Springer schwimmt im Geld und kann Milliarden anlegen
Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 4.1.2007 Der Verlag Axel Springer ist mit Erlösen von 2,4 Mrd. Euro zwar Deutschlands größter Printkonzern. International sind die Berliner hingegen eher ein kleines Licht - auch nach den jüngsten Zukäufen bei ausländischen TV-Sendern und der Jean-Frey- Verlagsgruppe. Doch das soll sich ändern. Strategie von Vorstandschef Mathias Döpfner ist es, aus dem "profitabelsten deutschen Großverlag", der unverändert den Hauptteil seiner Erlöse aus der "Bild"-Gruppe erzielt, ein "europäisches Medienhaus" zu formen - das jedoch bisher nur magere 16 % seines Umsatzes jenseits der Grenzen erwirtschaftet.
Freiwillig geht der Verlag den Weg ins Ausland nicht. Doch als vor gut Jahresfrist das Bundeskartellamt definitiv das Aus für die so vehement betriebene Übernahme der Münchener Free-TV-Sendergruppe ProSiebenSat.1 verkündete, waren den Berlinern auch noch die letzten Möglichkeiten verbaut, im Heimatmarkt zu wachsen. Denn angesichts der starken Stellung der "Bild"-Zeitung hatten die Wettbewerbshüter schon in den Jahren zuvor alle Bestrebungen blockiert, sich nennenswert an anderen Zeitungsverlagen zu beteiligen. Dagegen schien ein TV-Engagement aus Verlagssicht noch möglich - bis das Kartellamt auch diesen Versuch unterband.
Damit ist der deutsche Markt für Akquisitionen verschlossen. Nur intern können die Berliner noch wachsen - egal, ob mit neuen Fernsehzeitschriften, wie der höchst erfolgreichen TV-Digital, oder einem neuen Ableger der "Bild"-Familie, jenseits von "Bild am Sonntag", "Computer Bild", "Bild der Frau" und "Sport-" oder "Auto Bild".
So honorig eine schon erwogene "Kinder-Zeitung" oder eine "Bild für Betagte" auch wären, für den Konzern brächten solche Projekte keinen Durchbruch. Zumal der Verlag nach einem über alle Erwartungen gut verlaufenen Jahr schier in Geld schwimmt.
Nach neun Monaten kündigte der Vorstand an, dass 2006 trotz gestiegener Anlaufkosten für neue Vorhaben der operative Rekordgewinn des vergangenen Jahres leicht übertroffen werde. 2005 hatten die Berliner ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen (Ebita) von 338 Mill. Euro erreicht, was einer Ebita-Rendite von 14,1 % entsprach. In den ersten drei Quartalen 2006 wurde dieser Wert auf 15,4 % gesteigert - ein Niveau, das Vorstandschef Döpfner noch vor wenigen Jahren unerreichbar erschien. Im Ausland sind diese Margen allerdings gang und gäbe.
Käufe in Polen und Türkei
Doch verdient Springer nicht nur besser denn je. Auch die finanziellen Möglichkeiten, große Deals zu stemmen, sind inzwischen ungleich größer geworden als vor anderthalb Jahren, als die Berliner Haim Saban und seinen Co- Investoren ProSiebenSat.1 für 4,2 Mrd. Euro abnehmen wollten. Konnte der Konzern damals "nur" eine Nettoliquidität von 239 Mill. vorweisen, bewegen sich die flüssigen Mittel und sonstige Wertpapiere des Umlaufvermögens heute auf einem Niveau von fast 500 Mill. Euro - gegen die freilich Finanzverbindlichkeiten von 115 Mill. gegengerechnet werden müssen, womit die Liquidität per Ende September auf reichlich 380 Mill. schnellte. Damit kann schon so einiges bewegt werden, will der Vorstand nicht riskieren, von den Eigentümern genötigt zu werden, die umfangreichen Mittel als Sonderdividende auskehren zu müssen.
Wie um dieser Gefahr entgegenzuarbeiten, hat der Vorstand allein in den vergangenen sechs Wochen mehrere voluminöse Transaktionen realisiert. Erst erwarben die Berliner für 375 Mill. Euro 25 % an Dogan TV, einem der großen türkischen Fernseh- und Radiounternehmen. Dann legten sie 250 Mill. auf den Tisch des Polen Zygmunt Solorz, um 25,1 % an dessen Polsat zu erwerben, dem zweitgrößten Privatsender im Nachbarland. Entwickelt sich Polsat besser als gedacht, muss Springer 50 Mill. nachschießen. Nur Tage später wurde die Schweizer Jean Frey AG für 87 Mill. Euro an Land gezogen, die u. a. das Blatt "TV-Star" sowie die Wirtschaftszeitschrift "Bilanz" herausgibt - was "ideal" zur schon bestehenden Verlagsgruppe passe.
Strategie muss sich beweisen
Darüber hinaus lässt der Vorstand in Frankreich ein "Bild"- Pendant entwickeln, das - sollte alles glatt laufen - frühestens im Herbst auf den Markt kommen könnte. Die Boulevardzeitung soll "eleganter" werden als ihr Mutterblatt oder die polnische Schwester "Fakt", die mit einer Auflage von 500 000 Zeitungen überraschend schnell profitabel wurde. Insgesamt stellt Springer reichlich 100 Mill. Euro zur Verfügung, um das neue Blatt im trägen französischen Zeitungsmarkt zu etablieren. Ob die Käufer jedoch eine "Bild" wollen, muss sich noch erweisen.
Beweisen muss sich freilich auch, ob die TV-Beteiligungen ihr Geld wert sind - und wie die grundsätzliche Firmenstrategie lautet, die hinter diesen Zukäufen steht. Döpfner betont, dass sich die Berliner dort beteiligen wollen, wo sie entweder im Printbereich schon präsent sind (wie in Polen) oder wo starkes Wachstum erwartet werde. Unter dieser Prämisse seien die Akquisitionen "sehr günstige und strategisch relevante Gelegenheiten" gewesen.
Zeitliche Zufälle
Doch was kann Springer mit Minderheitspositionen in fernen Ländern bewegen? Immerhin besetzen die Berliner bei Polsat zwei von sieben Aufsichtsratsposten und stellen den Finanzvorstand. Offen ist aber, ob die "crossmediale" Vermarktung von TV und Print funktioniert, wie sie zwischen ProSieben sowie "Bild" und "Welt" geplant war. Sicher ist jedenfalls, dass auch nach den jüngsten Zukäufen noch ein weiter Spielraum existiert, entsprachen die Akquisitionen doch nur einem Sechstel des gescheiterten ProSiebenSat.1-Volumens. Dank der großen Liquidität, mit einer forscheren Verschuldung und dem Einsatz selbstgehaltener Aktien, die mit dem steigenden Kurs immer werthaltiger werden, "könnten wir von heute auf morgen eine Milliardeninvestition stemmen", versichert ein Finanzmann im Konzern. Dass die fantasie- und damit kurstreibende Akquisitionsoffensive gerade rechtzeitig zur Platzierung des halben Hellman & Friedman-Pakets (sowie hunderttausender von Döpfner-Aktien) über die Bühne ging, ist dabei wohl nur purer Zufall.
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