ct19/2000 boersenmanipulation

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49 Postings, 8688 Tage scalperct19/2000 boersenmanipulation

hallo,

wie schon hier
http://blau.ariva.de/cgi-bin/f_anz.pl?a=nm&nr=41523&510
angekuendigt, kommt nun der artikel aus der ct nr.19/2000 vom heise-verlag.
das ist sehr viel text (ausdrucken und zu hause lesen, am bildschirm ist so etwas unverdaulich!)

wenn wortfehler drin sind, liegt das an meiner dummen ocr-software.

gruss, sc.
(wenn das wieder mal "falscher filter" ist, dann sagt mir,
wo ich den hintun sollte!)

---- schnipp, hier nun der artikel ----

c't Heft 19/2000
Autor: Michael Wilde
Artikel: Pump & Dump
Manipulationen und Ungereimtheiten rund um die Börse

Dass die Börse auch zur Geldwäsche herhalten muss, durfte den meisten Anlegern bekannt sein. Wie gerissen Betrüger und Lobbyisten vorgehen, um den Kurs wertloser Papiere in die Höhe zu treiben, verblüfft manchmal sogar die Profis. Dabei ist es oft schwer, die Grenzen zwischen krimineller Energie, Fahrlässigkeit und Unfähigkeit zu ziehen.

Die  menschliche  Psyche macht es den Betrügern leicht. unerfahrenen  Anlegern  die mühsam ersparten Rücklagen abzuknöpfen. Beim Handel an der Börse ist der Mensch zwischen Angst und Gier hin- und hergerissen. Gelingt es beispielsweise so genannten Stock-Promotern. die Gier ihrer Opfer zu schüren, naht das Unheil für den Anleger. Sehr oft will er am Ende gar nicht wahrhaben. dass er tatsächlich betrogen wurde. Er bucht die Verluste liebend gern auf das Konto eigene Unfähigkeit und Unerfahrenheit
Das bekannteste Schema. um aus manipulierten Aktienkursen Profit zu ziehen. nennt sich Pump & Dump  (aufpumpen und abstoßen. Wie die meisten Manipulationsmethoden funktioniert es am besten mit unbekannten kleinen Firmen. die nur eine geringe Marktkapitalisierung besitzen und über die möglichst wenig Informationen verfügbar sind. Das Unternehmen ahnt oft selbst nichts von den Gründen. die zu Kurssteigerungen und anschließendem Rückgang führen.
Das Internet nimmt mittlerweile eine zentrale Rolle beim Manipulieren der Aktienkurse ein. weil hier mit geringem Aufwand unzählige Anleger zu erreichen sind. die dieses Medium als Informationsquelle nutzen. Und so bedienen sich die StockPromoter der Chat-Räume und Web-Boards. um Lügen. Halbwahrheiten und Gerüchte unter das Volk zu bringen.
Pomp & Dump funktioniert in drei Phasen: In der ersten kauft der Betrüger (es können auch ganze Teams sein) größere Stückzahlen der Aktie, deren Preis er anschließend hochtreiben will. Die Käufe wird er möglichst unauffällig durchführen. sodass er auf keinen Fall den Preis von sich aus beeinflusst.
In der nächsten Stufe setzt er seine eigene PR-Maschinerie in Gang. Er wird Gerüchte streuen, die große Gewinnaussichten versprechen, aber keinen realen Hintergrund haben. Er wird beispielsweise als Analyst auftreten
und das Unternehmen hei jeder Gelegenheit zum Kauf empfehlen. Beim Versuch, den Preis der Aktien in die Höhe zu treiben. sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Der Promoter muss nur aufpassen. dass seine Lügen nicht zu früh auffliegen, denn spätestens zu diesem Zeitpunkt wird der Aktienkurs in sich zusammenbrechen beziehungsweise auf den Wert vor Beginn der Manipulationen fallen.
Läuft alles nach Plan. verkauft der Betrüger praktisch zum Höhepunkt der künstlich erzeugten Spekulationsblase mit hohem Gewinn und macht sich (zumindest virtuell) aus dem Staub. Zurück bleiben geprellte Anleger. die sogar lange Zeit nach dem Ende des Betrugs nicht wahrhaben wollen. dass sie das Opfer einer von langer Hand vorbereiteten Manipulation geworden sind. Sie glauben oft noch an die rosigen Zukunftsaussichten des Unternehmens, das ihnen wärmstens empfohlen wurde, nachdem alle Fakten auf dem Tisch liegen, die beweisen, dass hier ausschließlich manipuliert wurde.

