Wall Street plant ohne Bush (EuramS)
§05.11.2006 11:30:00
§ Ein Sieg der Demokraten bei der US-Kongresswahl am Dienstag gilt als ausgemacht. Welche Folgen der Politikwechsel an der Börse haben wird
von Günter Heismann
Lügen, Rufmord, Sexgeschichten ? die USA erleben derzeit den schmutzigsten Wahlkampf seit Jahrzehnten. Bei den gegenseitigen Beschimpfungen tun sich vor allem die regierenden Republikaner hervor. Doch auch die Demokraten keilen gern zurück. Nachdem der einstige Präsidentschaftskandidat John Kerry die US-Soldaten im Irak verunglimpft hatte, zog sich der Oppositionspolitiker vorige Woche sogar aus dem Wahlkampf zurück. Ungeachtet der Schlammschlacht scheint sicher, dass die Demokraten am Dienstag als klare Sieger aus den Kongresswahlen hervorgehen. Ungewiss ist derzeit nur, ob die Opposition künftig in beiden Häusern des Kongresses, also im Senat und im Repräsentantenhaus, die Mehrheit stellen wird.
Viele Beobachter deuten die sich abzeichnende hohe Niederlage der Republikaner bereits als Signal, dass auch bei den Präsidentenwahlen in zwei Jahren George W. Bush von einem Demokraten abgelöst wird. Mit einem Machtwechsel im Weißen Haus wäre ein tiefgreifender Wandel in der Wirtschaftspolitik zu erwarten, der bereits nach den Wahlen am Dienstag seine Auswirkungen an der Wall Street zeigen dürfte. Am stärksten von einem Sieg der Demokraten ist voraussichtlich die Pharmabranche betroffen. "Das wäre ein weiterer negativer Punkt für den Sektor, der bereits unter anhaltendem Kostendruck steht", stellt Volker Dosch fest, Leiter des Teams für US-Aktien bei der Frankfurter Fondsgesellschaft DWS. Vor allem die demokratische Senatorin Hillary Clinton tritt entschieden für eine Beschneidung der Gesundheits-kosten ein, die in den USA ebenso aus dem Ruder laufen wie bei uns. Den Arzneimittelherstellern drohen aber nicht nur strengere Preiskontrollen. Sie müssen auch mit schärferen Verfahren bei der Zulassung neuer Präparate rechnen. In jüngster Zeit gab es in den USA mehrere Arzneimittelskandale, die auf eine zu laxe Genehmigungspraxis zurückgeführt werden. So soll das Rheumamittel Vioxx des Pharmakonzerns Merck für zahlreiche Todesfälle durch Herzinfarkt verantwortlich sein.
Allerdings ist fraglich, wie schnell die Demokraten im Kongress ihre Vorstellungen durchsetzen können. Denn Präsident Bush kann, bis er 2008 aus dem Amt scheidet, gegen jede Gesetzesänderung sein Veto einlegen. Zudem ist unklar, wie stark eine Gesundheitsreform die Pharmawerte belasten wird. "Der Sektor hat bereits eine sehr starke und lange Korrektur hinter sich. Die schlechten Nachrichten sind weitgehend eingepreist", gibt Fondsmanager Dosch zu bedenken.
Von der schärferen Regulierung des Pharmamarkts wären vor allem die forschenden Arzneimittelhersteller wie Merck, Pfizer und Ely Lilly betroffen. "Hingegen werden die Anbieter von Generika, von preiswerten Nachahmerpräparaten, von strengeren Preiskontrollen profitieren", sagt Christian Schneider, Portfoliomanager bei der Frankfurter Fondsgesellschaft dit. Besonders gut im Geschäft mit Generika sind in den USA die Firma Mylan und ihr israelischer Konkurrent Teva. Neben der Pharmaindustrie kann insbesondere auf die Rüstungsproduzenten Ungemach zukommen. Es ist erklärtes Ziel der Demokraten, Amerikas Rolle als Weltpolizist zu reduzieren und die Rüstungsbudgets zu beschränken. "Eine Kürzung der Verteidigungsausgaben ist am ehesten bei Panzern, Kriegsschiffen und Munition zu erwarten", sagt Experte Schneider. Hingegen würden die Demokraten es kaum wagen, die Prestigeprojekte der Luftwaffe anzutasten.
