Berlin (Reuters) - Trotz nochmals verbesserter Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft sind die Sorgen über die hohen Ölpreise, den zunehmenden Protektionismus und die weltwirtschaftliche Ungleichgewichte nicht geringer geworden.
"Die Prognosen sind eher nach oben gerichtet als nach unten", sagte Finanzstaatssekretär Thomas Mirow am Mittwoch in Berlin. Zum vierten Mal in Folge werde die Weltwirtschaft um über vier Prozent wachsen. Ein anderes deutsches Delegationsmitglied beim anstehenden Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der sieben führenden Industrieländer (G-7) sprach von knapp fünf Prozent in diesem Jahr. Dagegen stünden als Risiken der Ölpreis, Ungleichgewichte und Protektionismus, die zum Teil zugenommen hätten, sagte Mirow. Er verwies auch auf immensen Währungsreserven, gerade in einigen asiatischen Ländern. China verfüge inzwischen mit 850 Milliarden US-Dollar über die höchsten Währungsreserven der Welt. Deutschland sehe die die Stabilität der Finanzmärkte rund um den Globus etwas skeptischer als andere Länder, ergänzte ein deutsches Delegationsmitglied.
Die Diskussion über die aktuelle Lage der Weltwirtschaft ist traditionell ein zentrales Thema der Treffen von G-7 und IWF. Das Frühjahrestreffen beginnt nächste Woche in Washington.
EUROPÄER HINKEN WELTWIRTSCHAFTSWACHSTUM HINTERHER
Gemessen an der weltweiten Wachstumsrate hinken die Euro-Zone und namentlich Deutschland noch stark zurück. Von Kritik oder Rechtfertigungsdruck gegenüber anderen G-7-Ländern könne aber keine Rede sein, sagte Mirow. Vielmehr herrsche Erleichterung, dass die Wirtschaft auch in Europa endlich sichtbar nach oben tendiere. Die neuesten Wachstumsprognosen des IWF sollen in der kommenden Woche vorgestellt werden. Nach Berichten mehrerer Zeitungen wird darin für 2006 ein Wachstum der Weltwirtschaft von 4,8 Prozent vorausgesagt. Für Deutschland wurde in den Zeitungen ein Wachstum von 1,3 Prozent oder 1,4 Prozent genannt.
Zu den Risiken wird Mirow zufolge in einigen Industrieländern auch eine schnelle und synchrone Zinserhöhung in den drei wichtigsten Wirtschaftsräumen der Welt - USA, Japan und Europa - gezählt. "Das ist von dem einen oder anderen angesprochen worden als ein Thema, das man im Auge gehalten müsse." Es gebe dazu aber keine gemeinsame Meinungsbildung.
In deutschen Delegationskreisen hieß es ergänzend, Deutschland sehe zunehmende Risiken für das Welt-Finanzsystem. "Wir sind etwas vorsichtiger in der vielleicht zu positiven Beurteilung des Weltfinanzsystems" (durch den IWF), hieß es. Angesichts hoher Liquidität und niedriger Zinsen seien Risiken möglicherweise von den Märkten nicht richtig eingepreist. Die Wahrscheinlichkeit eines steigenden Kreditausfallrisikos nehme zu. Am Vortag hatte der IWF seinen Stabilitätsreport vorgelegt. Darin hieß es, unter dem Strich hätten die Finanzmärkte an Stärke gewonnen.
MIROW: EUROPÄER WOLLEN KEINEN DRUCK AUF CHINA AUFBAUEN
Ein Thema beim Treffen von IWF und G-7 könnte erneut die Mahnung an einige asiatische Länder und vor allem China werden, mehr Flexibilität bei ihren Währungen herzustellen. Es gebe dazu sehr intensive bilaterale und multilaterale Gespräche, sagte Mirow. In der Grundsatzposition gebe es wohl keine gravierenden Unterschiede, wohl aber in der Tonalität. "Da ist, glaube ich, die europäische Auffassung eher die, dass, wenn man zu viel Druck aufbaute, das in der Sache nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt."
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