Gefälscht
Die Kunst der Manipulation besteht darin, die falschen Behauptungen so zu präsentieren, dass sie möglichst glaubwürdig wirken. Heute würde niemand mehr eine Aktie kaufen, nur weil ein wildfremder User in einem Börsen-Board zum Kauf auffordert. Er muss Beweise liefern. Und hier wird hemmungslos gefälscht. Da tauchen zum Beispiel Kopien von Pressemitteilungen auf, die kaum vom Original zu unterscheiden sind. aber einen zehnfachen Gewinn ausweisen.
Viele deutsche Privatanleger haben Probleme, solche Manipulationen zu erkennen, wenn sie US-amerikanische Unternehmen betreffen. Die Sprachkenntnisse reichen oft nicht aus, um die Feinheiten in einem englischsprachigen  Pressetext zu erfassen. Darüber hinaus neigen bekanntlich auch die Originalveröffentlichungen  eher zum Verschleiern unbequemer Tatsachen. Bei kleineren Firmen erhält man überhaupt keine Informationen über die Finanzlage. vor allem wenn die Agenturen nicht über diese Unternehmen berichten.
Da sich die User durchaus bewusst darüber sind. dass viele Informationen im Internet gefälscht sein könnten, lassen sie sich inzwischen nicht mehr nur mit Kopien abspeisen, sondern beharren auf Originalen. Aber selbst diese lassen sich fälschen. Taucht der Beweis einer Behauptung auf der Website einer der angesehenen Finanzblätter oder Wirtschaftsagenturen auf, dann akzeptiert sie wohl jeder.
In einer der wohl frechsten Gaunereien der letzten Zeit präsentierte ein Angestellter der kalifornischen Firma Pairgain Technologies nicht nur eine gefälschte Pressemitteilung zu einer angeblichen Übernahme seiner Firma durch ein israelisches Unternehmen, sondern platzierte diese auf einer Website. die nahezu identisch mit der der angesehenen amerikanischen Agentur Bloomberg war. In einem der best besuchten WebMessage-Boards bei Yahoo! wies er auf den angeblich bevorstehenden Kauf hin und fügte als Beweis einen Link an, der angeblich zu Bloomberg führte. Wer diesen Link anklinkte, gelangte zu einer Website, die nur durch eine Kleinigkeit vom Original zu unterscheiden war: Statt einer Klartext-URL sah man jedoch nur die IP-Nummer des Servers bei einem der unzähligen Web-Space-Provider. Die Website erweckte trotzdem Vertrauen, weil alle Links zu Bloomberg funktionierten, und es auch unter normalen Umständen immer wieder vorkommt, dass Links einfach aus IP-Nummern bestehen.
Kurz nach der Veröffentlichung der gefälschten Meldung, stieg der Kurs von Pairgain um 31 Prozent, fiel aber schnell wieder auf den Ausgangswert zurück, nachdem die Fälschung aufgedeckt worden war. So pfiffig der Betrug im Ansatz war, so stümperhaft erfolgte die Ausführung. Nach der Durchsicht einiger Log-Files hatte das FBI den Täter innerhalb von wenigen Tagen aufgespürt. Zusätzlich zu 93 000 Dollar Schadensersatz wurde er von einem Gericht zu fünf Monaten Hausarrest verurteilt.
Wie schnell die Internet-User auf das Glatteis zu führen sind, zeigt ein anderer Betrug, der zwar nichts mit der Finanzwelt zu tun hat, aber die Gefahren selbst kleiner Unachtsamkeiten im Web zeigt. Wer bis Mitte letzten Jahres eine US-Domain online registrieren wollte und dabei statt der gültigen URL www.internic.net die Adresse www.internic.com eingab, war schnell 150 Dollar zusätzlich los. Ein australisches Unternehmen hatte diese URL eingerichtet, die wohl zu den beliebtesten Tippfehlern gehört, und erhob für eine US-Domain statt der üblichen Zwei-Jahres-Gebühr von 100 stolze 250 Dollar. Es reichte 100 Dollar an das offizielle Registrierungsunternehmen Network Solutions in den USA weiter und steckte den Differenzbetrag in die eigene Tasche. Bis die australischen und amerikanischen Behörden diesen Unfug stoppten, gab es bereits 12000 Geschädigte. Ein Beleg dafür, wie einfach es manche Betrüger haben, und ein Ansporn für den Nutzer, selbst
kleineren Unregelmäßigkeit auf den Grund zu gehen.

