D er Bundesfinanzminister kann die Wut vieler Bürger über seine Sparpläne sogar nachvollziehen. Hans Eichel sagte der ?Financial Times Deutschland? vom Montag, er habe Verständnis dafür, dass die Menschen verärgert seien. Angesichts der Wirtschaftsflaute bleibe ihm aber nichts anderes übrig, als den Konsolidierungskurs fortzusetzen.
Eichel verteidigte sein Vorgehen, das Überschreiten des EU-Schuldenlimits erst nach der Wahl einzugestehen. ?Natürlich wusste ich schon seit Monaten, dass es immer schwieriger wird. Ich hatte aber lange die Hoffnung, dass es doch noch klappen könnte, ein Überschreiten der Drei-Prozent-Grenze zu vermeiden?, sagte er. Zudem hätten bis zum Sommer alle Experten vorausgesagt, dass die Konjunktur anziehen werde.
Zur Höhe des diesjährigen Haushaltsdefizits wollte er sich nicht äußern. Erst wenn das Ergebnis der November-Steuerschätzung vorliege, ?wird es ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren, also einen Nachtragshaushalt, geben?, sagte er.
Schröder stimmt Bürger auf Opfer ein
Die Deutschen müssen sich angesichts der miserablen Finanzlage offensichtlich noch auf einiges gefasst machen. Die Belastungen, die auf die Bürger zukämen, würden jedoch gerecht auf alle Schultern verteilt, sagte Gerhard Schröder (SPD) am Sonntag auf dem SPD-Parteitag. Bundesfinanzminister Eichel habe die schwere Aufgabe, eine Konsolidierung der Staatshaushalte mit Augenmaß zu erreichen.
Schröder kritisierte vor den mehr als 500 Delegierten in Berlin die Union und die FDP, die das seiner Meinung nach ?maßvolle Sparpaket? als Gefährdung für Wachstum und Wirtschaft bezeichneten. Dies sei ?reine Verlogenheit?. Die Belastungen seien wegen der schwierigen Konjunkturlage nicht zu verhindern.
?Wir werden uns nicht beirren lassen?, sagte der Kanzler. Das neue Regierungsprogramm werde Punkt für Punkt umgesetzt. ?Dreh- und Angelpunkt? sei die Familienpolitik. Deutschland werde mit dem Ausbau von Ganztagsschulen und zusätzlichen Krippenplätzen eines der ?kinderfreundlichsten Länder? Europas.
Der SPD-Vorsitzende sparte in seiner Rede auch nicht mit markigen Worten: ?Dieses Land ist ein für alle Mal kein CDU-Staat mehr?, sagte er. Die Leistung seiner Partei habe historische Qualität. ?Die SPD hat die Mitte der Gesellschaft erobert.?
Angebot an PDS-Mitglieder
Schröder bot enttäuschten PDS-Mitgliedern einen Wechsel zu den Sozialdemokraten an. Die PDS sei im Prozess der Selbstauflösung, sagte Schröder. Rückzug aus der Politik und Immigration seien jedoch die falsche Antwort. Wer bereit sei, die sozialdemokratischen Grundsätze anzuerkennen, finde eine Heimat in der SPD.
Nach der Bundestagswahl bestehe die historische Chance, die Spaltung der Arbeiterbewegung in Deutschland zu überwinden, so Schröder. Die SPD sei die einzig wirkliche gesamtdeutsche Partei, die im Osten wie im Westen gleichermaßen verankert sei.
Klares Ja zum Koalitionsvertrag
Mit überwältigender Mehrheit stimmte der SPD-Parteitag dem mit den Grünen ausgehandelten Koalitionsvertrag zu. Von den 522 Delegierten stimmte nur einer gegen die Vereinbarung, es gab eine Enthaltung. Der 88-seitige Koalitionsvertrag mit dem Titel ?Erneuerung ? Gerechtigkeit ? Nachhaltigkeit? war am Mittwoch von den Parteispitzen unterzeichnet worden.
Scholz ist neuer Generalsekretär
Neuer SPD-Generalsekretär ist Olaf Scholz. Der 44- Jährige wurde auf dem Parteitag mit einem klaren Vertrauensbeweis zum Nachfolger von Franz Müntefering gewählt, der den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion übernommen hat. Auf Scholz, der keinen Gegenkandidaten hatte, entfielen 400 von 446 abgegeben gültigen Stimmen. 23 Delegierte votierten mit Nein, 15 enthielten sich. Dies entspricht einer Zustimmung von 91,32 Prozent. Acht Stimmen waren ungültig. 21.10.02, 12:20 Uhr
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