"Commerce One ist ein Schneeballsystem"
von Roland Lang [20.11.00, 15:24]
Klaus Blaschke Der Wirtschaftsingenieur begann seine Karriere 1991 als Vertriebsdirektor und Vize-Präsident Europa der Informix GmbH. 1998 wurde er Geschäftsführer der Netscape Deutschland GmbH und wechselte 1999 als General Manager für Europa zu Commerce One.
BÖRSE ONLINE: Der Gewinn liegt im Einkauf, besagt eine alter Unternehmensgrundsatz. Wie profitieren Firmen von Commerce One?
Klaus Blaschke: Marktplätze bringen immer zwei Seiten zusammen. Der Käufer hat im Netz die absolute Transparenz und zielt natürlich auf einen möglichst günstigen Einstandspreis. Noch wichtiger ist aber die Senkung der Prozesskosten beim Einkauf. Das ist die Arbeitszeit des Einkäufers, aber auch Porto und Telefon. Dies gilt für beide Seiten. Der Verkäufer profitiert zudem von der höheren Nachfrage über die Vielzahl der potenziellen Kunden, die er über einen Marktplatz erreicht. Commerce One schafft also eine Win-Win-Situation für beide. BÖRSE ONLINE: Gerade die Zulieferer fürchten aber, das aus der Win-Win-Situation für sie ein harter Überlebenskampf wird. Große Einkäufer, wie etwa die Automobilkonzerne auf dem Marktplatz Covisint, drücken durch eine geballte Einkaufsmacht die Preise.
Blaschke: Das sehe ich nicht so. Transparenz kann kein Nachteil sein. Sicherlich springen für die Einkäufer durch die hohe Marktmacht ein paar Prozent mehr heraus. Aber in erster Linie schaffen wir zuerst eine weltweite Plattform und bringen die Unternehmen zusammen, vereinfachen und verbilligen damit die Prozesse. Davon profitieren beide. Dass die großen Haie den Preis bestimmen - dieser Vorgang geschieht mit oder ohne eine Internetplattform.
Unternehmen
Commerce One ist einer der Weltmarktführer für Business-to-Business (B2B) Marktplätze im Internet. Die Software des US-Konzerns erlaubt es Käufern und Lieferanten, B2B-Plattformen aufzubauen, Einkaufsprozesse zu verwalten sowie Lieferanten anzubinden. Da diese ohne Zwischenhändler direkt aufeinander treffen, können sie so ihre elektronischen Einkaufprozesse (E-Procurement) optimieren und Kosten einsparen. Commerce One konzentriert sich dabei auf die weltweit umsatzstärksten Gesellschaften, wie etwa mit dem Marktplatz Covisint von DaimlerChrysler, Ford und General Motors. Hauptkonkurrent und Weltmarktführer ist Ariba.
BÖRSE ONLINE: Gerade dieses Prestigeprojekt Covisint haben Sie ihrem schärfsten Konkurrenten Ariba weggeschnappt. Können sie ihn überholen?
Blaschke: Wir hatten hier klar einen anderen Ansatz als unser Marktbegleiter. Während dieser schnell Umsätze durch den direkten Verkauf der Software an die einzelnen Unternehmen generierte, konzentrierten wir uns zunächst auf die Installation großer, breiter Marktplätze wie eben Covisint oder Exostar im Luftfahrtbereich. Die Schere zu unserem Mitstreiter schließt sich sehr schnell und dass wir ihn überholen ist keine Frage. Das einzige worüber spekuliert werden kann, ist das Quartal, in dem es passieren wird. Unserer Projekte laufen jetzt an, und das mit einer gigantischen Dimension. BÖRSE ONLINE: "Gigantisch" ist ein dehnbarer Begriff. Lässt sich das konkret fassen?
Blaschke: Der Schneeballeffekt dieser großen Maschinen wird richtig im zweiten Quartal des nächsten Jahres einsetzen. Wir reden hierbei von 150.000 bis 200.000 Installationen je Marktplatz. Das ist nur mit unserem Geschäftsmodell des Global Trading Web, also eines Netzes für den weltweiten Handel, zu schaffen. BÖRSE ONLINE: Den Ansatz eines weltweiten Netzes verfolgt auch Ariba. Wie unterscheidet sich Ihre Strategie der Vernetzung der Marktplätze?
Blaschke: Wir verfolgten von Anfang an die Strategie, die Marktplätze zu vernetzen. Im Gegensatz zu Ariba sagen wir aber nicht, dass wir selbst dieses Netz sind. Wir sind viel zu klein, um dies zu ermöglichen. Die Betreiber und Konsortien müssen ihre eigenen Regeln und Abrechnungsweisen absprechen, Commerce One ist der Technologiepartner. BÖRSE ONLINE: Verdienen Sie dann nur an den Installationen?
Blaschke: Nein. Pro Transaktion verdienen wir zusätzlich eine kleine Gebühr. Unsere Gewinne ziehen wir also aus Serviceleistungen und Software sowie aus dem Handelsvolumen. Wir sind wie Coca Cola. Diese vergeben weltweit nur die Lizenzen für die Abfüller und produzieren nicht alles selbst. Genau so funktioniert es mit unserer Technologie. BÖRSE ONLINE: Warum zielen Sie als Marktplatzbetreiber nur auf große Firmen?
Blaschke: Nur diese haben die Power, den Markplatz zu etablieren und die Sicherheit zu gewährleisten. Entscheidend ist zudem: Haben sie einen großen Fisch an der Angel, müssen die Kleinen nachfolgen. BÖRSE ONLINE: Wie stehen Sie zu SAP. Konkurrenz oder Partnerschaft?
Blaschke: SAP ergänzt uns perfekt und ist einer unserer wichtigsten Partner. Durch das Know how bei firmeninternen Prozessen und der großen Kundenkartei ergänzen wir uns optimal und entwickeln gemeinsame Lösungen. Sie müssen die Transaktionen, die auf dem Marktplatz getätigt werden, auch abrechnen oder sie benötigen Schnittstellen. Dies gewährleistet SAP. BÖRSE ONLINE: Die Börse sieht die Zukunftsaussichten von Commerce One aktuell nicht sehr positiv. Der Kurs gab von seinem Allzeithoch mehr als die Hälfte nach. Jetzt einsteigen?
Blaschke: Ich denke, wir haben unseren Namen nicht zu unrecht. Ich selbst bin erst seit etwa einem Jahr im Unternehmen. Allein in dieser Zeit stieg die Anzahl der Angestellten auf 4.000 und wird nächstes Jahr vermutlich bereits 10.000 erreichen. So etwas, wie Internetmarktplätze und damit die Vernetzung der Unternehmen weltweit, gab es in der Historie noch nie. Der Markt schiebt uns geradezu täglich in neue Dimensionen. Alle Firmen wollen und müssen dabei sein. Bei diesem Wachstumstempo ist die aktuelle Börsenkapitalisierung in der Zukunft nur Peanuts.
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