Schwarze Zahlen in der Schweiz
Walter Gränicher Konzernleitungsmitglied und Alstom-Schweiz-Chef zum Abschluss
Das Schweizer Geschäft ist in den schwarzen Zahlen. Weiter knapp ist der Auftragseingang im Anlagen-Neugeschäft. Ein Gespräch mit Konzernleitungsmitglied Walter Gränicher. Er ist auch für die Schweizer Landesgesellschaft verantwortlich.
Peter K. Sonderegger
Alstom zeigt nochmals rote Zahlen.
Walter Gränicher: Die Zahlen sind noch nicht befriedigend. Aber die Eckzahlen entsprechen den Erwartungen und sind somit keine Überraschung. Unsere Jahresziele haben wir erreicht. Das heute präsentierte Resultat ist teils sogar etwas besser als die Zielwerte. Wir sind mit dem Konzern damit in der Aufwärtsentwicklung auch zeitlich gut innerhalb der Planung. Und im laufenden Jahr . . . Gränicher: . . . wollen wir schwarze Zahlen schreiben. Wir sind gut dafür positioniert, im laufenden Geschäftsjahr den Turnaround zu erreichen.
Und die Schweiz . . .
Gränicher: . . . ist dabei mit Sicherheit eine der Schlüsselorganisationen im Konzern. Mit dem Gasturbinengeschäft (Service und Neuanlagen) haben wir in der Schweiz auch eine Schlüsseltechnik.
Also keine roten Zahlen mehr?
Gränicher: Das Schweizer Geschäft zeigt heute insgesamt äusserst positive Zahlen. Mit dem grossen Anteil des rentablen Servicegeschäfts liegt das auf der Hand. Noch nicht zufrieden sein können wir mit dem Bestellungseingang im Bereich Neuanlagen. Insgesamt haben wir aber die Stabilität erreicht, auf der wir weiter aufbauen können.
Deshalb auch der Zeitpunkt für einen Tag der offenen Tür am 11. Juni?
Gränicher: Wir wollen vor allem den Mitarbeitenden die Gelegenheit geben, ihren Familien und Freunden, aber auch der interessierten Öffentlichkeit ihre Tätigkeit, ihren Arbeitsplatz und ihre Firma vorzustellen . . .
. . . und gleichzeitig ein Zeichen setzen, dass es wieder aufwärts geht?
Gränicher: Alstom war über die letzten zwei Jahre oft negativ in der Presse. Wir wollen in der Region, in der wir tief verankert sind, der Öffentlichkeit zeigen, was die über 4000 Alstom-Mitarbeitenden in Baden und Birr wirklich machen. Und wir wollen damit allen das Vertrauen geben, dass es weitergeht.
Wo steht Alstom Schweiz mit dem 2004 angekündigten Stellenabbau?
Gränicher: Wir haben den ursprünglich geplanten Abbau von 650 auf 550 Stellen reduziert. Die Aktionspläne sind eingeleitet und in Umsetzung. Wir sind auf Kurs. Die zweite Phase wird 2006 abgeschlossen sein. Der Abbau reicht von Frühpensionierungen und natürlicher Fluktuation bis hin zu internen Stellenwechseln. Als Folge sind erfreulicherweise weniger Kündigungen auszusprechen, als wir ursprünglich erwartet hatten.
Nach dem Abbau beschäftigt Alstom in der Schweiz dannzumal noch rund 3800 Leute. Das ist noch etwas mehr als bei der Übernahme des Kraftwerkgeschäfts von ABB. Ist das das Beschäftigungsniveau, das Sie mittelfristig durchhalten können?
Gränicher: Insgesamt gesehen ja. Der Neuanlagenbereich ist noch unter den Erwartungen. Im Service haben wir auch 2004 neue Aufträge geholt und Stellen geschaffen. Mit der jetzigen Restrukturierung haben wir in der Schweiz die Basis für das Konzept, das wir im Konzern langfristig fahren wollen.
