SZ vom 15.03.2001 Meinungsseite
Minister für schlechten Stil
Jürgen Trittin hat sich entschuldigt. Doch es fällt schwer, der Union und Laurenz Meyer nahe zu legen, diese Entschuldigung nun anzunehmen. Natürlich gehören Fehler ? und seien sie noch so dumm ? zum politischen Geschäft. Wer müsste das besser wissen als Meyer, der in diesem Fall der Betroffene ist, in anderen Fällen aber derjenige, der sich durchaus auch aufs Austeilen auf niedrigem Niveau versteht. Natürlich sollte eine Christenpartei einem reuigen Sünder nicht die Läuterung verwehren. Und schon gar nicht sollte sie auf ein Wahlkampfthema hoffen, nur weil sich aus den Angriffen auf Joschka Fischer kein Kapital schlagen lässt.
Allerdings erlaubt die Art, wie Jürgen Trittin sich nun entschuldigt hat, Zweifel daran, dass er wirklich seiner Überzeugung gefolgt ist. In einem ersten Versuch, die Sache aus der Welt zu schaffen, schrieb Trittin einen Brief an Meyer, der bestenfalls als Erklärung, keineswegs aber als Ausdruck des Bedauerns gewertet werden kann. Das bekam Trittin auch vom Kanzler persönlich attestiert. Es bedurfte offenbar erst der Intervention von Regierungs- und Parteiseite, um Trittin dazu zu bringen, sich zu entschuldigen. Nicht persönlich, sondern über seinen Sprecher. Guter Stil ist etwas anderes.
Die Kommunikationsfähigkeit Trittins lässt zu wünschen übrig. Das zeigte sich an seinem Umgang mit dem Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Buback. Und es war abzulesen an der harschen Art, wie Trittin mit der eigenen Basis in Sachen Castor-Transporte umgegangen ist. Der Verantwortungsbereich des Umweltministers umfasst auch Sicherheitsfragen. Für die Koalition und für die Grünen aber ist Trittin derzeit ein Sicherheitsrisiko.
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Thierse verurteilt Trittins Skinhead-Äußerung
Bundestagspräsident fordert direkte Entschuldigung bei Meyer
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat die Äußerungen von Umweltminister Jürgen Trittin über den CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer scharf verurteilt. Der SPD-Politiker bezeichnete Trittins Skinhead-Vergleich als ?jenseits dessen, was in der Auseinandersetzung unter Demokraten erlaubt ist?.
Eine direkte Entschuldigung Trittins bei Meyer halte er ?ausdrücklich für angemessen?, sagte Thierse der Berliner Zeitung.
Trittin hatte am Montag mit dem Interview-Satz: ?Laurenz Meyer hat die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen? Empörung bei der Union und bei der FDP ausgelöst.
Nachdem er zunächst erklären ließ, er habe Meyer damit nicht persönlich verletzen wollen, hatte er sich durch einen Sprecher entschuldigt. Im ZDF erneuerte er schließlich seine Entschuldigung aber zugleich auch seine inhaltliche Kritik an Meyer.
Opposition reicht Entschuldigung nicht aus
FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle meinte, die von Trittins Sprecher vorgetragene Erklärung sei ?halbherzig? und reiche nicht aus.
CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz betonte nach einer Sondersitzung der Unions-Abgeordneten: ?Wir fühlen uns zutiefst gekränkt und beleidigt?. Sollte der Minister im Amt bleiben, will die Union an diesem Freitag den Bundestag auffordern, dem Kanzler die Entlassung Trittins nahe zu legen.
Grünen-Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer nannte dies ?völlig überzogen und pure Heuchelei?. Die neue Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hat die Entschuldigung von Bundesumweltminister Trittin als ?richtig? bezeichnet. Der Begriff ?Skinhead? sei ein Fehler gewesen, sagte Roth am Mittwochabend in der ARD-Sendung ?Friedman?. ?Ich hätte das so nicht gesagt?, betonte Roth.
Frühere Politiker-Beleidigungen
Lange Liste verbaler Ausfälle
Es gibt kaum eine Schimpfwort, das Politiker noch nicht einem Gegner entgegengeschleudert habe. Meist geschieht dies im Eifer des Gefechts. Nicht selten aber auch zur bewussten Herabwürdigung.
Gelegentlich ist es Politikern auch schon einmal peinlich, wenn nach Jahren alte Entgleisungen hervorgeholt werden. ?Er hat etwas sehr Schlüpfriges an sich, weil man ihm eigentlich an der Nasenspitze ansieht, dass es erstunken und erlogen ist.?
So abwertend äußerte sich Joschka Fischer noch 1986 über Gerhard Schröder, was beide aber nicht daran hindert, jetzt gemeinsam im Kabinett zu sitzen.
Für Willy Brandt war CDU-Generalsekretär Heiner Geißler ?seit Goebbels der schlimmste Hetzer?, für Johannes Rau Geißler einfach ein ?Raufbold? und für Peter Glotz ein ?Spucker?.
Trittin: Merkel ist ?Kaltmamsell der Atomwirtschaft?
Bundeskanzler Helmut Schmidt musste sich vom späteren Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger (CDU) ebenfalls den Vorwurf anhören: ?Sie sind Goebbels.?
?Edelkurtisane? lautete ein rhetorischer Giftpfeil von Franz Josef Strauß in Richtung von FDP-Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Dass Jürgen Trittin kräftig austeilen kann, bewies er schon früher immer wieder. Seine CDU-Vorgängerin Angela Merkel titulierte der heutige Umweltminister als ?Kaltmamsell der Atomwirtschaft?.
Weil Politiker in der Regel Immunität genießen, bleiben solche schlechten Umgangsformen meist folgenlos. Normale Bürger müssen dagegen mit Geldbußen wegen Beleidigung rechnen. Nur Verstöße, die im Parlament fallen, werden mit offiziellen Sanktionen geahndet, die von der Ermahnung bis zum vorübergehenden Sitzungsausschluss reichen.
Diese schärfste Form der Strafe traf als bislang letzten Bundestags- Abgeordneten Joschka Fischer in seiner Turnschuh-Zeit vor 16 Jahren nach dem Satz: ?Mit Verlaub Herr Präsident, Sie sind ein A...?.
?Betonbolschewisten, Hasch-Minister und Möchtegern-Schimanskis?
Findigen Parlamentariern fallen auch anspruchsvollere Schöpfungen ein, um im Protokoll verzeichnet zu werden. Dazu gehörten in der laufenden Wahlperiode Bezeichnungen wie ?kläffender Goldhamster?, ?Betonbolschewist?, ?Hasch-Minister? oder ?Beamten-Killer?.
Eine sprachliche Premiere waren auch ?Weihnachtsgans? und ?Brüllaffe?. Zu den ausgefalleneren Rüpeleien aus den vergangenen Wahlperioden gehörten Ausdrücke wie diese: Dampfnudel, Dösbaddel, Dröhnbüdel, Frühstücksverleumder, Galgenkandidat, Harzer Roller, Lackschuh-Panter, Möchtegern-Schimanski, Petersilien-Guru, Nadelstreifen-Rocker oder nachgemachter Berliner.
Der jeweilige Sitzungsleiter im Bundestag kann auf eine lange Liste mit Beispielen zurückgreifen, wenn er zweifelt, ob ein Ordnungsruf fällig ist. Aufgeführt sind für alle Fälle auch Begriffe wie diese: Armer Irrer, kluger Idiot, Schläger, Rotzjunge, ausgemachter Strolch oder Drecksack.
...muß sagen, dass der Trittin alles getoppt hat!!!
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