NAHOST-EINSATZ
Bundesregierung verärgert über Libanon
Von Markus Bickel, Beirut
Missstimmung in Berlin, Unentschlossenheit in Beirut: Kanzlerin Merkel sei durch das Zögern der Libanesen in die "Bredouille" geraten, bemängeln Diplomaten. Am Abend wird im libanesischen Kabinett erneut debattiert, ob deutsche Marine erwünscht ist.
Beirut - Dreimal hatte Fuad Siniora am Wochenende mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert. Trotzdem ist noch immer keine Entscheidung gefallen, ob der Libanon deutsche Truppen vor seiner Küste patrouillieren lassen will. "Ich glaube, das Kabinett braucht noch ein wenig Zeit, um eine gute Entscheidung zu treffen", erfuhr SPIEGEL ONLINE von Sinioras Presseattaché Aref al-Abed. Bislang seien ihm "keine neuen Details zu dem Thema" bekannt, sagte Abed. Der Ministerrat brauche noch "Zeit für anstehende Diskussionen". Heute Abend werde über eine offizielle Anfrage an die Uno beraten, kündigte er an.
Foto: REUTERS Video: Reuters Die Bundesregierung sei "nicht erfreut" über das libanesische Verhalten, berichtet die Nachrichtenagentur ddp. Hinter dieser diplomatischen Formel verberge sich "ziemlicher Ärger" über das libanesische Kabinett, hieß es heute aus dem Bundeskanzleramt in Berlin. Durch das zögerliche Verhalten seien sowohl das libanesische Kabinett als auch Angela Merkel in die "Bredouille" geraten, erklärten Diplomaten übereinstimmend in Berlin und Beirut. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hob dagegen heute die konstruktive Rolle Sinioras hervor. Siniora habe in der gesamten Krise eine "sehr gute und konstruktive Rolle" gespielt, betonte Wilhelm. "Es ist auch das Interesse der internationalen Gemeinschaft, seine Rolle zu stärken."Die Bundesregierung bemüht sich nun, ein schnelles Ende der Hängepartie zu erreichen. Man rechne mit einer baldigen Anforderung, hieß es. Die Verzögerung der bereits zum Wochenende erwarteten Anforderung aus Beirut um "ein oder zwei Tage" sei kein Grund, den Einsatz infrage zu stellen, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), heute im Deutschlandfunk. UNO-TRUPPE IM LIBANON: ANKUNFT IM KRISENGEBIET Klicken Sie auf ein Bild, um die Fotostrecke zu starten (6 Bilder).
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Die heute in Berlin vorgesehene Sondersitzung des Kabinetts zur Entsendung der deutschen Soldaten war wegen der libanesischen Verzögerungen gestern abgesagt worden. Offenbar wollen die beiden in Sinioras Regierung vertretenen Minister der Hisbollah eine "Aushöhlung der libanesischen Souveränität" verhindern. Da die Bundeswehr für die Kontrolle der libanesischen Häfen und des Seeraums vor der Küste verantwortlich wäre, könnten Energie- und Wasserminister Mohammed Fneisch ebenso wie Landwirtschaftsminister Talal al-Sahili einen Kabinettsbeschluss weiter hinauszögern. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Politiker, in der libanesischen Regierung herrsche Uneinigkeit über die Befugnisse, die den Deutschen gewährt werden sollten. Umstritten sei, ob die Bundeswehr die Grenzen zu den internationalen Gewässern überwachen oder ob sie lediglich in einer Entfernung von fünf bis zu sieben Seemeilen von der libanesischen Küste eingesetzt werden sollte. Bislang hat sich der libanesische Ministerrat nur zur Bereitstellung deutscher Hilfe bei der Sicherung der Landesgrenzen ausgesprochen. Eine Sprecherin der Hisbollah wollte auf Anfrage keine Auskünfte über die Position der "Partei Gottes" in dem Truppenstreit machen. Der Chef der libanesischen Internen Sicherheitskräfte (ISF), Brigadegeneral Aschraf Rifi, der für die Kontrolle der Einreisestellen am Flughafen, an Seehäfen und den Landgrenzen zu Syrien verantwortlich ist, sieht keinen Zusammenhang zwischen dem Ausbleiben des Kabinettsbeschlusses und von Berlin zugesagter technischer Hilfe. "Die Zustimmung zu technischer und personeller Hilfe aus Deutschland, um die Grenzen zu Syrien sicherer zu machen, hat nichts mit dem anstehenden Beschluss über eine deutsche Unifil-Beteiligung zu tun", sagte er. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hatte gestern "die innerlibanesische Diskussion" als Grund für die bislang ausgebliebene Anfrage an die Bundesregierung genannt. Sinioras Sprecher sagte, ihm seien grundsätzliche Bedenken über eine Beteiligung der Bundeswehr an der Unifil-Truppe innerhalb der Regierung nicht bekannt. Deutschland genießt nicht zuletzt wegen der hohen Zahl libanesischer Migranten in der Bundesrepublik einen sehr guten Ruf. Auch die Vermittlungstätigkeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) beim Austausch israelischer und Hisbollah-Gefangener Anfang 2004 spricht gegen eine prinzipielle Ablehnung deutscher Truppen.Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums wäre mit einer Ankunft der ersten deutschen Marinesoldaten frühestens am 20. September zu rechnen. Dieses Datum wird sich angesichts der verschobenen Kabinettsentscheidung jedoch kaum noch halten können. Der ehemalige Oberkommandierende der libanesischen Armee und Anwärter auf den Präsidentenposten bei den Wahlen im kommenden Jahr, Michel Aoun, hat seit der Verabschiedung der Uno-Resolution 1701 immer wieder vor der Aufgabe staatlicher Souveränitätsrechte an die internationalen Truppen gewarnt. Seit seinem spektakulären Bündnis mit Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah im Februar steht der katholisch-maronitische Chef der Freien Patriotischen Bewegung fest an der Seite der schiitischen Parteimiliz. Vergangene Woche hatte Aoun sich gegen eine Entsendung von Blauhelmen an die syrisch-libanesische Grenze zur Unterbindung von Waffenlieferungen gewandt. "Wollen Sie noch unsere Toiletten kontrollieren und sehen, was wir dort machen?" Hinweise darauf, dass der mit Aoun und Nasrallah verbündete syrische Präsident Baschar al-Assad seine Parteigänger gegen Premierminister Siniora in Stellung bringt, gibt es bislang nicht. Nach der Verabschiedung von Resolution 1701 hatte Assad damit gedroht, bei einer Stationierung von Unifil-Truppe an der Grenze zu Syrien die Grenzübergänge in den Libanon zu schließen. In diplomatischen Kreisen in Damaskus wird jedoch bezweifelt, dass Assad seine libanesischen Gefolgsleute zum Widerstand gegen eine Stationierung deutscher Truppen aufgerufen habe. "Uns liegen keine Hinweise darauf vor, dass Syrien hier faul spielt", hieß es heute. mit Material von dpa, ddp http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,435088,00.html
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