Fingiert
Es ist also sehr ratsam, äußerst misstrauisch zu bleiben und nicht auf den schönen Schein hereinzufallen. Wenn beispielsweise ein angeblich unabhängiges Analystenhaus, von dem man noch nie etwas gehört hat, Anlagetipps gibt, sollte man sich zuvor versichern, dass nicht schon dieses Beratungsunternehmen einen Schwindel darstellt.
So wurde im April in den USA ein Betrüger angeklagt, der zuvor diverse Finanzanalysen über ein eigens gegründetes Beratungsunternehmen veröffentlicht hatte. Dieses gab sich den Anschein eines grundsoliden Marktforschungsunternehmens. Die fingierten Berichte zu einem bestimmten Internet-Unternehmen kamen alle zu dem Ergebnis, dass dieser Wert extrem unterbewertet sei. Um seine Unabhängigkeit zu betonen, behauptete der Verfasser, dass er keine Aktien des untersuchten Unternehmens besäße.
Die Börsenaufsicht konnte ihm jedoch nachweisen, dass er über eine andere Firma insgesamt 177 000 Aktien gekauft und später mit immensem Gewinn wieder veräußert hatte. Immerhin war es dem angeblichen Analysten, der im Hauptberuf in der Forstwirtschaft tätig war, gelungen, den Aktienkurs innerhalb von knapp zwei Wochen von 1,39 auf 21,88 US-Dollar zu treiben. Er machte dabei einen Gewinn von 1,4 Millionen Dollar. Wie abwegig seine Analysen waren, zeigte sich, als das gepuschte Unternehmen wenige Wochen nach Anklageerhebung mitteilen musste, dass es kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehe. Inzwischen ist es vom Kurszettel verschwunden.
Die US-Börsenaufsicht gibt sich sehr rührig und präsentiert einen Erfolg nach dem anderen. Wie tief der Sumpf aus Manipulation, Bestechung, Betrug, Erpressung bis hin zur Anstiftung zum Mord im Umfeld der Börsen geht, zeigte die bisher
spektakulärste Anklage, die im Juni 120 US-Bürger auf einen Schlag traf. Darunter befanden sich Mitglieder der fünf bekanntesten New Yorker MafiaFamilien, rund 60 Börsennank1er, ein Investmentberater sowie
30 Unternehmensvertreter. Laut Staatsanwaltschaft haben sie zusammen einen finanziellen Schaden von rund 50 Millionen Dollar zu verantworten, indem sie eine Verschwörung zu Lasten der Anleger bildeten. Die Untersuchungen dauerten immerhin fünf Jahre und bezogen sich auch auf den missbräuchlichen Einsatz des Internet. Die Angeklagten zogen alle Register, bis hin zu Massen-E-Mails, in denen sie Aktien mit falschen Behauptungen anpriesen.

