Mehr Kapital auf StaatskostenDie daraus für den Steuerzahler anfallende Rechnung beträgt nach den letzten verfügbaren Schätzungen gesalzene 46 Mrd. € (vgl. Tabelle). Das dürfte eine provisorische Zahl sein, die möglicherweise bereits am kommenden Montag nach oben korrigiert werden wird. Die irische Regierung hat schon durchblicken lassen, dass sie die vorgeschriebenen Eigenmittel für Banken von 8% auf 12% erhöhen will. Der dadurch nochmals steigende Eigenmittelbedarf wird wohl nur über staatliche Kapitalspritzen gedeckt werden können. Dass sich private Anleger an einer Kapitalerhöhung beteiligen könnten, darf man derzeit wohl ausschliessen. Die Rechnung für den Staat könnte daher nochmals um einige Milliarden Euro höher ausfallen und die Schwelle von einem Drittel des BIP übersteigen. Immerhin dürfte nicht alles verlorenes Geld sein. Denn im Gegenzug zu diesen Kapitaleinlagen dürften die wichtigsten Banken des Landes schon bald weitgehend in Staatsbesitz liegen. Bei der Anglo Irish Bank und der Irish Nationwide Building Society ist dies bereits der Fall, bei der Allied Irish Bank soll der Staatsanteil demnächst auf fast 100% steigen, und bei der Bank of Ireland dürfte die Staatsquote 50% wohl ebenfalls locker übertreffen. Die effektiven Kosten für den Staat werden erst ermessen werden können, wenn diese Institute dereinst wieder an den Privatsektor verkauft werden können. So günstig wie in den USA, wo Rekapitalisierungen von Banken mit einem Gewinn für den Staat endeten, dürfte das Ergebnis in Irland allerdings nicht ausfallen. Das Gewinnpotenzial irischer Banken gilt als beschränkt. Viele der ausstehenden und sehr lang laufenden Hypotheken sind beispielsweise zu Zinssätzen vergeben, die niedriger sind, als was die Banken für ihre Fremdfinanzierung zu bezahlen haben. Das wird ebenso auf die Rentabilität drücken wie die Aussicht, dass die Kreditnachfrage in Irland in den nächsten Jahren kaum wachsen wird. Soll die Rentabilität der Banken deutlich gesteigert werden, muss wohl auf der Kostenseite das Messer angesetzt werden. Der Finanzminister hat dies schon durchblicken lassen. Das bedeutet im Klartext den Abbau von Personal und Filialen, Fusionen und andere Neuordnungen zwischen Banken im Staatsbesitz. «Bad Bank» namens NamaDer irische Staat hat bisher aber nicht nur Banken rekapitalisiert, sondern er hat auch damit begonnen, Massnahmen zur Bereinigung ihrer Vermögenswerte zu treffen. Dazu ist Anfang 2010 die National Asset Management Agency (Nama) gegründet worden. Ihre Aufgabe ist es, Kredite der Banken im Bereich des kommerziellen Baus zu übernehmen. Ähnliches hatte in den USA der damalige Finanzminister Henry Paulson ursprünglich geplant, allerdings nicht bei Darlehen, sondern bei Wertpapieren mit unsicherem Wert. In Amerika konnte jedoch das Problem der Preisgestaltung nicht gelöst werden, und man optierte deshalb direkt für Eigenkapitalspritzen. Auch in Irland gab der Wert, zu dem die Nama den Banken Darlehen abkaufen würde, viel zu reden. Ursprünglich war davon die Rede, dies zum Nominalwert der Kreditausstände zu tun. Davon wurde nicht zuletzt auf Druck der EU Abstand genommen, die darin eine versteckte Subvention für Banken sah. Später war von einem «haircut» von 30% die Rede. Transfers zum MarktwertMittlerweile ist man zur Lösung gelangt, dass jedes Darlehen einzeln geprüft wird, um es sozusagen zum Marktwert zu transferieren. Der Nama-Chairman Frank Daly erklärte vergangene Woche, seine Agentur habe bis jetzt über 53 Mrd. € an Darlehen übernommen und dafür den fünf involvierten Banken 23 Mrd. € bezahlt. Das läuft auf einen durchschnittlichen Einschlag von 56% hinaus. Bis Ende Januar sollen weitere 20 Mrd. € an Darlehen ins Nama-Portefeuille übergehen, diesmal gar mit einem «haircut» von etwa 65%. Mit anderen Worten werden die Banken bei dieser Übung Abschreibungen von 43 Mrd. € vornehmen müssen. Der Nama-Prozess hat zur Folge, dass diese Verluste bereits heute ausgewiesen werden müssen; die Banken können sie nicht einfach vor sich herschieben. Im Gegenzug sind die Banken 11 000 Darlehen mit unsicherem Wert los, was ihre Fähigkeit zur Mittelbeschaffung etwa auf dem Interbankenmarkt erheblich