WELT am SONNTAG: Nach Ihrem Börsengang Anfang 2000 waren Sie eines der Schwergewichte am Neuen Markt, wurden danach zurechtgestutzt und arbeiten sich nun wieder aus der Krise. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
Hannes Niederhauser: Dass man nicht jedes Jahr um 50 oder 100 Prozent wachsen kann. Seit 1994 ging es immer steil bergauf. Die Krise 2002 hat uns daher kalt erwischt. Allerdings sind wir sehr gut finanziert mit einer Eigenkapitalquote von 70 Prozent und wir haben keine Schulden. Uns konnte die Krise daher nicht im Bestand erschüttern.
WamS: War das abgelaufene Geschäftsjahr wieder besser?
Niederhauser: Wir arbeiten uns langsam wieder hoch. 2002 machten wir einen operativen Gewinn von 700 000 Euro, 2003 wurde es von Quartal zu Quartal mehr. Nach dem dritten Quartal hatten wir daher unsere Prognose von sieben auf neun Millionen Euro angehoben.
WamS: Haben Sie das geschafft?
Niederhauser: Wir legen am 23. März die endgültigen Zahlen vor, aber ich kann jetzt schon sagen: Ja, wir haben es geschafft. Auch das Ziel von 221 Millionen Euro Umsatz haben wir erreicht, wenn nicht gar übertroffen.
WamS: Und wie wird 2004?
Niederhauser: In unserem Markt kann man recht gute Vorhersagen treffen. Wenn ein neues Projekt startet, dauert die Entwicklung rund ein Jahr und bringt danach die Umsätze. Im Mai letzten Jahres war die Zahl der Entwicklungsprojekte auf sehr niedrigem Niveau, unsere Ingenieure waren nur zu 60 bis 70 Prozent ausgelastet. Danach kam jedoch die Wende. Die Firmen sind seither wieder bereit zu investieren und folglich ist die Zahl der Projekte, die wir pro Monat gewonnen haben, von sieben auf 15 bis 17 gestiegen. Im vierten Quartal erhielten wir 52 neue Projektaufträge - das ist der höchste Wert, den wir je verzeichnet haben. Daher stellen wir inzwischen sogar wieder Ingenieure ein. In der zweiten Hälfte des Jahres dürfte das Wachstum wieder so sein wie vor der Krise.
WamS: Was heißt das für Umsatz und Gewinn?
Niederhauser: Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr wieder zweistellig wachsen.
WamS: Trotz schwachen Dollars?
Niederhauser: Das bleibt in der Tat ein wichtiges Thema. Wir rechnen 55 Prozent unserer Produkte in Dollar ab. Wir haben allerdings auch Kosten in Dollar durch unsere Ingenieure in den USA und Asien. Deshalb kann der schwache Dollar unsere Umsatzzahlen zwar beeinträchtigen, nicht aber unsere Gewinne. Zehn Prozent Währungsänderung verringern unseren Umsatz um rund sechs Prozent, unseren Gewinn dagegen nur um ungefähr 0,6 Prozent.
WamS: Belastet wird Ihr Ergebnis von 2003 aber auf jeden Fall durch Sonderabschreibungen. Droht da 2004 neues Unheil?
Niederhauser: Nein. Wir hatten einen Goodwill von rund 100 Millionen Euro, der mit der Fusion mit Jumptec zusammenhängt. Unsere Unternehmen wurden verschmolzen, und es ist kein Cent an Geld geflossen. Dennoch muss nach den Bilanzierungsvorschriften des US-GAAP ein Kaufpreis angesetzt werden, der virtuell aus dem Börsenkurs von Jumptec errechnet wurde. Das musste nun bereinigt werden und ist damit auch erledigt.
WamS: Was hat die Fusion mit Jumptec letztlich gebracht?
Niederhauser: Wir haben unsere Abläufe und Prozesse verbessert und eine gemeinsame Einkaufsmacht aufgebaut. Wir haben beim Materialeinsatz rund drei Millionen Euro eingespart und die operativen Kosten um etwa dreizehn Prozent gesenkt. Was aber noch wichtiger ist: wir konnten unsere Wertschöpfungskette deutlich ausweiten. Den Kunden können wir nun die gesamte Bandbreite von " Embedded Computern" anbieten.
WamS: Das hört sich gut an. Die wenigsten können sich jedoch unter diesem Begriff etwas vorstellen.
