20.08.2007 15:49 INTERVIEW/Salzgitter erwartet 2008 weiteres starkes Stahljahr
DJ INTERVIEW/Salzgitter (Nachrichten/Aktienkurs) erwartet 2008 weiteres starkes Stahljahr
Von Andreas Heitker
Dow Jones Newswires
DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die Salzgitter AG erwartet nach den Worten ihres Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Leese eine Fortsetzung der guten Stahlkonjunktur noch bis mindestens Mitte 2008. Beim Flachstahl gebe es derzeit zwar "ein paar kleinere Wölkchen am Himmel", sagte Leese in einem Interview mit Dow Jones Newswires. Dies hänge aber mit einer saisonalen Schwäche und der Urlaubszeit zusammen. 2007 werde sehr gut laufen, das stehe bereits fest, und für die erste Hälfte des kommenden Jahres gelte dies auf jeden Fall auch.
"Und selbst wenn der Markt im zweiten Halbjahr 2008 sehr viel schwächer wird, werden wir 2008 immer noch ein Stahljahr bekommen, das wir so bis 2004 nicht erlebt haben", prognostizierte Leese. Er kündigte für das anstehende vierte Quartal eine weitere Anhebung der Stahlpreise an. Beim jüngsten Preisanstieg Anfang Juli habe Salzgitter nicht ganz das durchgesetzt, was vorher angekündigt worden sei. "Der Markt ist aber offen für weitere Erhöhungen."
Salzgitter ist nach ThyssenKrupp der zweitgrößte deutsche Stahlhersteller. Wie stark die Preise genau ab Oktober steigen sollen, sagte Leese nicht. Er verwies aber darauf, dass der Markt auch bei Standardprodukten wie den Stahlträgern "bereit für jede Erhöhung" sei. Dies hänge mit der guten Baukonjunktur zusammen. Außerdem habe der Branchenführer Arcelor Mittal für einige Wochen Kapazitäten aus dem Markt nehmen müssen. Und die müssten nun wieder kompensiert werden.
Aber nicht nur das Stahlgeschäft läuft bei Salzgitter zurzeit hervorragend. "Im Handel sind die Perspektiven unglaublich gut, auch das Rohrgeschäft läuft sehr gut", sagte der Vorstandsvorsitzende im Interview. Leese konkretisierte zugleich den Ergebnisausblick für 2007. Vor knapp zwei Wochen hatte Salzgitter ihre Erwartung für den Vorsteuergewinn auf "deutlich über eine Mrd EUR" erhöht. Hierzu erläuterte Leese jetzt: "100 Mio bis 200 Mio EUR mehr als 1 Mrd EUR wären schon deutlich."
2006 hatte Salzgitter einen um Sondereffekte bereinigten Vorsteuergewinn von 948 Mio EUR ausgewiesen bei einem Umsatz von knapp 8,5 Mrd EUR. Den Umsatz sieht der MDAX-Konzern in diesem Jahr bei über 10 Mrd EUR, wozu auch Konsolidierungs-Effekte beitragen. Leese verwies auf die Akquisitionen der Vallourec Precision Etirage (VPE) und der Klöckner-Werke AG. VPE werde ab dem dritten Quartal in die Bilanz einbezogen, Klöckner spätestens im vierten Quartal. "Aus diesen Zukäufen kommen 2007 dann noch 600 Mio bis 700 Mio EUR Umsatz hinzu. Von daher müssten wir beim Umsatz in diesem Jahr eigentlich die 10-Mrd-Grenze überschreiten können."
Als neuer Mehrheitsgesellschafter will Salzgitter die Profitabilität der Klöckner-Werke in den kommenden Jahren deutlich verbessern. Die Rendite von Klöckner sei zurzeit "noch relativ bescheiden", räumte Leese ein. In spätestens fünf Jahren wolle Salzgitter die Technologiesparte rund um die neue Tochter aber so weit haben, dass sie bei der Profitabilität auch mit den anderen Konzern-Gesellschaften Schritt halten könne. "15% ROCE wollen wir dann natürlich auch bei Klöckner sehen", unterstrich der Vorstandsvorsitzende.
Salzgitter sieht für Klöckner hervorragende Voraussetzungen für internes Wachstum. Das weltweite Wachstum in der Branche liege bei jährlich 5% bis 6%, in Asien sogar bei 8% bis 9%. Mit steigendem Wohlstand in der Region wachse auch die Nachfrage nach den Maschinen für die Getränke- und Nahrungsmittelindustrie, die Klöckner produziert. "Das ist ein großer, dynamischer Markt, der sich da auftut", sagte Leese.
Er bekräftigte zugleich aber auch die Absicht, Klöckner durch Zukäufe weiter zu stärken. Die neue Tochter sei bereits auf der Suche nach passenden Gelegenheiten. "Das ist finanziell bei Klöckner mittlerweile auch eher möglich als früher - mit den finanziellen Mitteln, die Salzgitter als neuer Mutterkonzern mitbringt", so Leese. Es gehe bei den anvisierten Zukäufen auch nicht nur um Geschäftsfelder, in denen Klöckner heute schon tätig sei, sondern auch um angrenzende Bereiche.
