Der steigende Kurs des Schweizer Franken bringt vor allem die wichtige Schweizer Exportwirtschaft in Bedrängnis, weil er ihre Produkte für ausländische Auftraggeber teurer macht. Wer leidet noch unter der starken Währung? Gibt es auch Profiteure? Und: Wer könnte etwas tun?
Was heisst eigentlich starker Franken?
«Stark» bedeutet, dass der Wechselkurs des Frankens in den letzten zwei Jahren gegenüber anderen wichtigen Währungen angestiegen ist. Zugelegt hat der Franken insbesondere gegenüber dem Euro und dem US-Dollar. Kostete ein Euro Anfang 2010 noch fast 1,50 Franken, waren es Anfang August 2011 schon weniger als 1,10 Franken. Der Euro hat also gegenüber dem Franken gut einen Viertel seines Werts eingebüsst, der Franken hat im gleichen Masse gewonnen. Auch gegenüber dem US-Dollar hat der Franken stark zugelegt. Mitte 2010 kostete ein Dollar noch 1,05 Franken, ein Jahr später waren es noch 85 Rappen.
Ist ein starker Franken etwas Schlechtes?
Für Schweizer Firmen, die Güter und Dienstleistungen ins Ausland exportieren, ist ein starker Franken ein Wettbewerbsnachteil. Denn er verteuert Schweizer Produkte auf dem Weltmarkt. Für Schweizer Unternehmen heisst das oftmals, dass sie ihre Preise senken und schrumpfende Margen in Kauf nehmen müssen. Andernfalls riskieren sie, dass die ausländischen Kunden abspringen und auf billigere Konkurrenzprodukte wechseln.
Eine Studie der Konjunkturforschungsstelle KOF Zürich kam im Juni 2011 allerdings zum Schluss, dass der starke Franken der Schweizer Export-Industrie weniger schadet, als vielerorts beklagt wird. Denn viele Schweizer Unternehmen sind hochspezialisiert und in Nischenmärkten tätig. Sie können deshalb ihre Produkte auch dann verkaufen, wenn sie vergleichsweise teuer sind. Trotzdem gefährdet ein zu starker Franken beziehungsweise eine zu rasche Aufwertung mittel- bis langfristig Arbeitsplätze in der Schweiz.
Das befürchten nicht nur Branchenverbände der Exportindustrie, sondern auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Schweizerische Nationalbank. Denn das eine oder andere Unternehmen wird seine Produktion voraussichtlich ins billigere Ausland verlegen, falls der Höhenflug des Frankens noch lange anhalten sollte. Ähnlich wie die Exportfirmen leidet auch der Schweizer Tourismus unter dem teuren Franken. Denn verglichen mit 2009 zahlten Reisende aus dem Euro-Raum inzwischen rund 20 Prozent mehr für ihre Ferien in der Schweiz.
Gibt es auch Profiteure?
Wenn Herr und Frau Schweizer im Ausland Ferien machen oder auf Einkaufstourismus gehen, dann können sie sich über die billigen Preise freuen. Dank des starken Frankens können sie sich in Euroland oder im Dollar-Raum mehr leisten. Auch für das Preisniveau in der Schweiz ist der starke Franken von Vorteil.
Denn obwohl die Rohstoff-Preise auf dem Weltmarkt gestiegen sind, haben sie in Schweizer Franken gerechnet nur wenig zugelegt. Davon profitieren Unternehmen und Konsumenten. Allerdings würde noch mehr drin liegen. Denn bisher geben Importeure ihre Wechselkurs-Vorteile nur zögerlich an ihre Schweizer Kundschaft weiter, wie eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) im Juli 2011 zeigte.
Welche Folgen hat der starke Franken für Herrn und Frau Schweizer?
Wer in der Schweiz wohnt, seinen Lohn in Franken erhält und seine Einkäufe in Franken tätig, spürt auf den ersten Blick nichts vom starken Franken. Erst wer im Ausland einkauft oder dort Ferien macht, stellt fest, dass der Franken deutlich mehr wert ist als noch vor zwei Jahren.
Zudem wären viele Importgüter - beispielsweise Benzin - in den letzten Jahren deutlich teurer geworden. Denn in Dollar gerechnet, haben Rohstoffpreise in den letzten Jahren stark angezogen. Der starke Franken mildert diesen Preisanstieg.
Warum ist der Franken zurzeit so stark?
In unruhigen Zeiten dient der Franken Investoren rund um den Globus immer wieder als «sicherer Hafen». Sie bringen jeweils ihr Geld in die Schweiz beziehungsweise legen es in Schweizer Franken an, wenn sie befürchten, dass ihre eigene Währung an Wert verlieren könnte. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise spielte dieser Effekt einmal mehr, zusätzlich verstärkt durch die europäische Schuldenkrise.
Während die meisten Euro-Länder unter hohen Schuldenbergen leiden, schreibt der Schweizer Staatshaushalt schwarze Zahlen. Entsprechend solid und damit attraktiv wirkt die Schweiz auf reiche Investoren aus dem Ausland. Viele von ihnen parkieren deshalb gerne einen Teil ihres Vermögens in Schweizer Franken. Die starke internationale Nachfrage nach Franken treibt den Wechselkurs in die Höhe.
Kann man etwas gegen die Frankenstärke tun?
Die Schweizer Nationalbank hat Anfang August 2011 Schritte gegen die Aufwertung des Franken eingeleitet. Sie senkte zum einen die Zinsen und sorgte zum anderen dafür, dass mehr Franken in den Markt gelangten.
Die SNB hatte bereits zuvor versucht, die Aufwertungsbewegung zu bremsen. 2009 und 2010 hatte sie eine grosse Menge Euro gekauft - allerdings mit geringem Erfolg. Der Franken gewann seither weiter an Wert. Gleichzeitig verloren die grossen Euro-Bestände, auf denen die Nationalbank nun sitzt, deutlich an Wert und bescherten den Frankenhütern Milliardenverluste und viel Kritik.
Diese Erfahrung hat einmal mehr gezeigt, dass die Nationalbank wenig ausrichten kann, wenn der «Sichere-Hafen-Effekt» zu spielen beginnt. Die Exportwirtschaft, Politikerinnen und Politiker und die Gewerkschaften haben deshalb immer wieder vom Bundesrat verlangt, Massnahmen zu ergreifen gegen die akute Frankenstärke.
Gefordert wurde unter anderem eine Anbindung des Frankens an den Euro. Eine solche Koppelung hätte allerdings den gravierenden Nachteil, dass dann auch die Schweizer Zinsen auf das europäische Niveau steigen würden. Deshalb wird dieser Vorschlag von links bis rechts mehrheitlich abgelehnt.
Bislang allerdings weigert sich der Bundesrat, etwas gegen die Aufwertung der Landeswährung zu unternehmen. (ank/widb)
http://www.drs.ch/www/de/drs/tagesthema/286999/...-und-antworten.html