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Welt am Sonntag Sebastian Jost 06:11. In den Schatten gewirtschaftet Solar Millennium spiegelte Anlegern eine heile Welt vor. Dabei war die Firma ausgelaugt von selbst verschuldeten Querelen
Kritiker sehen nicht den schwierigen Solarmarkt als Grund für die Pleite - sondern vor allem mieses Management
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Solar Millennium Opfer? Interessensgemeinschaft 0421/321121 24-h-Dienst, Notfälle: 01724107745 www.anwalt-a.de Lange hat er gute Miene gemacht zu einem Spiel, das kaum gut ausgehen konnte. Von einem "Meilenstein für Solar Millennium" und einer "Erfolgsgeschichte der Solarenergie" schwärmte der damalige Firmenchef Christoph Wolff noch im Juni, als das Unternehmen in Kalifornien den Grundstein für das größte Sonnenkraftwerk der Welt legte. Nur wenige Wochen später musste er einräumen, dass der Erlanger Kraftwerksentwickler in Kalifornien noch einmal ganz von vorne beginnen muss, doch Wolff sprach von einer "breiteren Basis". Und als er im Oktober Knall auf Fall den Ausstieg aus dem US-Geschäft verkünden musste, nannte er dies einen strategischen und wirtschaftlichen Gewinn.
Zweieinhalb Monate später ist Solar Millennium insolvent. Wolff ist nicht mehr da. Ebenso wenig wie manch anderer Manager, der das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren fluchtartig verließ. Vergrault von einer eigenwilligen Führungskultur, die längst Staatsanwälte beschäftigt - und die eine zentrale Ursache für den Niedergang gewesen sein dürfte. "Solar Millennium war ein tolles Unternehmen mit einer tollen Idee", sagt einer, der lange für die Firma arbeitete. "Das Problem war der Aufsichtsrat und seine unsägliche Personalpolitik."
Die Dauerquerelen lassen nicht viel übrig von den 227 Millionen Euro, die Anleihezeichner Solar Millennium geliehen haben, und auch nicht vom Geld der 14 000 Aktionäre, deren Anteile einst rund eine halbe Milliarde Euro wert waren. Die ersten Äußerungen des vorläufigen Insolvenzverwalters Volker Böhm zwei Wochen nach der Pleite klingen ernüchternd. "Als Beobachter von außen würde man sich vielleicht vorstellen, dass bei Solar Millennium überall große, schon fertige Solarkraftwerke stehen", sagte Böhm der "Welt am Sonntag". "Das ist nur in den wenigsten Fällen der Fall." Viele Projekte befänden sich in einem frühen Stadium, es gebe Pläne, Baurechte, Grundstücke und vielleicht auch schon Zufahrtswege, aber eben noch kein fertiges Kraftwerk. "All die Vorarbeiten haben auch ihren Wert, aber es braucht seine Zeit, ihn zu ermitteln."
Die besondere Struktur von Solar Millennium mache das Insolvenzverfahren "alles andere als einfach", sagt Böhm. Denn das Erlanger Unternehmen ist in erster Linie eine Dachfirma für zahlreiche Projektgesellschaften, die die einzelnen Kraftwerke in Spanien oder eben in den USA vorantreiben sollten. Seit Oktober versuchte Solar Millennium, zumindest die US-Geschäfte zu Geld zu machen, um das Unternehmen über Wasser zu halten. Doch die Gespräche mit Solarhybrid, einem Projektentwickler aus dem Sauerland, stockten - womit die Führung von Solar Millennium die Insolvenz kurz vor Weihnachten begründete.