Getäuscht
Deutschland hinkt dagegen nicht nur bei der Aktienkultur, sondern offensichtlich auch hei der Kontrolle der Märkte hinterher. Bis vor einigen Monaten konnte man den Eindruck gewinnen, es gäbe in Deutschland gar keine Börsenaufsicht, weil diese im Unterschied zu den amerikanischen Kollegen nur selten in Erscheinung trat. Das hat sich inzwischen etwas geändert. Obwohl die Warnung des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe) im Juni vor Aktienmanipulationen im Internet von einigen Usern noch belächelt wurde, lässt sich durchaus ein Einfluss feststellen. In den einschlägigen deutschen Message-Boards scheinen die Beiträge deutlich zurückzugehen, die offensichtlich grobe Lügen enthalten.
Der Gesetzgeber stellt Täuschung und unrichtige Angaben unter Strafe, die den Wert einer Aktie beeinflussen können. Obwohl die Rechtslage eindeutig ist, fällt es offenbar sehr schwer,
die Grenze zwischen begeisterten Anlegern, die einfach nur über das Ziel hinausschießen, und professionellen Betrügern zu ziehen, die geplant handeln.
Ohne weiter auf die juristischen Hintergrunde einzugehen, möchten wir einige Bereiche ansprechen, die immer wieder in die Kritik geraten, ohne dass es gleich zu Prozessen kommt. Der Anleger sollte sich allerdings fragen, wie weit er Personen und Institutionen trauen kann, deren Motive teilweise im Dunklen liegen. Schwerpunkte sind die Internet-Gurus, Analystenhäuser, Medien und die Unternehmen selbst.
Im Internet tummeln sich unzählige selbst ernannte Gurus, die als Frontrunner ihren Anhängern Tipps zu angeblich unterbewerteten Aktien geben.
         ·§Haben sie genügend Gefolgsleute zusammen, so können sie die Aktienkurse praktisch jedes kleineren Unternehmens mit einem Kaufaufruf in die Höhe treiben. Selbstverständlich haben sie sich zuvor selbst billig eingekauft und stoßen ihre Papiere während des Runs unter anderem an die eigenen Anhänger ab. In den meisten Fällen ist das Spiel nach wenigen Tagen gelaufen und der Guru hat einen guten Gewinn gemacht.
Die Verluste tragen die uninformierten Anleger, die entweder überhaupt nichts davon wussten, dass der Kursanstieg künstlich provoziert wurde, oder zu spät abgesprungen sind. Im Internet gilt das geflügelte Wort ,Den letzten beißen die Hunde' mittlerweile nicht mehr als Ausdruck des Bedauerns, sondern stellt eine Verhöhnung desjenigen dar, der von Zockern über den Tisch gezogen wurde. Die
         ·§Community betrachtet jemanden, der verliert, als Dummkopf und nicht als Opfer. Dabei dürften die wenigsten Zocker in dem Maß auf ihre Kosten kommen wie die Frontrunner selbst.
Der wohl bekannteste unter ihnen gibt offen zu, dass er beträchtliche Beträge einnimmt, wenn einer seiner Tipps zum Höhenflug ansetzt. Yun SOO Oh Park, Ex-Restaurant-Besitzer und jetziger Betreiber der Website ,Tokyo Joe's Societe Anonyme' machte im letzten Jahr allein beim Run von ,Information Management Associates' einen Gewinn von über 250000 Dollar. Gegen einen monatlichen Beitrag von bis zu 200 Dollar versorgt Tokyo Joe seine Mitglieder mit täglichen Aktientipps und ermöglicht ihnen die Kontaktaufnahme in einem eigenen Chat-Raum.
Innerhalb von zwei Jahren hat er nach eigenen Angaben 10 Millionen Dollar über Mitgliedsbeiträge und Aktientransaktionen verdient. Die Beiträge könnten ihm jedoch zum Verhängnis werden. Die US-Börsenaufsicht und ein US-Gericht werten seine Tätigkeit grundsätzlich als die eines Finanzberaters.  Dieser muss bei der Aufsichtsbehörde registriert sein, seine eigenen Interessen offen legen und unterliegt regelmäßigen Kontrollen.
Auf das alles würden Tokyo Joe und seine unzähligen Kollegen im Web gern verzichten. Er sieht sich daher auch lieber als Herausgeber eines Newsletters und beruft sich auf das amerikanische Recht der Redefreiheit. Auch seien sich seine Mitglieder durchaus bewusst, dass er von seinen Tipps profitieren will. In einer E-Mail schrieb er an seine Kunden: ,Ich werde vor euch kaufen, in eure Gier hinein verkaufen und euch jedes Mal Geld abnehmen.' (I will buy before you, I will sell into your greed, and take your money, every single time.) Nicht immer liegen die Motive so klar auf der Hand.

