Copyright 2005 Biotech am neuen Markt Böse Zungen behaupten, Aktien werden verkauft wie Autos ? vor allem am Neuen Markt. Das Geschäftsfeld der Firma muss im Trend liegen ebenso wie Größe und Design eines neuen Gefährts, denn sonst sieht niemand hin. Die Technologie muss begeistern und gute Zukunftschancen bieten. Sowohl Auto als auch Aktiengesellschaft müssen stabil sein, denn Reparaturen kosten Geld und Unternehmen mit unerfahrenem Management und dünner Kapitaldecke müssen ständig nachbessern ? beides ist dem Wertzuwachs abträglich. Bei exotischen Modellen schließlich, für die es kaum Werkstätten bzw. Ansprechpartner gibt, fährt die Furcht vor einem plötzlichen und unerklärlichen Zusammenbruch ständig mit.
Der Trendfaktor Nachdem das Internet im vergangenen Jahr als Thema für Verkaufsschlager am Neuen Markt ausgedient hatte, versprach die ?Biotechnologie? den zweiten großen Boom für die Börse zu bringen. Biotech war in aller Munde und versprach noch viel bessere Ertragsaussichten als E-Commerce. Schon lange ist bekannt, dass die pharmazeutische Industrie bereits alle konventionellen Wirkstoffe für Arzneimittel verwendet. Neue Produkte für die Vielzahl neu entdeckter oder nicht ausreichend behandelbarer Krankheiten (Krebs ist hier das beste Stichwort) suchen Fachleute nicht mehr im Bereich der Chemie, sondern bei der Gen- und Biotechnologie. Dabei stehen die Big Pharmas unter erheblichem Erfolgsdruck, denn die Patente für die etablierten Medikamente und Verfahren laufen aus; neue Produkte müssen her. Kleine Firmen mit erfolgversprechenden Ideen bekommen so die Chance, für die ganz Großen der Branche unentbehrlich zu werden. Es sind aber nicht nur körperliche Gebrechen, mit denen sich viel Geld verdienen lässt. Haarwuchs an Beinen und anderen Stellen tut zwar nicht weh (körperlich jedenfalls), aber Millionen von Menschen geben jährlich Milliarden von Dollar für Enthaarungsmittel aus. Wer auch immer den Frauen dieser Welt versprechen kann, sie von dieser nachwachsenden Last zu befreien, kann eine Menge Geld verdienen. Mit diesem Rückenwind der Anlegersympathie gab es dann auch einige erfolgreiche IPOs. Einer davon war die Biolitec AG aus Jena, die Mitte November 2000 gerade noch rechtzeitig vor dem endgültig und nachhaltig einsetzenden Einbruch an den Kapitalmärkten platziert wurde.
Der Technologiefaktor Streng genommen bedeutet Biotechnologie den Einsatz lebender Organismen oder ihrer Bestandteile für pharmazeutische Produkte. Weniger streng genommen ? und das war bei Biolitec der Fall ? konnte man darunter aber auch jede medizinische Forschung auf zellulärer oder molekularer Ebene verstehen. Denn bei der Photodynamischen Therapie, die der Laserhersteller Biolitec als neues Geschäftsfeld für sich entdeckt hatte, wirken nicht lebende Organismen oder ihre Bestandteile, sondern chemische Verbindungen, die durch Laserlicht aktiviert werden. Auf diese Weise werden unerwünschte Zellen (Tumor-, Haar-, Schleimhautzellen oder auch Bakterien) zerstört. Der Wirkmechanismus ist einfach zu erklären und ebenso einfach zu begreifen. Mit einem Trickfilm bzw. einer Grafik erläutert, die dem Zuschauer oder Leser keine intimen Kenntnisse der Biochemie abfordert, wurde das Thema gern von den Medien aufgegriffen. Die Tatsache, dass sich die Methode zur Permanententhaarung wie zur Krebsbehandlung eignet, ist ein leicht zu kommunizierender und sehr ansprechender USP.
Der Stabilitätsfaktor Die Diodenlaser und das Gerätezubehör, mit dem Biolitec bis dahin Geld verdient hatten, sind nur wenig geeignet, Faszination und Interesse bei Anlegern zu wecken. Als Cash-Cow aber, deren Erträge eine stabiles wirtschaftliches Polster für den neuen Geschäftsbereich Photodynamische Therapie darstellen, sind die medizintechnischen Geräte hervorragend geeignet. Hier kam kein Geld verbrennendes Start-up an die Börse, sondern ein etabliertes Unternehmen, das sein bisheriges Wachstum allein aus dem eigenen Cash-Flow bezahlt hatte. Der Beweis für die Kompetenz des Managements war erbracht.
Der Standortfaktor Ein weiterer Erfolgsfaktor für diesen Börsengang war der Sitz des Unternehmens. Jena als aufstrebende Biotechnologie-Region ließ aufmerken. Einige Vermögensberater lokaler Banken, so war zu hören, empfahlen die Biolitec-Aktie schon deshalb ihren Kunden, weil es sich um ein Unternehmen aus der Gegend handelte. Lokalpatriotismus und die Möglichkeit, sich praktisch zum Ortstarif über ?den Stand der Aktien? informieren zu können, war offenbar für viele Kleinanleger ein schlagendes Argument.
Ausblick Die Quartalsberichte, die Biolitec nach dem Börsengang veröffentlichte, waren dank guter Geschäfte mit den medizinischen Lasergeräten besser als prognostiziert. Auch wenn gute Nachrichten bei Werten mit geringer Marktkapitalisierung wie Biolitec in der allgemeinen Flaute kaum Beachtung finden, so haben Anleger doch allen Grund, an der Faustregel für Anlagen im Biotech-Bereich festzuhalten: Biotechnologie ist ein langfristiges Investment.
Der Autor: Michael Tschugg ist Partner und Geschäftsführer bei ECC Kohtes Klewes Frankfurt.
Literatur: Holger Bengs, Mit Biotechnologie zum Börsenerfolg. Investieren in die Zukunftsbranche, München: FinanzBuch Verlag, 2000, ISBN: 393211437X.
|