Anzeige Tatsächlich aber fehlten Solar Millennium weit mehr als ein paar Millionen Euro an kurzfristigen Einnahmen. "Selbst mit einem erfolgreichen Verkauf des US-Geschäfts hätte man nur Zeit gewonnen, um eine tragfähige Zukunftsstrategie zu entwickeln - die gab es zuletzt nicht mehr", räumt man in Unternehmenskreisen ein. Was Kenner der Firma nicht verwundert - schließlich war die Führungsspitze praktisch ausschließlich mit Querelen beschäftigt. Ihren Anfang nahmen sie im Blitzabschied des Kurzzeitchefs Utz Claassen: Der Energiemanager warf nach nur 74 Tagen im März 2010 das Handtuch. Sein Nachfolger Thomas Mayer ging Ende 2010, Wolff hielt es anschließend auch nur gut neun Monate aus. In dieser turbulenten Zeit gingen zudem etliche Manager auf den Ebenen unterhalb des Vorstands. Der Hauptgrund war dem Vernehmen nach immer derselbe: Zerwürfnisse mit dem Aufsichtsrat.
Das Kontrollgremium um den im Herbst ausgeschiedenen Unternehmensgründer Hannes Kuhn steht im Zentrum von allerhand Merkwürdigkeiten in Erlangen. Der hartnäckige Vorwurf, die Aufsichtsräte hätten sich zu sehr ins Tagesgeschäft eingemischt, war noch der harmloseste. Dazu kommen Verdächtigungen wegen Insiderhandels, Marktmanipulation oder Prozessbetrugs. Bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth laufen seit Monaten Ermittlungen oder Vorermittlungen gegen aktive oder frühere Aufsichtsräte.
Nun folgt wohl ein harter Schlussstrich unter den Schlamassel. In den Stellungnahmen des Insolvenzverwalters ist nichts von möglicher Fortführung des Unternehmens in seiner heutigen Form zu lesen - sondern nur von Veräußerung der Werte. Selbst das wird nicht einfach: Schließlich stecken die allermeisten Kraftwerksprojekte in Tochtergesellschaften, die häufig als Joint Ventures zusammen mit anderen Unternehmen organisiert wurden. Die Mitgesellschafter hätten nun im Zuge der Insolvenz teilweise das Recht, die Solar-Millennium-Anteile an diesen Töchtern gegen eine Entschädigung zu übernehmen, so Böhm. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" droht dies unter anderem bei der Kölner Flagsol, in der erhebliche Teile des operativen Geschäfts des Konzerns liegen - diese Gesellschaft könnte bald dem Essener Anlagenbauer Ferrostaal gehören, der bislang einen 25-Prozent-Anteil hält. Böhm und Ferrostaal wollen sich dazu nicht äußern.
Immerhin soll Gläubigern und Aktionären das Wertvollste erhalten bleiben, was Solar Millennium besitzt: Über den 70-Prozent-Anteil an der US-Tochter habe man weiter volle Kontrolle, so Böhm - und damit Zugriff auf die großen Kraftwerksprojekte in Amerika. Der Insolvenzverwalter will die Verhandlungen mit Solarhybrid fortführen. Allerdings sollen sich die beiden Firmen zuletzt in einem Gestrüpp aus komplizierten Bedingungen und Vertragskonstruktionen verfangen haben - was Böhm nun dem Vernehmen nach deutlich vereinfachen will. Keine leichte Aufgabe, schließlich ist auch die US-Tochter von wirren Verflechtungen geprägt, wie sie für Solar Millennium nicht untypisch sind. Die zeigen sich etwa in einer rätselhaft starken Stellung einer Briefkastenfirma auf den Kanalinseln, deren Hintermänner im Dunkeln sind. Oder in einem US-Geschäftsführer namens Uwe Schmidt, der manchen als das eigentliche Machtzentrum der dortigen Projekte gilt und der sich Hoffnungen machen darf, bei Solarhybrid gebraucht zu werden. Bei Solarhybrid wiederum sind mehrere Teilhaber engagiert, die man bereits aus dem Dunstkreis von Solar Millennium kennt.
Gut möglich, dass manche maßgebliche Akteure am Ende gar als Gewinner aus der Insolvenz hervorgehen. Nur Zehntausende Verlierer stehen bereits fest: die Kleinanleger, die auf die Idee mit der Sonne gesetzt haben.
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