Übertrieben
Viel Rätselraten herrscht dagegen bei den Anlegern über die Motive, die zu Empfehlungen der Analysten und BrokerHäuser führen. Diverse Daytrader und Zocker sind inzwischen der Meinung, man müsse
nur das Gegenteil der Analystenempfehlungen tun. Wird eine Aktie heraufgestuft, sollte man sie verkaufen und umgekehrt. Dummerweise zeigt diese Vorgehensweise auf die Dauer auch nicht den gewünschten Erfolg.
Einige Trader äußern den Verdacht, dass Aktien immer dann  heraufgestuft  werden, wenn ein großer Kunde verkaufen will. Will er billig einsteigen, wird sie zunächst schlecht gemacht. Und tatsächlich treten die Broker ganz offen als Händler von Aktien auf, die sie selbst in aller Öffentlichkeit bewerten. So kann man fast täglich beobachten, wie das Broker-Haus, das eine Aktie herabgestuft hat, im Markt fleißig kauft.
Der Wettbewerb untereinander treibt die hoch bezahlten Analysten inzwischen zu fast grotesken Aktionen. Im April sorgte der bis dahin völlig unbekannte Thomas- Bock, der gerade seinen Job bei S.G. Cowen angetreten hatte, für Aufsehen an der Wallstreet. Der Junganalyst des zum angesehenen französischen Bankhaus Societe Generale gehörendem Investmenthauses verpasste dem englischen lnternet-Auktionshaus QXL.com ein Kursziel von 1000 Dollar. Dieses sollte das seiner Meinung nach innerhalb von zwei Jahren erreicht sein. Als die Meldung über die Ticker lief, notierte die Aktie gerade bei rund 25 Dollar. Ein Kursziel eines seriösen Investmenthauses, das 4000 Prozent über dem aktuellen Kurs lag, hatte es bis dahin noch nicht gegeben.
Doch der 28-jährige Bock musste einiges relativieren. Zunächst hatte er sich nicht allzu sehr in die Tiefen eingehender Finanzanalysen begeben, wie er im Börsensender CNBC offen zugab, sondern bediente sich eines simplen Vergleichs. Wenn es QXL gelingen sollte, in Europa eine ähnliche Position einzunehmen, wie sie Ebay in den USA inne habe, dann seien auch die Marktkapitalisierungen vergleichbar. Doch diese an sich
schon sehr abenteuerliche Prognose hätte nicht zu einem Kursziel von 1000 Dollar geführt. Er hatte sein Kursziel jedoch bereits am Abend vor einem Aktiensplit von 1:3 veröffentlicht. Genau genommen hätte es damit am nächsten Tag 333 Dollar lauten müssen, was die Agenturen natürlich übersahen.
Die Meldung verfehlte ihre Wirkung natürlich nicht. Der Aktienkurs stieg innerhalb einer Stunde bei hektischem Handel auf fast 120 Dollar, um dann praktisch ohne Unterbrechung zu fallen. Ob dieser Höchstkurs so schnell wieder erreicht wird, dürfte bei einer aktuellen Notierung von vier bis fünf Dollar durchaus fraglich sein. Natürlich entbrannte im Internet eine rege Diskussion, ob QXL überhaupt eine Chance habe, in Europa eine ähnlich dominante Position einzunehmen wie Ebay in den Staaten. Gerade als das Unternehmen durch den Kauf des deutschen Auktionshauses Ricardo.de seinem Ziel ein gutes Stück näher gekommen war, machte S.G. Cowen die Hoffnungen der verbliebenen Anleger zunichte. Der Broker stufte QXL von der höchsten Bewertung (Strong Buy auf Neutral herab. Dieses kommt bei Internet-Unternehmen einer Verkaufsempfehlung gleich.