Der Schweizer Energieminister will lieber Gas-Kombikraftwerke als ein neues Kernkraftwerk. Sicher Musik in den Ohren des Alstom-Schweiz-Chefs.
Gränicher: Es ist sehr erfreulich, dass die Schweizer Energiediskussion gestartet worden ist. Mit unseren Gas-Kombianlagen ist Alstom optimal platziert, um Partner für Schweizer Kunden zu werden. Aber wir sind auch ein wichtiger Partner im Nuklearbereich. Für Baden wäre ein Schweizer Kombikraftwerkauftrag natürlich sehr schön. Aber bis wir eine erste Auftragsvergabe in der Schweiz sehen, wird es noch Jahre dauern.
Die bisherige deutsche Regierung blockierte viele Kraftwerkprojekte. Schafft der wahrscheinliche Regierungswechsel auch neue Chancen für die Beschäftigung in Baden/Birr?
Gränicher: In Deutschland redet man von 40 000 Megawatt fehlender oder zu ersetzender Kraftwerkleistung über die nächsten zwanzig Jahre. Das ist eine eindrückliche Zahl. Aber wir müssen realistisch sein. Das wären im Durchschnitt 2000 Megawatt pro Jahr. Und das für mindestens drei Anbieter. Aber es gibt in allen grösseren europäischen Ländern alternde Kraftwerke und einen steigenden Stromverbrauch. Ich rechne mit einer schrittweisen Belebung der Kraftwerkaufträge, aber nicht mit einem grossen Boom.
Power Generation in Mannheim steht in engem Produktionsverbund mit Baden/Birr. Was heisst das für das Schweizer Geschäft, wenn dort nochmals kräftig abgebaut werden soll?
Gränicher: Es geht um die Anpassung an die heutigen Marktbedingungen. Die Massnahmen, die man in Mannheim umsetzen will, sind etwa mit dem Abbau in Baden gleichzusetzen.
Aber in Baden/Birr wird die Kapazitätsanpassung akzeptiert. In Mannheim wird mit tagelangen Betriebsversammlungen und täglichen Demos hart gegen den Abbau gekämpft. Als Chef in der Schweiz und als Aufsichtsratsvorsitzender in Mannheim erleben Sie damit hautnah zwei sehr unterschiedliche Mentalitäten.
Gränicher: Jedes Land hat seine spezifischen Rahmenbedingungen. Unsere Aufgabe im Management ist es, mit den unterschiedlichen Verhalten und Mentalitäten zurechtzukommen und konsequent die Massnahmen umzusetzen.
Und die Konsequenz für die Standorte?
Gränicher: Es gibt ein Umfeld, das für externe und interne Investoren mehr oder weniger freundlich ist. Es ist einfacher, dort Arbeitsplätze aufzubauen, wo im Bedarfsfall auch wieder Anpassungen vorgenommen werden können. Eine Firma muss atmen können. Die Situation in Mannheim ist diesbezüglich komplexer und schwieriger.
Flexibilität und Arbeitszeit sind zentrale Themen der anlaufenden GAV-Verhandlung der Maschinen- und Elektroindustrie.
Gränicher: Die Verhandlung wird von der Swissmem geführt, die ich hier nicht beeinflussen möchte.
Und Ihre Vorstellungen?
Gränicher: Wer im globalen Konkurrenzumfeld dabei sein will, der braucht die nötige Kapazität, wenn die Aufträge da sind. Und er braucht die nötige Flexibilität, um Auftragslücken zu überbrücken. Wir sind auf flexibles Personal angewiesen.
Einige Arbeitgeber rufen bereits nach der Ausweitung der Jahresarbeitszeit um Jobs in der Schweiz zu halten.
Gränicher: In Frankreich und Deutschland redet man über die Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Aber dort startet man bei 35 Arbeitsstunden. Viele der Schweizer Mitarbeitenden arbeiten bereits oft mehr als 40 Stunden, um ihre Tagesziele zu erreichen. Im Vordergrund steht für mich die Flexibilität.
Aargauer Zeitung 1.6.2005
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