die meisten davon kleine Fische. Im zweiten Halbjahr könnte es noch etwa zehn Neuemissionen und noch einmal so viele Listings geben. Noch kein Vergleich zu den Zeiten, als keine Woche ohne Börsendebüt verging. 1999 war der Gipfel mit 168 Börsengängen erreicht. 2003 hatte es dann zum ersten Mal seit 1968 keinen einzigen deutschen Börsengang gegeben (vgl. Grafik).
Kurzfristig heiß gelaufen? Mittlerweile mehren sich dennoch die Zeichen, dass der Aktienmarkt zumindest kurzfristig heiß gelaufen sein könnte. Auch bei weniger börseninteressierten Anlegern hat sich herumgesprochen, dass der Dax seinen Wert seit seinem Tief im Frühjahr 2003 bei 2.202 Punkten mehr als verdoppelt hat. Kein schlechter Schnitt, vergleicht man das mit den mehr als dürftigen Zinsen von Sparbuch, Festgeld & Co. Die jüngsten Stimmungsumfragen bestätigen ein zunehmend verbessertes "Sentiment" der Anleger, das sich nicht zuletzt aus der vagen Erwartung speist, dass nach Neuwahlen im Herbst alles besser werde.
Auch die Leser von boerse.ARD.de sind guter Dinge, folgt man unserer zugegebenermaßen gänzlich unrepräsentativen "Frage des Tages" vom Montag: Immerhin 73 Prozent der 450 Teilnehmer gaben an, dass sie den Dax bis zum Jahresende in Richtung 5.000 Punkte oder gar darüber laufen sehen.
Das soll nicht heißen, dass es am Ende nicht auch dazu kommt. Eines der gewichtigsten Argumente für weiter steigende Kurse ist die derzeit nach Anlage suchende Liquidität. Die historisch niedrigen Zinsen sorgen seit Monaten für einen regelrechten Anlagenotstand: Viele Anleger, wenn nicht die allermeisten, wissen derzeit nicht recht wohin mit dem Geld.
Dass aber noch immer viele Investoren den Weg an den Rentenmarkt suchen und die Renditen weiter nach unten treiben, kann wiederum auch als Warnzeichen gedeutet werden. Eine solche Entwicklung könnte signalisieren, dass es um die Konjunktur und damit die Gewinnentwicklung der Unternehmen doch schlechter bestellt ist, als es am Aktienmarkt erwartet wird.
Börse macht wieder Sinn Festzuhalten bleibt, dass die Börse ihre ureigene Funktion zunehmend wieder gewinnt, nämlich als Finanzierungsinstrument für Unternehmen zu dienen. Das ist wichtig ? nicht nur, um das schöne Spiel mit den Kursen zu rechtfertigen, sondern vor allem für die Wirtschaft, der sich endlich wieder ein lange verstopfter Finanzierungskanal erschließt. Schließlich ist die Börse für viele junge Firmen die einzige Möglichkeit, Wachstum zu finanzieren und Ideen umzusetzen ? erst recht, seit die unter dem Stichwort "Basel II" bekannten Eigenkapitalrichtlinien die Kreditpolitik der Banken noch restriktiver gemacht haben.
"Käufermarkt" passé? Für die Anleger könnte sich dagegen die schöne Zeit des "Käufermarkts" bei Neuemissionen dem Ende zuneigen: Dass Fondsgesellschaften öffentlich über die Zeichnungsspannen nörgeln und wie bei Google oder der Postbank günstigere Preise herausholen, bleibt wohl eine börsenhistorische Episode.
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