"Natürlich läßt sich im Handel Geld verdienen" Metro-Chef Hans-Joachim Körber über Mißmanagement und die Vorzüge des deutschen Standorts | | Metro-Chef Hans-Joachim Körber Foto: AP | |
Deutsche Einzelhandelsfirmen stecken in der Krise. Bei Karstadt-Quelle, Spar und Schlecker stehen Massenentlassungen bevor. Metro-Chef Hans-Joachim Körber, 58, hält das Konzept des Warenhauses für zukunftsträchtig
Welt am Sonntag: Herr Körber, Ihnen müßte es in diesen Tagen eigentlich gut gehen. Ihrem Konkurrenten im Warenhausbereich, Karstadt-Quelle, droht angeblich sogar die Insolvenz. Gut für den Kaufhof?
Hans-Joachim Körber: Das ist mir zu kurz gedacht. Wir freuen uns nicht über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Konkurrenten. Ich möchte mich auch nicht im Detail zu Karstadt äußern. Wir leben von der Attraktivität der Innenstädte und von einem vielfältigen Einkaufsangebot.
Die Metro hat 1998 bereits hundert ihrer Warenhäuser in eine Auffanggesellschaft verschoben. Ähnliches plant Karstadt-Quelle mit 77 Standorten.
Körber: Bei uns handelte es sich nicht um eine Auffanggesellschaft, sondern um die Konzentration auf das Kerngeschäft. Wir haben uns damals unter anderem von den kleinflächigen Häusern getrennt, weil die Erfahrung zeigte, daß man auf 2000 Quadratmetern kein Warenhaus betreiben kann. Es fehlt dann an Platz und Kompetenz, ein Sortiment darzustellen.
Ist es im Falle Karstadt-Quelle denn noch rechtzeitig genug?
Körber: Das will ich nicht beurteilen. Aber grundsätzlich ist Sanierung ein verdammt schwieriger Job. Vor allem in rückläufigen Märkten.
Sind Warenhäuser überhaupt noch zeitgemäß?
Körber: Diese allgemeine Diskussion halte ich für falsch.
Was ist daran falsch? Auch der Kaufhof ist ein Problemfall innerhalb der Metro.
Körber: Ein gut gemachtes Warenhaus wird auch in Zukunft fester Bestandteil und entscheidender Kundenmagnet in den Innenstädten sein. Das Warenhaus ist mehr als eine Konsumstätte: Es ist ein unverzichtbarer Teil der innerstädtischen Kultur, ein Kommunikations- und Erlebniszentrum. Natürlich müssen auch Warenhäuser ihre Konzepte weiterentwickeln, um ihre hohe Attraktivität zu bewahren und dauerhaft die Kunden zu binden. Mit unserem Galeria-Konzept sind wir auf dem richtigen Weg.
Aber Geld verdienen Sie dort nicht. Ihrem Konzern geht es nur prächtig, weil die profitabelsten Geschäfte im Ausland getätigt werden?
Körber: Das ist falsch. Im Geschäftsjahr 2003 hat Kaufhof einen Vorsteuergewinn von 94 Millionen Euro erzielt. Die Metro Group insgesamt hat im vergangenen Jahr ihr Ergebnis in Deutschland um zehn Prozent gesteigert. Insofern ist der Eindruck, man könne in Deutschland im Handel kein Geld mehr verdienen, Unsinn. Außerdem sind gerade deutsche Handelskonzepte auch international sehr erfolgreich. Dafür gibt es eine Vielzahl von Beispielen. Cash & Carry, die Discounter, Elektronikfachmärkte. Oftmals sind die Deutschen im Ausland sogar marktführend.
Sie sagen es: im Ausland.
Körber: Auch hier bei uns gibt es viele Erfolgsbeispiele. Ich will hier nicht nur auf Vertriebslinien von uns verweisen. Wie zum Beispiel Media-Markt und Saturn. Auch die Discounter, Ikea, Modeketten wie H&M oder Zara erleben die besten Jahre in ihrer Unternehmensgeschichte in Deutschland. Die Realität ist viel differenzierter als das durch Jammern getönte Bild. Dann reden wir aktuell von Managementversagen?
Körber: Wir reden von der deutschen Eigenschaft, das Glas eher halb leer als halb voll zu sehen.
Dem deutschen Standort geht es demnach gar nicht so schlecht?
Körber: Ich halte nichts davon, den Standort Deutschland ständig schlechtzureden. Es gibt Probleme, und die sollten endlich angepackt werden.