Niederhauser: Ein Embedded Computer ist eine Art digitales Gehirn. Er benutzt Hard- und Software, um in Anwendungen integriert intelligente Funktionen auszuführen. Diese Elemente sitzen beispielsweise in der Steuerung von S- oder U-Bahn, im Handynetz, in Autos, Telematiksystemen oder in der Medizintechnik. Ob man will oder nicht - man kommt heute zwanzig Mal am Tag mit einem " Embedded Computer" in Berührung.
WamS: Wo werden derartige Steuerungselemente derzeit am meisten nachgefragt?
Niederhauser: In diesem Jahr kommt interessanterweise vor allem aus der Glücksspielindustrie ein starkes Wachstum, also durch einarmige Banditen oder Lotterie-Terminals, die vielerorts aufgestellt werden. Wir sind aber nicht von einzelnen Märkten abhängig. Unser größter Markt ist im Moment die Transportindustrie mit rund 16 Prozent unseres Gesamtumsatzes.
WamS: Forschung und Entwicklung machen einen großen Teil Ihrer Arbeit aus.
Niederhauser: Wir haben knapp 1700 Mitarbeiter und davon sind fast 600 in Forschung und Entwicklung tätig.
WamS: Sind die hohen Personalkosten am Standort Deutschland für Sie ein Thema?
Niederhauser: Man sollte nicht nur auf die Kosten schauen. Auch die Qualität muss stimmen. Wenn man die Qualifikation der Ingenieure als Maßstab nimmt, dann sind deutsche Ingenieure im internationalen Vergleich sehr preiswert.
WamS: Dennoch sind Sie weltweit tätig und setzen auf Russland und China als Wachstumsmärkte. Was wollen Sie dort erreichen?
Niederhauser: Wir sind vor zwei Jahren in diesen Märkten gestartet, machten 2002 dort acht Prozent unseres Umsatzes. 2004 sollen es schon 20 Prozent werden und mittelfristig soll ein Viertel unseres Umsatzes aus den Schwellenländern kommen. Unsere Maxime ist: Wo wir hingehen, wollen wir ein Top-Player sein.
WamS: Sie haben eine recht komfortable Cash-Position. Was haben Sie damit vor?
Niederhauser: Kontron hat heute über 60 Millionen Euro auf der Bank. Man hat ja gerade in der zurückliegenden Krise gesehen, dass ein gewisses Polster für ein Unternehmen ganz gut ist.
WamS: Auf der Bank bekommt man aber nicht mehr viel Zinsen.
Niederhauser: Wir wollen das Geld ja auch zur Verbesserung unseres Geschäfts einsetzen. Wir wollen in den Schwellenländern noch stärker werden. So steigern wir die Zahl der Vertriebsmitarbeiter in China beispielsweise von 45 auf über 100. Und wir haben ein Übernahmeangebot für die restlichen Aktien unserer amerikanischen Tochter abgegeben. Unser Ziel ist es nicht, größere Übernahmen zu tätigen. Wir wollen vielmehr unsere Konkurrenzfähigkeit weltweit stärken.
WamS: Der Aktienkurs hat sich in den letzten zwölf Monaten verdreifacht. Darin sind also schon hohe Erwartungen eingepreist. Welche Kursfantasien können Sie dem Markt noch bieten?
Niederhauser: Wir sind gar nicht an einem überschießenden Aktienkurs interessiert. Unser Ziel ist eine stetige operative Entwicklung und daran gekoppelt eine entsprechende Entwicklung beim Aktienkurs. Wir wollen, dass Kontron stetig wächst. Der Markt für Embedded Computer gibt das her, er bietet durchschnittliche Wachstumsraten von über zehn Prozent jährlich. Daran werden wir teilhaben, und proportional dazu wird sich der Aktienkurs entwickeln. Das Gespräch führte Frank Stocker
Artikel erschienen am 8. Feb 2004 http://www.wams.de/data/2004/02/08/234248.html?s=1
Zusammenfassung der Aussichten: - 2003: Ziele erreicht, " wenn nicht gar übertroffen" - 2004: Entwicklungsprojekte von 7 pro Monat auf 15 - 17 pro Monat in 2003 gestiegen. Der daraus resultierende Umsatz startet ca. 1 Jahr später (also 2004). Im 4. Quartal 2003 52 neue Projektaufträge, " ... das ist der höchste Wert, den wir je verzeichnet haben. ... In der 2. Hälfte des Jahres dürfte das Wachstum wieder so sein wie vor der Krise."
Besser kann der Ausblick auf 2004 doch gar nicht sein!(s.WO) der 23.März wirds zeigen!
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