23.03.2009
Vor 14 Monaten war es eine Riesenparty, die große Hoffnungen weckte: Der indische Megakonzern Tata stellte den Tata Nano vor, das günstigste Auto der Welt. Heute fand die offizielle Markteinführung in Indien statt - auch die natürlich mit großem Tamtam. Dabei hat der Nano bislang eigentlich alle Erwartungen bitter enttäuscht. Der Tata Nano ist zwar kein Raumwunder, aber preiswert. Quelle: Reuters Bild vergrößern Der Tata Nano ist zwar kein Raumwunder, aber preiswert. Quelle: Reuters handelsblatt.com
BOMBAY. Am 9. April startet in Indien der lange erwartete Verkauf des Tata Nano, des billigsten Autos der Welt. Das Interesse an dem Winzling mit 35 PS und 105 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit ist riesig, doch potenzielle Käufer müssen womöglich lange auf die Erfüllung ihres Traums vom eigenen Auto warten.
Denn Hersteller Tata Motors plant den Verkauf über eine Lotterie, weil die Produktionszahlen zunächst weit unter Plan liegen werden und das Unternehmen den erwarteten Ansturm deshalb nicht erfüllen kann.
Die hohe Nachfrage sei eine schwierige Herausforderung, sagte der Chef der Tata-Gruppe, Ratan Tata, gestern bei der Bekanntgabe des Verkaufsbeginns. Doch Tata wol-le die Markteinführung nicht länger hinauszögern, sonst ergehe es dem Nano womöglich wie einer schönen Frau, die beim Warten auf den richtigen Partner alt und hässlich werde.
Ursprünglich sollte der Nano bereits vor einem halben Jahr in die Autohäuser kommen. Doch Tata Motors musste die fast fertige Fabrik für das Auto in Westbengalen wegen eines politisch aufgeheizten Streits um Grundstücksrechte aufgeben und in den Bundesstaat Gujarat verlegen. Die neue Produktionsstätte werde erst Anfang 2010 in Betrieb gehen, sagte Tata.
Bis dahin werde der Nano in einem bestehenden Werk in Pantnagar 250 Kilometer von Neu-Delhi gefertigt. Allerdings können dort laut Tata jährlich nur maximal 50 000 Autos hergestellt werden. Die geplante Kapazität der Fabrik in Gujarat liegt bei mindestens 250 000 Stück und kann auf eine halbe Million ausgebaut werden. Etliche deutsche Zulieferer, unter anderem Bosch, fertigen Teile für den Nano.
Beim Preis für den Nano will Tata Motors dagegen sein Versprechen halten. Das Basismodell wird trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens und gestiegener Kosten vorerst zu werbewirksamen 100 000 Rupien angeboten, das sind umgerechnet rund 1540 Euro (siehe Kasten). Firmenchef Ratan Tata hatte diesen Preis bereits vor sechs Jahren genannt, als er die Pläne für den Nano erstmals auf dem Genfer Autosalon vorstellte.
Er entspricht dem Dreifachen des durchschnittlichen Jahreseinkom-mens in Indien. Damit ist Tata Motors der erste Hersteller, der ein für breite Schichten in den Entwicklungsländern erschwingli-ches Auto baut. Wird der Nano ein Erfolg, dann hat das Unternehmen Automobilgeschichte geschrieben.
Ob die 100 000 Rupien allerdings dauerhaft Bestand haben werden, ist zweifelhaft. Tata-Chef Ratan Tata betonte, die Preisgarantie gelte nur für die erste Verkaufsphase. Sie läuft vom 9. bis 25. April. In dieser kurzen Zeit kann der Nano an 30 000 Verkaufsstellen in ganz Indien bestellt werden. Per Losverfahren werden anschließend 100 000 Interessenten ausgewählt, die den endgültigen Zuschlag erhalten.
Aber auch sie müssen sich gedulden. Denn ausgeliefert wird der Nano erst ab Juli. Und wegen der Kapazitätsengpässe des Werks in Pantnagar dürften viele Käufer erst 2010 ihr Auto bekommen. Tata riskiere mit diesem Vorgehen verärgerte Kunden, warnte Autoanalyst Ambrish Mishra von MF Global Sify Securities in Bombay.
Auch die finanziellen Risiken des Abenteuers Nano sind für Tata Motors enorm. Denn der Beweis steht noch immer aus, dass ein so billiges Auto profitabel produziert werden kann. Trotz mehrmaliger Nachfrage weigerte sich das Tata-Management gestern, Angaben zu den Kosten und den Gewinnerwartungen für den Nano zu machen. Das Auto sei ein sehr profitables Projekt, sagte Ratan Tata nur. Die Regel in der Branche ist allerdings, dass die Hersteller gerade bei Kleinwagen mit sehr geringen Margen kalkulieren.
Tata Motors ist hoch verschuldet und hat deshalb kaum Reserven für eine längere Verlustphase des Nano. Der Einbruch der Autoverkäufe in Indien während der vergangenen Monate hat das Unternehmen hart getroffen, da es stark im besonders schlecht laufenden Lkw-Geschäft engagiert ist. Zudem belastet Tata Motors die überwiegend kreditfinanzierte Übernahme der britischen Hersteller Jaguar und Landrover im vergangenen Jahr.
Laut einer Analyse der Citigroup liegt die Quote von Schulden zu Ebitda des Unternehmens bei einem beunruhigenden Wert von 7,1. Das ist schlechter als jeder andere indische Autohersteller. Das Verhältnis von Schulden zu Ei-genkapital bei Tata Motors werde im Geschäftsjahr 2010/11 bei 1,8 bis 1,9 liegen, prognostiziert Citigroup.
Wie groß der Liquiditätsbedarf von Tata Motors ist, zeigen die Regeln des Bestellverfahrens für den Nano. Ein Teil des Kaufpreises muss der Besteller sofort hinterlegen, obwohl nicht klar ist, ob er das Auto überhaupt bekommt. Hat er bei der Lotterie kein Glück, kann er seine Anzahlung Tata als Darlehen überlassen - zum Zinssatz von 8,5 Prozent. ----------- Man wird nicht reich, durch das, was man verdient, sondern durch das, was man nicht ausgibt
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