Leese verwies darauf, dass der Salzgitter-Konzern seine Akquisitionsbemühungen in der nächsten Zeit auf die neue Technologiesparte konzentriert. "Dies liegt daran, dass die Unternehmen aus der Stahlbranche oder aus stahlnahen Bereichen zurzeit zu teuer sind", sagte er. Heute gebe es außerdem zahlreiche Gelegenheiten außerhalb des Stahlgeschäfts. "Und die werden wir uns ansehen. Wenn wir eine Gelegenheit erkennen, die Potenzial für die Zukunft und Shareholder-Value verspricht, werden wir zugreifen", kündigte Leese an. "Wohl dem, der Geld zur Verfügung hat."
Salzgitter hält nach Ablauf des Übernahmeangebots an die Minderheitsaktionäre der Klöckner-Werke AG mittlerweile knapp 86% der Anteile. Leese sagte, dass Salzgitter grundsätzlich weiter eine vollständige Klöckner-Übernahme anstrebt. "Wir haben aber keine Eile. Uns würde es reichen, wenn wir irgendwann in zwei Jahren die komplette Mehrheit haben", so der Vorstandsvorsitzende.
Mit der Klöckner-Übernahme und dem Aufbau einer neuen Technologiesparte will Salzgitter ihre Abhängigkeit vom zyklischen Stahlgeschäft weiter verringern. Trotz des derzeitigen Stahlbooms erwartet Leese nämlich weiter, dass es "spätestens Ende der Dekade einen Abschwung in der Stahlkonjunktur und eine Nachfragelücke" geben wird. Es könne zwar sein, dass es die starke Volatilität bei den Stahlergebnissen, die es früher gegeben habe, künftig nicht mehr gebe. Denn die großen Konzerne seien mittlerweile auch bereit, die Preise nicht mehr "bis zur Schmerzgrenze" fallen zu lassen, sondern zur Stabilisierung auch Kapazitäten vom Markt zu nehmen.
Andererseits würden in China oder auch in Brasilien die Produktionskapazitäten aufgestockt. "Es wird irgendwann zu einer Sättigung des Marktes kommen", erwartet Leese. Außerdem könne es auch zu Schwierigkeiten in den sich entwickelnden Volkswirtschaften und damit dann sehr schnell auch zu Überkapazitäten kommen. Salzgitter wäre als Nischenplayer von einer solchen Entwicklung nicht so stark wie andere Stahlhersteller betroffen. "Aber es ist nicht auszuschließen, dass es von Standardprodukten auch Ausstrahlungen auf die Spezialprodukte gibt", warnte Leese.
Auch langfristig anhalten wird nach Einschätzung von Salzgitter dagegen der Boom im Röhrengeschäft - vor allem wegen der hohen Nachfrage aus der Öl- und Gasbranche. "In den nächsten mindestens fünf Jahren ist der Zyklus im Rohrgeschäft, den es normalerweise gibt, total ausgehebelt", sagte Leese. "Und obwohl neue Kapazitäten im Markt aufgebaut werden, sehe ich zurzeit noch kein Ende des heutigen Booms."
Salzgitter erwäge deshalb weiter, in den USA ein Rohrwerk zu bauen, müsse hierzu aber einen Partner finden, der auch Qualitätsstahl liefern könne. "Wir wollen uns auch in den USA nicht auf das Standardrohr konzentrieren, sondern auf das Qualitätsrohr im Premium-Segment, das wir auch in Deutschland herstellen", sagte Leese. Und Salzgitter habe auf keinen Fall in Deutschland noch Kapazitäten übrig, um noch Stahlmengen für ein Rohrwerk in die USA zu liefern.
Einen weiteren Großauftrag im Röhrengeschäft kann Salzgitter möglicherweise schon im kommenden Monat verbuchen. Dann erwartet Leese, dass die Aufträge für die Ostseepipeline vergeben werden, für die insgesamt etwa 1,2 Mio Tonnen Stahl benötigt werden. "Wir sind hoffnungsvoll, dass das Nord-Stream-Konsortium den kritischen Part der Ostseepipeline bei Europipe bestellen wird", sagte Leese. Europipe ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Salzgitter und der Dillinger Hütte Saarstahl AG. Spezialität des Unternehmens sind unter anderem Offshore-Pipelines mit dicken Wandstärken.
Die geforderte Qualität bei diesen dickwandigen Großrohren könnten Neuanbieter nicht herstellen, erläuterte Leese. Für den Offshore-Bereich gebe es zwar noch die japanischen Hersteller, die Erfahrung hätten und auch liefern könnten. "Allerdings sind deren Fähigkeiten in Bezug auf die Wanddicke grenzwertig. Europipe ist prädestiniert und hätte dagegen keinerlei Probleme mit den Anforderungen", sagte Leese. Wie hoch der Auftrag ausfallen wird, müsse noch abgewartet werden. Es würden wohl insgesamt mehrere Unternehmen an der Ostseepipeline beteiligt - allein aus Sicherheitsgründen. Russische Unternehmen würden die Überlandleitungen bauen.
Webseite: http://www.salzgitter-ag.de
-Von Andreas Heitker, Dow Jones Newswires, +49 (0)211 13872 14,
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