Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte - heißt es schon im Volksmund. Kein Wunder, dass viele T-Online-Aktionäre auf eine Erhöhung des Barangebots durch die Deutsche Telekom hoffen. Denn zwischen Mutter und Tochter ist anscheinend ein Streit über den Unternehmenswert des Internet-Anbieters ausgebrochen.
Öffentlich wurden die Meinungsverschiedenheiten am vergangenen Freitag: In einer Stellungnahme zum Übernahmeangebot erklärte der Vorstand von T-Online, dass die Barofferte pro T-Online-Aktie in Höhe von 8,99 Euro "deutlich unter dem nach dem Ertragswertverfahren oder anderen international gebräuchlichen Bewertungsmethoden ermittelten anteiligen Unternehmenswert der T-Online liegt." Der Vorstand sei daher nicht in der Lage, die Annahme oder Nicht-Annahme des Angebots zu empfehlen.
Die Antwort der Konzernmutter ließ nicht lange auf sich warten. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte Telekom-Pressesprecher Andreas Leigers, es gebe keinen Grund nachzubessern, da es sich bei der Barofferte um eine freiwillige Maßnahme handle.
Auch im Übernahmeangebot wird dieser Aspekt hervorgehoben: Das freiwillige Kaufangebot diene der Schaffung von Marktliquidität und Preissicherheit für diejenigen Aktionäre von T-Online, die es vorziehen würden, ihre Aktien gegen eine Barzahlung in bereits jetzt bekannter Höhe deutlich vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung zu verkaufen.
Dann wird es brisant: Die Deutsche Telekom, heißt es weiter, habe mit Unterstützung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG eine vorläufige Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren durchgeführt. Auf der Grundlage dieser vorläufigen Bewertung gehe man davon aus, dass das Umtauschverhältnis unter dem Barangebot von 8,99 Euro liegen werde. Im Klartext: Mutter und Tochter haben eine völlig unterschiedliche Meinung hinsichtlich der Bewertung von T-Online. Die Börse scheint sich in diesem Disput auf Seite von T-Online geschlagen zu haben. Mit einem aktuellen Kurs von 9,60 Euro notiert die TecDAX-Aktie weit über dem Barangebot. Der Markt rechnet also trotz des Dementis weiter mit einer Nachbesserung. Wer darauf vertraut, sollte die Aktie im Depot lassen. Die Angebotsfrist läuft noch bis zum 4. Februar 2005.
Sollte es jedoch keine Erhöhung geben, droht eine böse Überraschung. Der Kurs würde, je näher der 4. Februar rückt, auf die 8,99-Euro-Marke zurückfallen. Es sei denn, die T-Aktie kommt den Anlegern zu Hilfe. Das Übernahmeangebot hat bekanntlich auch eine Umtausch-Komponente. Damit hängt der Wert einer T-Online-Aktie auch von der Entwicklung des Mutterpapiers ab. Der Haken: Das Umtauschverhältnis wird erst im Januar bekannt gegeben.
Als Richtlinie können sich Anleger aber eine Zahl merken: Am 11. Oktober, also dem Zeitpunkt als die Telekom die Öffentlichkeit über ihre Pläne informierte, entsprach die Cashofferte einem Umtauschverhältnis von 0,5907. Auf Basis diesen Wertes ergäbe sich beim aktuellen Kurs der T-Aktie in Höhe von 16,37 Euro ein Betrag von 9,67 Euro.
Auf Basis dieser Daten wäre ein Tausch die beste Alternative. Allerdings lauern auch hier zwei Risiken: Erstens könnte die T-Aktie in den kommenden Wochen zurücksetzen, was den anteiligen Gegenwert mindern würde. Zweitens droht diese Gefahr auch dann, wenn das KPMG-Gutachten zu dem Schluss kommt, dass die am 11. Oktober gewählte Relation zu hoch ist. Wer diese Risiken ausschalten will, verkauft seine Papiere lieber schon jetzt an der Börse.
Quelle: BO
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