Aerospace ist eine Hightech-Industrie und gilt als nationale Ikone. Hingegen wollen die Demokraten die Homeland Security ausbauen, also Maßnahmen zum Schutz vor Terroranschlägen im eigenen Land. Hier versucht die Opposition die regierenden Republikaner noch zu übertreffen. Ein Kernelement der Homeland Security sind Anlagen zum Screening der Passagiere auf Flughäfen. Führende Lieferanten solcher Systeme sind der Aerospace-Konzern Raytheon und das Spezialunternehmen L-3 Communications. Neue Belastungen könnten bei einem Sieg der Demokraten auch auf die Energie-Unternehmen zukommen. In der Oppositionspartei ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob die exorbitant hohen Gewinne der Ölkonzerne nicht durch eine Sondersteuer abgeschöpft werden sollten. Unter Beschuss wird nach der Wahl voraussichtlich speziell der Ölzulieferer Halliburton geraten, mit dem Vizepräsident Dick Cheney eng verbandelt ist. Seit Langem verlangt die Opposition die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, um die umstrittenen Aktivitäten von Halliburton im Irak aufzuklären.
Vor allem aber fordern demokratische Politiker wie Al Gore, endlich auch in den USA die Emission von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen drastisch zu reduzieren. Unter einer schärferen Klima- und Umweltpolitik hätten vor allem die Öl-, Gas- und Kohlelieferanten zu leiden. Doch auch die Stromerzeuger müssten hohe Kosten aufwenden, um die Emissionen zu verringern, etwa durch den Einbau von Filtern in die Kraftwerke. Hingegen würden die Demokraten die Anbieter von alternativen Energien stärker fördern. Die Solarindustrie ist in den USA weit weniger entwickelt als etwa in Deutschland. Anders als bei uns wird die Sonnenenergie in den Vereinigten Staaten bisher kaum subventioniert. Bei der Nutzung der Windkraft aber haben die Amerikaner aufgeholt. Auch für die Hersteller von Bioethanol, das aus Getreide gewonnen und dem Benzin beigemischt wird, sehen viele Beobachter einen weiteren Aufschwung voraus. Führende Anbieter sind die Getreidekonzerne Bunge und Archer Daniels Midlands sowie das Unternehmen Pacific Ethanol.
Auch die Banken müssen womöglich mit einer schärferen Regulierung bei der Konsumentenfinanzierung rechnen. Millionen Haushalte, denen die Institute allzu leichtfertig Kredite aufgeschwatzt haben, sind hoffnungslos überschuldet. "Daher sind in den USA strengere Auflagen für die Darlehensvergabe denkbar", sagt Fondsmanager Frank Ebersbach von Deka Investments. Schließlich haben sich die Demokraten dem Kampf gegen Fehlernährung und Übergewicht verschrieben, unter dem Amerikaner stärker leiden als die meisten anderen Industrienationen. Genaue Pläne gibt es zwar noch nicht. Doch ein Wahlsieg der Opposition wäre eine schlechte Nachricht für Burger-Ketten, Pizzaläden und andere Anbieter von Fast Food. Auch die Hersteller von Fertiggerichten, die mit reichlich Fett und Zucker schmackhaft gemacht werden, werden womöglich unter sinkenden Umsätzen leiden. Generell wollen die Demokraten die Klagerechte der Konsumenten ausweiten ? gleich ob es um Gesundheitsschäden durch Asbest, Medikamente oder Tabak, um verweigerte Versicherungsleistungen oder um Schikanen am Arbeitsplatz geht wie angeblich bei der Supermarktkette Wal-Mart. "Die Demokraten haben eine starke Juristen-Lobby", so US-Experte Schneider.
Voraussichtlich überhaupt nicht betroffen vom Ausgang der Kongresswahlen sind dagegen Amerikas Hightech-Industrien, denen eine Sonderkonjunktur bevorsteht. Microsoft bringt 2007 sein neues Betriebssystem heraus. Auch die Anbieter von Spielekonsolen warten mit einer Fülle von Novitäten auf. Fondsmanager Ebersbach erwartet, dass der Sektor in den USA seine Gewinne im nächsten Jahr um 18 Prozent steigert. "Die Hightech-Industrien werden das höchste Gewinnwachstum aller Sektoren erzielen."
-red-§ Gruss Ice __________________________________________________ Börsengewinne sind Schmerzengeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld...(A.K.)
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