Ungeprüft
Auf den Rat von windigen Internet-Gurus und in der Allgemeinheit unbekannten Analysten wird der unerfahrene Anlege möglicherweise ohnehin nicht hören und sich vertrauensv6 dem Rat der Spezialisten in & deutschen Medien anschließe Wer hier allerdings auf eine vol ständige Unabhängigkeit hof dürfte in einigen Fällen auch ei täuscht werden. Journalisten dürfen keine Profite aus ihrem Insider-Wissen schlagen und Aktien in ihrem privaten Portfolio nicht durch eine positive Berichterstattung beeinflussen.
Anfang April nahm der Gründungschefredakteur von ,Focus Money', Michael Schumacher, nur wenige Wochen nach der Erstausgabe seinen Hut. Auslöser waren Veröffentlichungen des Erzkonkurrenten Spiegel, der die berufliche Tätigkeit von Claudia Schumacher, der Frau des Focus-Money-Machers, zum Inhalt hatten. Als Chefin einer PR-Agentur hätte sie Unternehmen beraten, für die ihr Mann in seiner Zeitschrift möglicherweise Empfehlungen aussprechen könnte. Der Konflikt war offenbar.
Auch in anderen Fällen haben die Selbstreinigungskräfte der Medien zumindest im Ansatz funktioniert. Allerdings scheint sich noch nicht jeder Journalist über seine besondere Verantwortung bewusst zu sein.
Eine besondere Verantwortung erwartet der Anleger auch von den Banken. Zu ihren Aufgaben gehört es zu bewerten, ob ein Unternehmen überhaupt für die Börse geeignet ist. Da üppige Provisionen allerdings nur im Erfolgsfall fließen, fällt die Überprüfung allzu oft sehr lasch aus. So spricht die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) inzwischen von einer katastrophalen Emissionsqualität. Dabei würden Kleinanleger besonders am Neuen Markt über den Tisch gezogen. Die Zahlen sprechen für sich: Nur knapp die Hälfte der in diesem Jahr an den Neuen Markt aufgenommen Firmen notiere über dem Ausgabekurs. Der Anleger solle daher nicht blind auf den guten Namen der den Börsengang begleitenden Banken Vertrauen, sondern selbst recherchieren.
Doch dieses Vorhaben scheiten oft schon an der abenteuerlichen Informationspolitik der Unternehmen, die zusehends Investor Relations und Public Relations mit Werbung verwechseln. Die Wertpapieraufsicht bemängelt beispielsweise die Inflation von Ad-hoc-Meldungen, die knapp über kursbeeinflussende Tatsachen berichten sollen. Da diese Meldungen eine besondere Beachtung finden, melden manche Firmen inzwischen sogar unwesentliche Produktverbesserungen und sorgen damit für eine Verwässerung dieses Informationsinstruments.
Die wesentlichen Nachrichten machen  sich  dagegen manchmal schon Stunden vor
der Veröffentlichung im Kurs bemerkbar und lassen so auf undichte Stellen in einigen Unternehmen schließen.
Selbst auf die offizielle Pressemitteilungen ist mitunter kein Verlass. So werden beispielsweise Käufe gemeldet, ohne den Preis zu nennen, oder es werden Verträge gemeldet, ohne den Vertragspartner zu nennen. Wenn es in diesem um viele Millionen geht, sollte der Anleger auch auf die Sorgfalt der Pressestelle bauen können. Es stellt schon einen erheblichen Unterschied dar, ob ein Vertrag mindestens 50 Millionen DM Umsatz generiert oder ob es sich um einen wenig verbindlichen Rahmenvertrag handelt, der maximal auf diesen Betrag kommt.

Fazit
Die Börse geizt nicht mit Risiken. So machen Aktienkurse selbst nach gründlicher Analyse genau das Gegenteil von dem, was man erwartet hat, und die Website des Brokers fällt immer dann aus, wenn man schnell eingreifen müsste. Zudem tummeln sich im Umfeld des großen Geldes unzählige halbseidene Gestalten, denen es ausschließlich darum geht, Anlegern mit miesen Tricks das Geld abzuknöpfen. Auch wenn nicht alles kriminell ist, was den Anleger schädigt, so sollte er doch sehr auf der Hut sein, um seine Anlage zu sichern.
Dazu gehört eine ausgesprochene Portion Skepsis und jede Menge gesunder Menschenverstand. Wenn an der Börse etwas unglaubwürdig klingt, ist es das im Allgemeinen auch. Wenn nicht genügend Informationen über ein Unternehmen oder einen Dienstleister zu ermitteln sind, sollte man die Finger von einer Anlage lassen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Anlage so zu streuen, dass ein Verlust zu verschmerzen ist. Gier und Vertrauen sind ziemlich schlechte Berater, wie man aus unzähligen Beispielen lernen kann. Und nicht zuletzt ist zu bedenken, dass Banken und Broker Aktien ja verkaufen wollen, daher gibt es keine zweckfreien Informationen aus den Analyseabteilungen der Institute - ganz abgesehen von der durchaus unterschiedlichen Qualifikation der Mitarbeiter.
(ae) c't
 

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