verbessern sollte. Der hohe Verlust ist ein Beleg dafür, wie unvorsichtig die Banken bei der Vergabe von Krediten im kommerziellen Immobilienbereich gewesen waren. Anderseits haben die kräftigen Abschläge auf den Forderungen bei der Nama zur Folge, dass diese keine nennenswerten Verluste erleiden sollte. Bei den übernommenen Darlehen werden im Wesentlichen zwei Routen verfolgt. Entweder wird mit dem Schuldner ein Rückzahlungsplan im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten vereinbart, oder die Sicherheiten werden verwertet. Diese bestehen aus Bauland, begonnenen Bauten (die Nama wird diese beenden, falls dies wirtschaftlich sinnvoll ist), und auch fertig erstellte Objekte können veräussert werden. Wie auch immer die Darlehen von der Nama weiter bewirtschaftet werden, die Kreditnehmer sind ihr weiterhin den gesamten Betrag schuldig. Die staatliche Verwertungsgesellschaft hat bereits angekündigt, sie werde auch auf aggressive Weise auf das Privatvermögen der Schuldner zugreifen, falls solches noch vorhanden sei. Insgesamt rechnet die «Bad Bank» mit einem Zeitbedarf für die Abwicklung der Darlehen von zwischen sieben und zehn Jahren. Zeitbombe bei HypothekenMit der Tätigkeit der Nama werden aber nur die Probleme bei kommerziellen Immobilien neutralisiert. Ein weiteres Verlustpotenzial unbestimmten Ausmasses schlummert jedoch in Hypotheken auf Wohnbauten. Bei ihnen verschlechtert sich die Kreditqualität ebenfalls zusehends. Gemäss jüngsten Angaben der irischen Zentralbank waren Ende September 5,1% aller Hypotheken mit mehr als 90 Tagen im Zahlungsrückstand; Ende Juni waren es noch 4,6% gewesen. Hypotheken, die mindestens während 180 Tagen nicht mehr bedient worden waren, erreichten einen Anteil von 3,6%. Letztere Kategorie betrifft vor allem Objekte, die vermietet werden, weil dort mehr Spekulation im Spiel war als beim Kauf von Wohneigentum zum Eigengebrauch. Aber auch bei Letzteren nehmen die Zahlungsrückstände zu: Das hat einerseits mit der angespannten Einkommenssituation der Haushalte zu tun, primär wegen der stark gestiegenen Arbeitslosigkeit, die derzeit bei gut 14% steht; vor wenigen Jahren hatte die Arbeitslosenquote noch zwischen 4% und 5% gelegen. Die Regierung rechnet nur mit einem langsamen Rückgang bei den Erwerbslosen. Ein weiteres Problem sind anderseits die stark gefallenen Preise, die auch in Irland den Wert vieler Eigenheime unter die darauf lastenden Hypothekarschulden gedrückt haben. Laut Schätzungen ist jede achte Hypothek davon betroffen. Zwar ist die Praxis des bewussten Defaults noch nicht so verbreitet wie in den USA, aber dass Leute das Haus lieber der Bank überlassen, als weiterhin Zinsen auf der Hypothek zu bezahlen, ist auch in Irland nicht völlig unbekannt. Vor allem Leute, die auswandern, um andernorts Arbeit zu finden – das hat in Irland seit vielen Jahrzehnten Tradition –, könnten versucht sein, sich so der Schulden zu entledigen. Von den beiden grössten Retail-Banken hat die Bank of Ireland Hypotheken im Umfang von 59 Mrd. € ausstehend, die Allied Irish Bank immerhin 33 Mrd. €. Insgesamt sind es gemäss der Zentralbankstatistik gut 100 Mrd. €. Man kann sich leicht ausrechnen, dass hier nochmals ein paar Milliarden an Verlusten auf die Banken zukommen könnten, zumal die Immobilienpreise immer noch am Fallen sind. Kollektives VersagenAngesichts des riesigen Schadens für die Banken und das gesamte Staatswesen stellt sich die Frage, wie es so weit hat kommen können. Es gilt als unbestritten, dass die Bankaufsicht in Irland versagt hat. Sie hatte seit längerem als vergleichsweise sehr lax gegolten. Es dürfte auch eine weitgehende Gewissheit darüber geben, dass bei einigen Banken Verhaltensweisen gefrönt wurde, die ans Kriminelle grenzten. Letztlich muss aber wohl von einem kollektiven Versagen gesprochen werden, denn warnende Stimmen hatte es nur ganz wenige gegeben. Die Banken lebten in der Immobilienblase blendend, die Politiker freuten sich über hohe Steuereingänge aus dem Immobilien- und Finanzsektor. Doch erwarben viele Bürger Wohneigentum, das sie sich nicht leisten konnten. Büssen für die Exzesse müssen nun alle.
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