Atempause für Griechenland - ein drohender Bankrott Ende Juli kann wohl abgewendet werden. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) werden voraussichtlich weitere 12 Milliarden Euro nach Athen überweisen. Bisher hatten die Gläubiger diese Zahlung an ein neues Sparprogramm geknüpft, das der griechische Premierminister Giorgos Papandreou bislang nicht durchsetzen kann.
Papandreou versuchte am Donnerstag den Befreiungsschlag. In einer Krisensitzung seiner sozialistischen Pasok-Fraktion im Athener Parlament bemühte er sich, die Abgeordneten auf Linie zu halten. Zwei Pasok-Abgeordnete hatten zuvor ihre Mandate aufgegeben; für sie rücken zwei sozialistische Parlamentarier nach. Die Pasok hat mit 155 der 300 Sitze damit immer noch eine knappe Mehrheit. Am Nachmittag wollte Papandreou seine Regierungsmannschaft umbilden.
IWF RÜCKT VON HARTER LINIE AB
Angesichts der Staatskrise lenkten die internationalen Partner ein. Sie wollen nun die nächste Tranche des ersten Hilfspakets bereits auszahlen, bevor endgültig über das nächste Sparprogramm entschieden ist - entgegen der bisherigen Forderungen. Vor allem der IWF hatte bisher einen noch schärferen Sanierungskurs zur Bedingung für weitere Überweisungen gemacht. Von dieser harten Linie rückt der Fonds nun offensichtlich ab. Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte, es gebe in dieser Frage eine enge Abstimmung mit dem IWF.
Damit gewinnt nicht nur Papandreou Zeit. Auch die Bundesregierung kann weiter versuchen, eine Beteiligung privater Geldgeber wie Banken und Versicherungen an den möglichen Kosten der Rettung durchzusetzen. Ein endgültiger Beschluss ist nach Angaben aus deutschen Verhandlungskreisen möglicherweise erst im September denkbar.
Als erster signalisierte Rehn Aufschub. Der Währungskommissar sagte in Brüssel, die Euro-Finanzminister sollten bei ihrem Treffen am Sonntag und Montag in Luxemburg die Auszahlung der 12 Milliarden Euro beschließen.
ENTSCHEIDUNG ÜBER ZWEITES HILFSPAKET ERST AM 11. JULI
Über das zweite große Hilfspaket solle dann erst am 11. Juli entschieden werden: "Damit vermeiden wir das Szenario eines Zahlungsausfalls", sagte Rehn. "Ich rufe alle Entscheidungsträger in der EU, und insbesondere die Euro-Finanzminister am nächsten Sonntag auf, die verbleibenden Meinungsunterschiede zu überwinden und zu einer verantwortungsvollen Entscheidung an diesem kritischen Punkt zu kommen."
Die Bundesregierung hofft, angesichts des Streits über private Gläubiger Zeit zu gewinnen und erwartet zunächst nur Eckpunkte für ein zweites Hilfspaket, wie es in Berlin hieß. Deutschland muss als stärkste Volkswirtschaft Europas immer für den Löwenteil - mindestens ein Fünftel - bürgen.
GRIECHENLAND BRAUCHT MÖGLICHERWEISE ZUSÄTZLICH 120 MRD EURO
Auf Basis solcher Eckpunkte könnte dann die Anfang Juli fällige Hilfszahlung aus dem aktuellen Hilfsprogramm ausgezahlt werden. Damit wäre die Finanzierung des Landes für ein Jahr gesichert. Möglicherweise braucht Griechenland weitere 120 Milliarden Euro, für das sich die Regierung in Athen allerdings zu einem noch strikteren Sparprogramm verpflichten müsste.
Wichtige Impulse für die Rettung Griechenlands kann ein Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy an diesem Freitag in Berlin bringen. "Ich rufe alle dazu auf, Verantwortung und Kompromissbereitschaft zu zeigen", sagte Sarkozy in Paris. Frankreich sperrt sich bislang gegen eine Umschuldung unter Beteiligung privater Investoren. Französische Großbanken halten große Mengen griechischer Staatsanleihen.
Besorgt zeigte sich Rehn angesichts der politischen Lage in Athen. "Es ist bedauerlich, dass die Bemühungen, eine nationale Einheit zu schmieden, gestern scheiterten."
KABINETTSUMBILDUNG
Papandreou hatte vergeblich versucht, den konservativen Oppositionsführer Antonis Samaris ins Boot zu holen. Daraufhin kündigte der Sozialist ein Kabinettsumbildung an. Mit der neuen Mannschaft will er sich in den kommenden Tagen im Parlament einer Vertrauensabstimmung stellen. Staatspräsident Karolos Papoulias äußerte die Sorge, dass "die politische Krise zu einer Krise der Demokratie werden könnte".
Nach den gewaltsamen Protesten gegen das griechische Sparpaket herrschte am Donnerstagmorgen wieder Ruhe auf den Straßen Athens. Tausende Menschen protestierten friedlich bis in die frühen Morgenstunden vor dem Parlament in Athen gegen die Regierung. Für den Abend waren neue Demonstrationen angesagt.
Athen muss rasch ein Spar- und Reformprogramm im Umfang von 78 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Bis Ende 2011 müssen 6,4 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2015 dann weitere 22 Milliarden. Zusätzlich muss die Regierung versuchen, 50 Milliarden Euro durch den Verkauf von Staatsbetrieben und Immobilien zu erlösen. /tt/wn/DP/jsl
AXC0210 2011-06-16/17:22