Deutsche stoßen Aktien ab von Elisabeth Atzler (Frankfurt)
Die deutschen Privatanleger wollen von Aktien nichts mehr wissen. Die Zahl der Aktionäre hat sich im ersten Halbjahr 2008 erneut verringert. Für Ostdeutschland gilt dieser Trend allerdings nicht: Dort kauften vermehrt Privatleute Anteilsscheine. Die Zahl der Aktionäre und Aktienfondsbesitzer sank von Januar bis Juni 2008 um 483.000 auf 9,83 Millionen. Das sei ein Viertel weniger als zum Höchststand 2001, teilte das Deutsche Aktieninstitut (DAI) am Dienstagmorgen mit. Damals besaßen knapp 12,85 Millionen deutsche Privatanleger direkt Aktien, Anteilsscheine sowie gemischte Fonds oder beides.
Dabei verkaufen die Deutschen vor allem ihren direkten Aktienbesitz. Laut DAI halten derzeit nur noch 2,18 Millionen Privatinvestoren unmittelbar Aktien. Im Jahr 2001 betrug die Zahl noch 3,09 Millionen. Das ist sogar weniger als im Jahr 1997. Auch die Zahl derjenigen, die in reine Aktienfonds anlegen, ging zurück. Aufholen konnten dagegen gemischte Fonds, die sowohl in Aktien als auch in andere Wertpapiere Geld stecken.
Deutsche sind Aktienmuffel
Schlechte Erinnerungen: Der Börsengang der Deutschen Telekom, beworben von Manfred KrugDer Trend zu weniger Aktionären hat in Deutschland 2002 durch den vorherigen Börsencrash eingesetzt. Er hat sich zuletzt zwar verlangsamt und konnte zwischenzeitlich sogar gestoppt werden - ausgerechnet vor einem Jahr und damit kurz vor dem Börseneinbruch nahm die Aktionärszahl leicht zu. Seitdem ist das Verhältnis der Deutschen zu Aktienbesitz zwiespältig. Zuletzt hätten die heftigen Kursverluste an den Börsen weltweit auch die Kleinanleger verschreckt, meinte das DAI.
Insgesamt sind die Deutschen skeptisch gegenüber Aktien. Derzeit besitzen nur 15,2 Prozent Aktien oder Anteile an Aktienfonds, was international ein relativ niedriges Niveau ist. Nicht enthalten sind in den DAI-Zahlen allerdings Zertifikate auf Aktien. Diese Art Inhaberschuldverschreibungen, mit denen auf Kursverläufe wetten kann, sind in Deutschland sehr beliebt.
Ob sich die Bewegung zu schwindendem Aktienbesitz umkehrt, ist fraglich. Viele Anleger haben sich mit Neue-Markt-Aktien die Finger verbrannt - der Börsenwert vieler kleiner Firmen war zwischen bis zum Einbruch 2001 drastisch aufgebläht. Auch mit dem als Volksaktie gefeierten Papier der Deutschen Telekom erlitten zahlreiche Privatleute Schiffbruch. Fraglich ist daher auch, ob die Privatanleger noch Gewinne einstreichen konnten, als sie sich zuletzt von Aktien trennten. Der deutsche Leitindex Dax zum Beispiel notiert etwa auf dem Niveau von vor zehn Jahren - ohne Inflationsausgleich.
Trend zu gemischten Fonds Geändert habe sich das Verhalten der Fondsbesitzer, ermittelte das DAI, das die Aktien emittierenden Unternehmen vertritt. So würden Privatanleger zunehmend gemischte Fonds, die ihrerseits in Aktien und andere Anlagen investieren, wählen und weniger reine Aktienfonds. "Vermutlich zeigt sich auf längere Sicht ein Wandel des Risikobewusstseins der Fondsanleger, die zunehmend ihr Vermögen in weniger riskante, langfristig aber auch geringer rentable Fondsvehikel umschichten", heißt es im DAI-Bericht. Die Experten führen diesen Trend auch auf die Abgeltungssteuer zurück: "Kurzfristig dürften ebenfalls die Reaktionen auf die drastische Verschlechterung des Aktienbesitzes durch die ab 2009 greifende Abgeltungsteuer eine Rolle spielen."
Die DAI-Erhebung zeigt einen großen regionalen Unterschied: In den neuen Bundesländern ist die Zahl der Aktionäre gestiegen. Sie kletterte auf 1,67 Millionen. Vor allem haben mehr Private in Aktienfonds investiert. Die Zahl der reinen Aktionäre sank jedoch auch hier deutlich.
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