Man soll ja angeblich "traden, was man sieht, und nicht was man glaubt" - so wurde ich jedenfalls in den Ariva-Foren ständig belehrt, als die Indizes im Sommer 2007 Höchstkurse aufwiesen und ich Überbewertungen vermutete. Der Daimler-Kurs hat sich seitdem fast gedrittelt.
Überbewertungen "schützen" Aktien aber bekanntlich nicht davor, noch höher zu steigen. Wieso soll das jetzt "unten" nicht genauso gelten - mit "umgekehrten Vorzeichen"? Wenn eine Aktie unterbewertet ist - und das war Daimler ja angeblich schon bei 45 Euro - , dann ist das noch lange keine Garantie dafür, dass sie nicht noch tiefer fallen kann.
Wer hier weiß schon wirklich, ob der Kurssturz nicht doch "gerechtfertigt" war bzw. ist - auf Grund von Infos, die womöglich bislang nur einige große Fonds haben (die Daimler zurzeit auf den Markt schmeißen) und die die Masse der Kleinen erst viel später erhält (typischerweise am wirklichen Tief).
Ist die Daimler-Aktie wirklich so unterbewertet, wie Viele hier im Thread glauben? Die große Unbekannte bleibt mMn weiterhin Chrysler. Cerberus hängt in den Seilen, und es gibt eine Klausel im Übernahmevertrag, dass Daimler mit weiteren Milliarden zur Kasse gebeten werden kann, wenn Chrysler innerhalb einer festgelegten Frist ab dem Verkauf in Konkurs geht. Das "Kapitel Chrysler" ist daher noch längst nicht abgeschlossen. Der Credit Crunch samt Folgen auf die Realwirtschaft geht in USA munter weiter.
Man sollte nicht vergessen, dass Daimler Cerberus einen großen Teil des Geldes geliehen hat, mit dem Cerberus dann Chrysler gekauft hat. Solcher Tricks bedienen sich zurzeit auch die großen US-Banken wie Citigroup, Merrill Lynch und Lehman. Die meisten großen "Verkäufe" konnten bislang nur erfolgen, weil die Verkäufer dem Käufer einen Großteil der für den Kauf benötigten Summen vorschossen. Im Prinzip eine Lachnummer, die nur zum Zeitschinden bei den Abschreibungen dient.
Beispiel Merrill Lynch: MER hat letzte Woche faule CDO-Anleihen im Wert von 30,6 Mrd. verkauft - für 22 Cents auf den Dollar. So kamen 6,7 Mrd. in die Kasse. Möglich wurde der Deal aber nur, weil Merrill dem Käufer (Lone Star) 5 Mrd. geliehen hatte. Netto kamen somit nur 1,7 Mrd. in die Kasse (was 5,5 Cents auf den Dollar entspricht). Die 5 Mrd., die Lone Star geliehen wurden, stehen weiterhin auf der Kippe.
Man sollte sich daher fragen:
Was passiert eigentlich mit Daimler, wenn Cerberus den Löffel abgibt? Müssen dann nicht die Kredite, die an Cerberus für den Übernahme-Deal verliehen wurden, auch noch - zusätzlich zu den bisherigen Verlusten - von Daimler abgeschrieben werden?
Wer behauptet, Chrysler sei unterbewertet und dies nur an den veröffentlichten Bilanzzahlen festmacht, hat die Rechnung womöglich ohne den Chrysler-Wirt gemacht. Ich bin sicher, dass die Mehrzahl der "Analysten" den Verkauf an Cerberus fälschlicherweise als bilanziell abgewickelt betrachten und mögliche Folgezahlungen nicht oder zu niedrig angesetzt haben. Das gilt freilich nur für deren Sell-Side-Analysen, mit denen sie Kleinanleger verscheißern. Die großen Fonds bekommen - sehr viel treffgenauere und teurere - Buy-Side-Analysen, in denen die Probleme klar zu Sprache kommen. Solche Infos sind viel Geld wert - das die großen Fonds auch dafür zu zahlen bereit sind. Die Infos für Kleinanleger sind hingegen gratis. Sie werden nachträglich durch Kursverluste bezahlt.
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