Aargauer Zeitung / MLZ; 23.04.2005
Osterhase brachte ein Kuckucksei
Unterbruch in Leibstadt Defekte Pressplatte im KKL-Generator muss ersetzt werden
Alstom-Fachleute haben die Ursache des KKL-Generatorschadens aufgespürt. Die am Rand angeschmolzene Press-platte muss ersetzt werden, die zweite allenfalls auch. Darum liefert das Kernkraftwerk Leibstadt erst im Herbst Strom.
hans lüthi Brennend aktuell war die zweite Schadenorientierung im KKL, denn in den letzten Tagen haben sich die Ereignisse überstürzt. Der Ausfall dauert bis Ende September, «mit jedem Tag wird es teurer, das drückt auf den Magen», sagt Pressechef Leo Erne. Den Humor hat er noch nicht verloren, der Osterhase habe ein Kuckucksei gebracht, meinte er zum Generatorausfall am Ostermontag, um genau 3.43 Uhr. Zuerst sah es nach einem Unterbruch von Stunden aus, dann von Tagen, dann von Wochen. Jetzt geht es um fünf bis sechs Monate, was noch vor kurzem niemand für möglich gehalten hat. Der von BBC 1980 hergestellte Generator ist ein gewaltiger Klotz, 400 Tonnen schwer, allein der Rotor wiegt 90 Tonnen. Er ist ein Unikat, auf dem ganzen Planeten gibt es keinen zweiten.
Ein Defekt bei der Pressplatte
Erst nach drei Wochen Ausbau, Anhebung des Generators (mit dem Baugerüst von damals) und der Zerlegung des Stators sind die Altstom-Fachleute der Ursache näher. «Aber die endgültige Analyse fehlt noch», heisst es präzisierend dazu. Fest steht laut Kraftwerkleiter Mario Schönenberger so viel: «Fremdkörper sind nicht schuld, bei der letzten Revision blieben keine Teile liegen.» Auch Schäden an der Isolation der Wicklungen im Generator fallen ausser Betracht.
Das Augenmerk richtet sich jetzt voll auf die Eisenteile. Dünne Stahlbleche von nur 0,5 Millimetern und einer Isolation sind zu Pressplatten zusammengepresst. Das geschmolzene Eisen stammte von dieser Platte, die auch an anderen Stellen schwarze Spuren aufwies, also zu heiss geworden ist. Der riesige KKL-Generator wird zum Teil mit Wasserstoff gekühlt, der Rotor läuft mit 3000 Umdrehungen pro Minute oder mit 50 pro Sekunde!
Bei der Fertigung war eine von drei Pressplatten nicht brauchbar, bei den anderen gab es Abweichungen, aber innerhalb der damals zulässigen Toleranzen. Diese könnten nun den Schaden ausgelöst haben - nach 20 Jahren einwandfreiem Betrieb unter Höchstlast. Eine Reparatur ist unmöglich, was den Zeitplan auf den Kopf stellt.
Ersatzteil kommt am 10. Juni
Obwohl überall mit vollem Einsatz gearbeitet wird, in Leibstadt rund um die Uhr in drei Schichten, können die Ersatzteile nicht herbeigezaubert werden. Für die sieben Tonnen schwere neue Pressplatte, innen 1,5 und aussen 3 Meter Durchmesser, stammt das Material aus Polen, die Spezialanfertigung geschieht bis zum 10. Juni in Mannheim. «Nach Terminplan ist der Schaden am 22. Juni repariert», versichert Schönenberger. Doch dann dauert es noch anderthalb Monate, bis der Generator wieder zusammengebaut, getestet und am 4. September betriebsbereit ist. Erst nach dem Einbau der ersten Platte kann geprüft werden, ob auch die zweite Pressplatte irgendwelche Unregelmässigkeiten aufweist. Vorsorglich wird eine zweite Ersatzplatte in Auftrag gegeben, bei ihrem Einbau verzögert sich das Anfahren des KKL um drei Wochen auf Ende September. Weil die Fertigung heute dank Laser viel präziser möglich ist, rechnen die Fachleute nicht mit einem weiteren Defekt.
Teurer Ausfall der Stromproduktion
Ob der Produktionsausfall 50, 100 oder 200 Millionen Franken kostet, wird sich frühestens im Herbst zeigen. Das hängt sehr eng mit dem Preis für Ersatzstrom zusammen, den die sieben Besitzerwerke von Leibstadt beschaffen müssen. Das KKL kostet fast gleich viel, ob es läuft oder nicht, konkret 1,3 Millionen Franken jeden Tag. Die Tagesproduktion aus Leibstadt ist im Mittel 1,8 Millionen Franken wert. Eine Hochrechnung mit der Anzahl Ausfalltage führt nicht zum Ziel. Bei tiefen Strompreisen in den Sommermonaten reduziert sich der «Verlust», bei Preisen wie im Sommer 2003 steigt er um Dutzende von Millionen Franken. «Das kann man im Voraus nicht berechnen, Wetter, Schneeschmelze, Wasserführung und Spotmarkt-Preis spielen eine grosse Rolle», betont KKL-Geschäftsführer Manfred Thumann.
Versicherung für den Generator
Die paar Millionen Franken für den Generatorschaden müssen die Kraftwerkbesitzer nicht kümmern. Der Generator ist gegen Maschinenbruch bei der «National» versichert, bei einer halben Million Franken Selbstbehalt. «Den Betriebsausfall kann man nicht versichern, das hätte in 20 Jahren KKL über 100 Millionen gekostet», erklärt Thumann. Auf Hochtouren läuft die vorgezogene Jahresrevision 2005, neben den 445 KKL-Mitarbeitenden sind 440 Beschäftigte aus 80 Firmen auf dem Gelände. 132 der 648 Brennelemente werden ausgewechselt, bei einem späteren Anfahren des Reaktors können es ein paar weniger sein.
|