Können Sie die Drohungen deutscher Unternehmen, ins Ausland zu gehen, nachvollziehen?
Körber: Von Drohungen halte ich grundsätzlich gar nichts. Ich kann allerdings Unternehmen verstehen, die aus Kostengründen überlegen, Kapazitäten ins Ausland zu verlagern. Aber solche Ankündigungen sollte man nur machen, wenn man sie auch realisieren will. Sonst verliert man an Glaubwürdigkeit.
Was passiert, wenn Unternehmen ihre Sitze verlagern?
Körber: Die Firmen verlieren viele Mitarbeiter. Und die neu zu rekrutieren und funktionierende Strukturen aufzubauen ist schwierig und kostet viel Zeit und Geld. Insofern sehe ich die Diskussion über die Verlagerung von Firmensitzen oft als den Versuch, den Blick für die Problematik an sich zu schärfen.
Verhindern die Gewerkschaften die Reformen?
Körber: Ich würde das Problem von einer anderen Seite angehen. Im Grunde müßte es eine Initiative zur Reduzierung des Staatseinflusses in diesem Land geben. Wir müssen wieder dahin kommen, daß der Einzelne mehr Eigenverantwortung übernimmt.
Dazu befragen Sie mal die Hartz-IV-Demonstranten.
Körber: Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Wir brauchen ein starkes soziales Netz. Aber einen Sozialstaat muß man sich leisten können. Ich gehe davon aus, daß am Ende die ökonomische Not zu mehr Einzelverantwortung führen wird.
Not im Sinne von Not?
Körber: Not im Sinne von nicht ausreichenden finanziellen Ressourcen. Auf der einen Seite müssen und wollen wir den Sozialstaat erhalten. Auf der anderen Seite verlieren wir immer mehr Arbeitsplätze in Deutschland, weil die Kosten zur Erhaltung von Arbeitsplätzen immer höher steigen. Irgendwann wird dieses System kollabieren. Das wissen alle Beteiligten, und ich habe den Eindruck, daß die positiven Signale zunehmen. Die Menschen fangen an, sich der Realität zu stellen.
Vertrauen Sie denn den Reformen der Bundesregierung?
Körber: Die Richtung der Reformen stimmt, nur die Zeitachse nicht. Natürlich ist es schmerzhaft, von einem System Abschied zu nehmen, das 50 Jahre Wohlstand und soziale Sicherheit produziert hat. Aber die Wahrheit ist: Es gibt kein Naturgesetz, das besagt, weil ich reich bin, bleibe ich reich.
Wieviel Arbeitsplätze hat die Metro zuletzt geschaffen?
Körber: Wir haben im vergangenen Jahr über 6700 neue Mitarbeiter eingestellt, und zwar vorwiegend im Ausland.
Und wie viele davon in Deutschland?
Körber: Auch in Deutschland haben Vertriebslinien wie Media-Markt und Saturn neue Arbeitsplätze geschaffen. Per Saldo blieb unser Personalbestand im Inland fast auf Vorjahresniveau. Aber lassen Sie mich noch einmal eines feststellen: Es mangelt in Deutschland nicht an Arbeit.
Und wieso finden dann über vier Millionen Menschen hierzulande keine Arbeit?
Körber: Da gibt es Zahlen, die man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen muß. Der gesamte deutsche Einzelhandel hat im vergangenen Jahr 370 Milliarden Euro umgesetzt. Die Schattenwirtschaft kommt auf fast genauso viel: 360 Milliarden Euro. Diese Zahl wird übrigens von niemandem bestritten. Sie zeigt, daß Arbeit da ist. Aber eben nicht zu den Preisen, die heute kalkuliert werden. Auf diese Weise haben wir die absurde Situation, daß sich parallel zum offiziellen Arbeitsmarkt eine weitere Beschäftigungsebene und damit ein zweites Preislevel entwickelt hat. Ich vergleiche diese Situation mit dem Wasser, das sich auch überall seinen Weg sucht. Unaufhaltsam.
Was muß passieren, damit die Flut aufgehalten wird? Oder anders gefragt: Brauchen wir mehr Überwachung. Oder andere Gesetze?
Körber: Wir müssen begreifen, daß uns nicht mehr viel Zeit bleibt. Dieses Bewußtsein muß in die Köpfe der Menschen. Nur dann verändert sich etwas.
Das Gespräch führte Martina Goy
Artikel erschienen am 17. Oktober 2004
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