am März-Tief angelangt. Die B-Aktie fiel damals bis ca. 10 Euro, am Freitag notierte sie um 10,80.
Fundamental steht dahinter u. a. die Erwartung einer zweiten Covid-Welle im Winter und neuer Lockdowns (wie jetzt z. B. in Israel). Die Reisewarnungen für Länder wie GB, Spanien, Frankreich drücken ebenfalls auf den Kurs.
Es gibt aber einen grundlegenden Unterschied. Im März stand die Erwartung im Raum, dass die Russen und Saudis den Ölmarkt gnadenlos fluten, um die US-Fracker in den Bankrott zu treiben. Das ist dann auch geschehen, und US-Öl fiel bis auf minus (!) 39 Dollar.
Ich rechne jedoch nicht damit, dass Öl noch einmal so stark fällt, auch wenn drohende Lockdowns wg. der zweiten Covid-Welle dies jetzt "suggerieren". Eben weil die Russen/Saudis/Opec+ nicht noch einmal den Markt mit Riesenmengen Öl fluten werden. Deren Ziel, die Ami-Fracker in die Pleite zu treiben, ist bereits größtenteils erreicht. Die Zahl der Bohrstellen in USA fiel um ca. 80 %.
Auch der Fakt, dass WTI-Öl jetzt wieder teils über 40 Dollar notiert (das ist in etwa der Breakeven-Preis für US-Fracking), wird mittelfristig keine Wiederbelebung des US-Fracking zur Folge haben. Potentielle Geldgeber nach den vielen Pleiten, die oft zu Totalverlusten führten, vorsichtig. Die Schmerzen wirken noch nah.
Das war ja auch die strategische Absicht von Opec+. Da diese Staaten hauptsächlich von Öleinnahmen leben, haben sie per se kein Interesse an dauerhaft niedrigen Öl-Preisen. Sie sind im März sozusagen ein temporäres Opfer eingegangen, um die Fracker fertig zu machen. Das Ziel war, damit die Überproduktion von Öl - vor allem durch die US-Fracker -, die zu Überangebot und niedrigen Preisen führte, zu stoppen dadurch bei Angebot/Nachfrage mittelfristig ein höheres Preisniveau zu etablieren. Da die Fracker größtenteils pleite sind, wurde das Ziel erreicht. Das Ergebnis sind die aktuell höheren Öl-Preise (um 40 Dollar statt um 20 Dollar im März), die auch in dieser Höhe relativ stabil zu bleiben scheinen (siehe Brent-Chart unten).
In der Wahrnehmung vieler Anleger wird der starke Ölpreisverfall im März vor allem mit der ersten Covid19-Welle und den Lockdowns in Zusammenhang gebracht. Tatsächlich war aber auch die strategische Überproduktion von Opec+ ein entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Auslöser für den Preisverfall. Und da sich dies nicht wiederholen dürfte (Ziel ist bereits erreicht), droht mMn kein neuerlicher Ölpreisverfall wie im März.
Shell hat an den Ölpreis-Tiefs im März übrigens verdient, weil die Firma stark im Öl-Trading aktiv ist. Dazu wurde Öl am Spotmarkt für lau gekauft (teils "geschenkt") und gleichzeitig über Future-Verträge viel teurer "forward" (d.h. zur Lieferung im Mai, Juni, Juli....) verkauft - zu Preisen um 40 Dollar. Das ist eine narrensichere Goldgrube. Voraussetzung dafür sind allerdings freie Zwischenlager-Kapazitäten, weil der Kauf von Spot-Öl zur baldigen physischen Abnahme verpflichtet. Shell hatte in der Zeit u. a. Tanker als schwimmende Zwischenlager gemietet. Viele andere große Ölfirmen betreiben kein Trading. Diese waren vom Ölabsacker im März stärker betroffen.
Shells starke Verluste von 18 Mrd. Dollar im letzten Quartal sind ein weiterer Grund für die grassierende Anlegerpanik. Die Verluste gehen jedoch zu 90 % auf Wertberichtigungen von Assets (Ölfeldern) zurück. Dennoch "entstand" dadurch ein negatives KGV, das viele Analystendeppen zum Anlass nahmen, wegen "Überbewertung" (oder gar Pleitegefahr) ein Sell auszusprechen.
Eine bessere Empfehlung wäre freilich "Shell" gewesen ;-)
Frustriert von der Aktie waren auch viele Baby-Boomer und Pensionsfonds, die Shell teils jahrzehntelang als Dividenden-Kuh im Depot hatten. Shell hatte die Dividenden 75 Jahre lang nicht gesenkt. Als sie nun im April um 2/3 gekürzt wurde, haben viele Dividenden-Anleger die Aktie verkauft. Etliche von ihnen sind dann auf Exxon, BP, Total oder Chevron umgestieggen, um weiterhin hohe Div. zu erhalten. Das ist freilich eine Milchmädchenrechnung, weil die fundamentalen Faktoren (niedrige Ölpreise, gesunkene Umsätze) die anderen Ölfirmen genau so treffen. Exxon z. B. konnte die nach wie vor hohe Dividende nur durch Kreditaufnahmen finanzieren. Dass das nicht nachhaltig sein kann, liegt auf der hand. D.h. auch bei den anderen Ölfirmen könnten über kurz oder lang Div-Kürzungen ähnlicher Größenordnung anstehen - gepaart mit ebenfalls kräftigen Kursabsackern.
All dies führt seit dem Kurshoch im Frühsommer seit Monaten zu wieder fallenden Kursen, wobei die Baisse die Baisse nährte - und der Frust den Frust. Da Brent aber in den letzten Wochen relativ stabil über 40 Dollar notierte, dürfte die nächsten Zahlen von Shell wieder deutlich besser ausfallen. Hier lohnt sich mMn zu kaufen, "wenn die Kanonen donnern". Shelle Div-Rendite liegt wegen des gesunkenen Kurses aktuell wieder bei 5 %, und bei Shell ist die Div-Senkung bereits vollzogen, so dass kein weiterer Kursabsacker durch Kürzungen droht - wohl aber bei Exxon und Co.
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