Cloud-Computing: Apple plant Speicherbank für Musik
Apple pumpt Milliarden in Rechenzentren. Es gilt als ausgemacht, dass der Konzern seinen Musikdienst iTunes in eine Online-Mediathek überführt. Zugleich setzt er zur Aufholjagd in einem Zukunftsmarkt an.
Seit einem halben Jahr baut Apple in Maiden für rund 1 Mrd. $ ein neues Rechenzentrum. In dem Kaff im US-Bundesstaat North Carolina entsteht damit eine der größten Datenfabriken der Welt. Zuständig dafür ist Olivier Sanche, ein Experte, den der US-Technologiekonzern fast pünktlich zum Spatenstich kurzerhand von Ebay abgeworben hat. Passend dazu übernimmt Apple im Dezember schließlich den Streamingdienst Lala, bei dem Nutzer ihre Musik online speichern können.
Für Michael Robertson, der vor 13 Jahren mit MP3.com einen der ersten Online-Musikdienste gründete, sind das klare Zeichen. "Alles deutet darauf hin, dass iTunes-Nutzer ihre Sammlung künftig in der Cloud speichern und via Browser auf Apple-Geräten abspielen können, egal, wo sie sind", resümiert er.
IT-Nutzer verlagern Anwendungen und Daten vom eigenen Rechner auf Serverfarmen von Dienstleistern. Das spart Rechner- und Speicherkapazitäten und erleichtert den Zugriff auf Daten via mobile Endgeräte wie Smartphones. 27 Prozent Wachstum im Jahr prognostiziert Gartner beim sogenannten Cloud Computing. Auf 150 Mrd. $ schätzen die Marktforscher den Branchenumsatz im Jahr 2013. Als Vorreiter gelten Amazon und Salesforce.com. Auch Apples Erzrivalen investieren massiv: Für je 500 Mio. $ hat Microsoft bereits in Dublin und Chicago Datenzentren gebaut, in denen Zehntausende Server stehen können. Google betreibt mehr als ein Dutzend Serverfarmen. Cloud-Rechenzentren gelten als die größten der Welt. 47.000 Quadratmeter groß wird Apples neueste Datenfabrik. Viel Platz für digitale Musik - und mehr. "Wer ein Rechenzentrum mit so großen Kapazitäten baut, hat gigantische Cloud-Computing-Pläne", sagt der Gründer der Fachwebsite Data Center Knowledge, Rich Miller. Apple äußert sich nicht zu den Plänen für die Serverfarm, die Ende 2010 den Betrieb aufnehmen soll.
Bislang besteht Apples Cloud-Angebot aus dem Onlinedienst Mobile Me für Webmail, Kontakte, Kalender oder Fotos. Vor einem Jahr startete Apple iWork.com als Zusatz für die Bürosoftware iWork, die mit Microsoft Office konkurriert. Bislang können auf iWork.com Dokumente deponiert, aber nicht wie etwa bei Google Docs online bearbeitet werden. Es wird spekuliert, dass iWork auch für den Onlineeinsatz fit gemacht wird.
MP3-Pionier Robertson meint: "Apple-Chef Steve Jobs weiß, dass er in dem Bereich aktiver werden muss, weil die Welt sehr schnell vom PC auf Cloud-Programme und -Dienste umsteigt - und gerade seine Marktführerschaft bei digitaler Musik kann er nicht Amazon oder Google überlassen." Das Verschieben der Musik von der Festplatte in die Cloud und das Streaming auf Geräte jenseits des PC gilt als nächste große Welle bei digitaler Unterhaltung. Rund ein Viertel des Umsatzes aus Musikverkäufen kommt bereits aus dem Onlinegeschäft. Mit zwölf Millionen Liedern ist Apples iTunes Store der größte Onlineladen der Branche. Hinzu kommen immer mehr Videos, die hohe Speicherkapazität verlangen.
Zudem werden Dienste wie das Webradio Pandora populärer. Apple hat in der Richtung bislang wenig vorzuweisen. "Die große Schwäche von iTunes ist, dass man nur mit dem PC oder Mac wirklich seine Musik- oder Videosammlung live verwalten kann", so Shaw Wu, Analyst beim Investmenthaus Kaufman. Robertson ist überzeugt, dass Apple noch 2010 mit einer Cloud-Version von iTunes aufwarten wird. Er ist sich aber auch sicher, dass der Konzern keinen Abodienst starten wird: "Damit sind etliche Dienste wie Napster aufgrund der restriktiven Lizenzen der Labels mehr oder weniger gescheitert."
Von einem Onlineservice könnte auch das geplante iPad profitieren. Um den Tablet-Computer attraktiver zu machen, versucht Apple einem Bericht des Branchendienstes Cnet zufolge, Hollywoodstudios zu überzeugen, auch das Speichern von Videos auf Apples Servern zuzulassen. "Im Grunde genommen wollen sie die Festplatte abschaffen", zitierte Cnet eine mit den Vorgängen vertraute Person.
Quelle: FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND
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