Berlin (dpa) - Die Bundesländer haben vor dem Spitzentreffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Korrekturen am Atom- und Energiepaket gefordert. Die Zuständigkeiten beim Netzausbau sollen nach Ansicht des niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten McAllister zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden.
Der Bund sei nicht gut beraten, Höchstspannungstrassen selbst zu planen, sagte McAllister am Freitag im Deutschlandfunk. «Der Bund hat in diesem Thema bisher keine Erfahrung, keine Kompetenzen und kein Personal.»
Das Raumordnungsverfahren könnte auf den Bund übertragen werden, die Planfeststellungsverfahren sollten allerdings bei den Ländern verbleiben, schlug der CDU-Politiker vor. Merkel kommt am Nachmittag mit allen Ministerpräsidenten im Kanzleramt zusammen.
Besonders SPD- und grün regierte Länder sehen gerade beim Atomausstieg, etwa bei den Daten für die Abschaltung einzelner Meiler, Fragen offen. Die CSU in Bayern zeigte sich überrascht, dass nun doch Reststrommengenübertragungen von allen stillgelegten auf die neun noch laufenden Meiler möglich sein sollen. Das dürfte zu einer Ballung der AKW-Abschaltungen 2021 und 2022 führen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, forderte, den Atomausstieg bis 2022 im Grundgesetz zu verankern, damit es für alle Planungssicherheit gibt und der Ausstieg nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. «Dann würde der Energiekonsens zu einem echten Gesellschaftsvertrag, der nicht mehr einseitig gekündigt werden könnte», sagte er der «Berliner Zeitung». Über die Übertragbarkeit von Reststrommengen alter Meiler auf neuere wolle die SPD mit der Koalition «kritisch verhandeln».
Eine Studie des Öko-Instituts kommt zu dem Schluss, dass wegen der Strommengenübertragung die restlichen neun Meiler alle erst ab 2021 abgeschaltet werden dürften, was Gefahren für das Stromnetz berge.
In Regierungskreisen wird betont, dass es kaum möglich sei, auf diese schon beim rot-grünen Ausstieg vor zehn Jahren vereinbarte Methode zu verzichten. Streng genommen würde bei einer Streichung der einmal zugestandenen Strommengen in Eigentumsrechte eingegriffen.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sieht Kompromisschancen. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Beck, beide Seiten seien sich in den vergangenen Tagen ein Stück entgegengekommen. Notwendig sei eine gesetzliche Regelung, dass spätestens 2022 keine Kernenergie mehr produziert werden dürfe und bis 2020 mindestens 40 Prozent der Strommenge aus erneuerbaren Energiequellen kommen müssten. Die Regierung beharrt auf einem 35-Prozent-Ziel.
Es sei wichtig, nicht allein auf Windanlagen vor den Küsten zu setzen, sondern Anbietern von Ökostrom «eine Chance am Markt» zu verschaffen, sagte Beck. Eine «flächendeckende Energieerzeugung» in Deutschland dürfe in Zukunft nicht «von einigen wenigen Großanbietern» abhängen.
McAllister wies bei seinem Vorschlag einer Splittung von Zuständigkeiten auf das Beispiel Fernstraßenbau hin. «Der Bund setzt den Rahmen, der Bund formuliert die Ziele. Aber die Länder sind für die Detailplanung und Umsetzung zuständig» sagte er im ZDF- «Morgenmagazin». Das habe sich in Deutschland bewährt.
Die Verzögerung beim Netzausbau sei nicht auf ein Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern zurückzuführen, betonte McAllister im Deutschlandfunk. «Sondern hier geht es um andere Fragen.» Als Beispiel nannte er erheblichen Protest der Bürger, für die eine neue Form der Bürgerbeteiligung überlegt werden müsse. «Im übrigen haben auch die Netzbetreiber nicht immer dazu beigetragen, dass die Verfahren schnell abgewickelt wurden.»
Im Streit um Art und Weise des Ausbaus der erneuerbaren Energien deutete Niedersachsen ein Einlenken des Bundes an. Demnach könnte die Subventionierung von Windkraft an Land (Onshore) doch nicht wie geplant gekürzt werden. Viele Bundesländer fürchten eine zu starke Konzentration auf Windparks in Nord- und Ostsee (Offshore), hierfür soll die Vergütung auf mindestens 15 Cent pro Kilowattstunde steigen. «Die Onshore-Windenergie wird mit Blick auf den Atomausstieg eine der wichtigen Energieformen sein», sagte McAllister. Deshalb sollte die bisherige Förderung der Windenergie auch an Land beibehalten werden.