Warum die deutsche Stahlaktie im Kurs hinterherhinkt!
Deutschlands zweitgrößter Stahlhersteller Salzgitter profitierte in den letzten Jahren in besonderem Maße vom Stahlboom - und mit ihm die Aktionäre. Die Salzgitter-Aktie stieg von rund sechs Euro in 2003 bis auf 159 Euro im Hoch.
Doch Ende 2007/Anfang 2008 brach der langfristige saubere Aufwärtstrend. Seither hat die Volatilität extrem zugenommen und die Aktie hat unter dem Strich auf Jahressicht knapp 12 Prozent verloren. Woran liegt das?
Nun, im Gegensatz zu den genannten US-Unternehmen muss Salzgitter Eisenerz teuer am Markt einkaufen. Gleichzeitig häufen sich die Zweifel bei Analysten, ob es dem Unternehmen gelingt, die Preissteigerungen wie bisher an seine Abnehmer weiterzugeben.
Versuchen tun es die Mannen um Vorstandschef Wolfgang Leese auf jeden Fall. Ab Juli legt der Verkaufspreis je Tonne Stahl um 150 Euro zu. Die Frage ist nur, ob der Markt bereit ist, die Preiserhöhungen mitzugehen. Kurzfristig sind die Auswirkungen begrenzt, weil sowohl beim Flachstahl- als auch beim Röhrenstahlgeschäft mit längerfristigen Verträgen gearbeitet wird.
Hinzu kommt, dass vor allem im Röhrengeschäft die Preismacht sehr hoch ist. Denn hier verfügt man über zahlungskräftige Kunden aus dem Energiesektor, wo sich Infrastruktur-Investitionen (beispielsweise Pipeline-Projekte) auf Grund der hohen Energiepreise lohnen.
Schwierig könnte es dagegen mehr und mehr in Deutschland werden. Hier spricht zwar Citigroup-Analyst Johan U. Rode ebenfalls von anstehenden Infrastruktur-Investitionen und einer soliden Bautätigkeit. Die Inlandspreise erzielten sogar einen Aufschlag gegenüber den Exportpreisen. Doch gerade bei Infrastruktur-Investitionen könnten es hierzulande im Falle eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums Einschnitte geben.
Das ist wohl auch die Hauptsorge der Börsianer und der Grund dafür, warum der Aktie aktuell für 2008 und 2009 nur ein KGV von jeweils acht zugestanden wird.
*Trümpfe in der Hand
Außer Acht gelassen wird dabei, dass Salzgitter den einen oder anderen Trumpf in der Hinterhand hat. So erweist sich die Übernahme der Klöckner Werke, die unter anderem Getränkeabfüllanlagen herstellen, bisher als Volltreffer. Die jahrelang unter dem Dach von WCM defizitäre Firma konnte 2007 erstmals wieder in die Gewinnzone vorstoßen. Der Umsatz legte um 28 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zu, immerhin 50 Millionen Euro blieben unter dem Strich an Gewinn hängen.
Damit läuft die angestrebte Diversifikation gut an. Erklärtes Ziel von Salzgitter ist es, sich von der zyklischen Stahlbranche unabhängiger zu machen.
Trumpf Nummer zwei ist der Cashbestand, der bei 2,1 Milliarden Euro immerhin knapp 30 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung von 7,6 Milliarden Euro abdeckt. Leese hat auf der Hauptversammlung im Mai bereits angekündigt, dass durch weitere Übernahmen Lücken in der Wertschöpfungskette geschlossen und das Produktprogramm erweitert werden sollen.
Salzgitter kann so in dem durch die Megafusion Arcelor-Mittal eingeleiteten Konsolidierungsprozess in der Branche eine aktive Rolle spielen. Als Übernahmeopfer scheidet Salzgitter wegen der Sperrminorität des Landes Niedersachsens vorläufig aus.
Das hinderte den britischen Hedgefonds TCI allerdings nicht daran, die Beteiligung am M-DAX-Wert auf drei Prozent nach oben zu schrauben. TCI könnte zur kurzfristigen Profitmaximierung auf einen Aktienrückkauf und einer weiteren Sonderdividende drängen. Das könnte den Aktienkurs stützen.
*Ehrgeizige Wachstumsziele
Sollte Salzgitter seine ehrgeizigen Wachstumsziele tatsächlich erfüllen können, wären wesentlich höhere Kurse aber ohnehin nur eine Frage der Zeit: Bis 2010 soll der Umsatz von 10 Milliarden in 2007 bis auf 15 Milliarden Euro gesteigert werden.
Mögliche Übernahmen sind in diesen Schätzungen bereits berücksichtigt. Nicht zuletzt weil die Niedersachsen in der Vergangenheit bei der Integration von gekauften Unternehmen stets erfolgreich waren, liegen auch die Kursziele der Analysten überwiegend deutlich höher als der aktuelle Kurs.
Die Position des Oberbullen nimmt dabei der angesprochene Rode ein. Er sieht ein Kursziel von 200 Euro auf 12-Monats-Sicht. Daraus ergibt sich vom aktuellen Kurs aus immerhin ein Rendite-Potenzial von knapp 67 Prozent. Selbst der skeptische Jens Münstermann von Cheuvreux traut der Aktie mit einem Kursziel von 120 Euro immerhin noch eine Seitwärtsbewegung zu.
MEIN FAZIT:
- Entscheidend bei Stahlproduzenten wie Salzgitter ist ob die steigenden Rohstoffpreise an die eigenen Kunden weitergegeben werden können.
- Bei Salzgitter ergibt sich hier ein differenziertes Bild. Speziell im Röhrengeschäft ist die Preismacht relativ hoch, bei Flachstahl könnte es Probleme geben.
- Prinzipiell ist das Unternehmen eher für konservative Prognosen bekannt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die 2008er- und 2009er-KGVs von acht momentan attraktiv.
- Der hohe Cashbestand erhöht die Flexibilität des Unternehmens und lässt viele strategische Optionen für die Zukunft offen.
Geldanlage-Report
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