Auszug aus:
Jochen Müller:
Der mittelschwäbische Dialekt am Beispiel der Urbacher Mundart
1.5.2 Die Dialekte in Württemberg
Nach MOSERs Einteilung treffen in Baden-Württemberg zwei oberdeutsche Sprachfamilien aufeinander: das Südrheinfränkische (Südfränkisch, Halbfränkisch) im Norden und die alemannischen Dialekte im Süden. Beide Mundartfamilien reichen bis weit über die Grenzen des Bundeslandes hinaus. Das Alemannische wird gegliedert in:
* das Höchstalemannische der Schweiz
* das Hochalemannische in der Nordschweiz und dem Südende Badens
* das Niederalemannische an Bodensee, im Elsaß, südlich von Karlsruhe entlang des Rheins und im österreichischen Vorarlberg
* das Nordalemannische, das als Schwäbisch bezeichnet wird und im Hauptteil Alt-Württembergs sowie in Bayrisch-Schwaben gesprochen wird.
Die Einteilung der Mundarten in Württemberg nach BOHNENBERGER unterscheidet sich von diesem Schema geringfügig: "Die Volkssprache Württembergs ist zweigeteilt. Sie setzt sich wie die Bevölkerung des Landes zusammen aus einem schwäbisch-alemannischen Teile im Süden und einem fränkischen im Norden. Beide Teile enthalten dann aber nochmals zwei erheblich verschiedene Stücke. Der südliche besteht aus einem schwäbischen und einem niederalemannischen, der nördliche aus einem rheinfränkischen und einem ostfränkischen Sonderteile." BOHNENBERGER weist darauf hin, daß "das Rheinfränkische und das Ostfränkische zwei von Alters geschiedene Hauptmundarten" bilden, nach MOSERs Schema eben eine mitteldeutsche und eine oberdeutsche Mundart, während die ersten beiden gemeinhin als schwäbisch-alemannische Mundart bezeichnet werden, die sich östlich bis zum Lech und südlich bis zu den Alpen erstreckt. Die folgende Karte zeigt das Verbreitungsgebiet der schwäbischen Dialekte und seine Grenzübergänge zu den fränkischen, alemannischen und bairischen Nachbarmundarten.
1.5.2.1 Die Grenze zwischen Schwäbisch und Fränkisch
Der fränkische Sprachraum liegt Urbach am nächsten und hat insofern unter allen Nachbarmundarten den stärksten Einfluß auf den Ortsdialekt. Die schwäbisch-fränkische Sprachgrenze verläuft knapp 20 km nördlich von Urbach: "Das schwäbische Gebiet reicht nordwärts bis Nagold, Leonberg, Markgröningen, Großbottwar, Backnang, Welzheim, Gschwend, Jagstzell-Ellwangen" , ist bei BOHNENBERGER zu lesen. Jedoch: "Seit der Jahrhundertmitte gewinnt das Schwäbische immer mehr an Boden. Es drängt sich stellenweise schon ins Gebiet des reinen Fränkisch (Löwensteiner und Haller Raum) vor". Zwischen dem schwäbischen und dem fränkischen Sprachraum besteht ein sehr breiter 'halbfänkischer' oder 'vorfränkischer' Übergangsraum, in dem sich beide Mundarten variationsreich vermischen.
Die Abgrenzung des Schwäbischen vom Fränkischen geschieht zum einen durch den Unterschied in "der Aussprache des altdeutschen Zwielautes ei, wie er vorliegt in 'breit, eigen, Seil'" : schwäbisch wird hier /òe/ bzw. /òá/ im Westen gesprochen, während das Fränkische sich wie die Standardsprache verhält und /ae/ spricht (oder /a:/). Eine weitere Isoglosse bildet das Wort 'mähen' in der 3. Person Plural, das schwäb. 'mähet'/'mäád' heißt, fränkisch 'mähe', außerdem von Bedeutung sind folgende Unterschiede:
* fränk. /ò:/ gg. schwäb. /a:/ wie in Hase: Hòòs - Haas, Wagen: Wòchá - Wagá * fränk. /v/ gg. schwäb. /b/ wie in oben: òwá - oobá, Garben: Garwá - Garbá * fränk. /x/ gg. schwäb. /g/ wie in sagen: sòòchá - saagá * Die Verkleinerungsformen: fränk. -lich (Haislich) gg. schwäb. -lé (Heislé)
1.5.2.2 Die Grenze zwischen Schwäbisch und Alemannisch
Das Übergangsgebiet zwischen Schwäbisch und Niederalemannisch verläuft entlang einer Linie der Städte Baden-Baden, Villingen-Schwenningen, Tuttlingen, Friedrichshafen. "Das Niederalemannsische beginnt" nach BOHNENBERGER "mit Schramberg, Schwenningen, Möhringen a. D., Stockach, Ravensburg, Isny, Sonthofen" .
Das Schwäbische wird vom Niederalemannischen vor allem anhand "der Aussprache der altdeutschen langen Selbstlaute î, û, die in der Schriftsprache als ei, au erscheinen" , abgegrenzt: so heißen Eis, Zeit, Haus niederalemannisch Iis, Ziit, Huus, dagegen schwäbisch Eis, Zeid, Háus mit geschlossenen Diphthongen. Das Niederalemannische hat also die hochdeutsche Diphthongierung im Gegensatz zum Schwäbischen nicht durchgeführt. Der zweite wichtige Unterschied liegt in der Bildung des Partizip II von sein: das Alemannische gsi oder gsai geht auf den Infinitiv zurück, während wir im schwäbischen gwäá,gwä, gwäsá,deutlich die hochdeutsche dritte Stammform des Verbs wiedererkennen.
|