Analysten haben die Aufgabe, das "Anlegervolk" in einer Weise zu lenken, dass ihre Arbeitgeber (Banken, Investmenthäuser usw.) maximalen Profit erwirtschaften. Je nachdem, wo eine Aktie steht, haben die Kauf- und Verkaufsempfehlungen andere Hintergründe.
Hier mal hypothetisch am Fall Daimler erläutert, man könnte ebensogut Siemens oder einen anderen Dax-Wert nehmen.
1. Prozyklische Kaufempfehlung am Hoch
Im Spätherbst 2007, beim Kurs von 76 Euro, stuft Analyst XY die Daimler-Aktie von "buy" auf "strong buy" hoch und nennt ein Kursziel von 130 Euro bis Ende 2008.
Wahrer Hintergrund: Die Bank von XY besitzt Daimler-Aktien, hält sie wegen des starken Kursanstiegs und des sich verschlechternden Makroumfelds aber nun für überbewertet und will sie verkaufen. Da die Bank sehr viele Aktien hat, muss sie diese schonend abgeben, um den Kurs nicht in den Keller zu schicken. Dazu dient die Kauf-Empfehlung des Analysten. Sie soll "das Volk" mobilisieren, die Taschen zu öffnen, damit die Bank "abladen" kann. Dieser Vorgang nennt sich "Distribution".
2. "Antizyklische" Kaufempfehlung nach stärkerer Korrektur
Die Daimler-Aktie fällt "wider Erwarten" auf 45 Euro. Analyst XY stuft Daimler von "strong buy" auf "buy" zurück, hält sie aber (angeblich) nach wie vor für ein lohnendes Langzeitinvestment. Er empfiehlt "Kaufen" bzw. Nachkaufen und nennt (pseudo-)fundamentale Gründe wie niedriges KGV, hohe Dividende, hohe Marktchancen, zukünftige Umsatzsteigerungen, Aktienrückkäufe, "Ende der Krise" oder Ähnliches. (An diesem Punkt sind wir jetzt.)
Wahrer Hintergrund: Der Chart der Daimler-Aktie ist inzwischen unter wichtige Unterstützungen gefallen, so dass die Bank eine Short-Chance wittert (am Hoch shortete sie nicht, weil es noch kein "Signal" dafür gab). Um die Aktie in großen Stil shorten zu können, bedarf es jetzt abermals vieler kleiner Käufer, die die Gegenseite einnehmen (sonst würde der Kurs durch das Shorten zu stark fallen, was potenzielle Shortgewinne mindert). Folglich verleitet Analyst XY das Volk mit obiger Durchhalte-Kaufempfehlung nun zu "Value"-Käufen. Das alte Kursziel von 130 Euro wird zwar auf 90 zurückgenommen, was aber immer noch deutlich über dem aktuellen Kurs von 45 liegt und daher Anstiegspotenzial suggeriert. Die Kleinen greifen beherzt zu und kaufen bzw. kaufen nach, die Shortposition der Bank wächst.
3. Prozyklische Verkaufsempfehlung am Langzeit-Tief
Daimler fällt, nicht zuletzt wegen drückender Shortseller, auf 25 Euro. Analyst XY gibt sich entsetzt, stuft die Aktie auf "Verkaufen" und senkt das Kursziel auf absurde 10 Euro. Es gab leider Umstände, die sich seiner Kontrolle entzogen: schwere Versäumnisse und Fehleinschätzungen des Managements, Gewinnwarnungen, "überraschende" Nachfrageschwäche, ausufernde Schulden, hoher Abschreibungsbedarf, widrige Entwicklungen auf dem Arbeits-/ Zins- /Schulden- /Derivate-Markt, Krieg, Naturkatastrophen usw. (nicht Plausibles bitte streichen) zwingen ihn nun leider dazu, die Aktie auf "Verkaufen" abzustufen.
Wahrer Hintergrund: Das interne Kursziel für die hauseigene Short-Position ist erreicht. Die Bank braucht nun Dumme, die jetzt noch in Panik verkaufen, damit die Bank ihre geliehenen Stücke (Shorts) günstig zurückkaufen kann. Daimler notiert bereits bei billigen 25 Euro. Der Analyst behauptet trotzdem frech, sie würde noch viel tiefer fallen - und senkt das Kursziel auf absurde 10 Euro, wohl wissend, dass er damit Panik schürt. Das Volk schmeißt die Aktien denn auch völlig entnervt hin und liefert die Kurse, die die Bank zum Eindecken braucht. Die Shorts haben seit seiner letzten "Kauf"-Empfehlung (2) nun 50 % Gewinn eingespielt. Er wird zum Abteilungsleiter befördert und erhält einen dicken Bonus zum Jahresende.
Eventuell geht die Bank nun sogar wieder "klammheimlich" long in Daimler. Eine Kaufempfehlung sprechen die Analysten dazu natürlich nicht öffentlich aus, weil die Aktie sonst zu stark stiege (auch Käufe in großen Stückzahlen brauchen Zeit). Damit warten sie, bis Daimler wieder bei 60 Euro ist. Nun stuft Analyst RW, Neuling in der Abteilung von XY, sie wieder auf Kaufen hoch und nennt ein Kursziel von 110 Euro. Die Aktie soll schließlich noch weiter steigen....
-> Weiter bei (1), wenn die Aktie wieder 90 Euro erklommen hat.
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