... mal ein paar interessante zeilen, die plakatieren, worüber wir hier sprechen - gruss von rightwing
Realos contra Populisten
Die Linken streiten über ein Milliarden schweres Investitionsprogramm, Politiker aus dem Osten attackieren ihren Parteichef Lafontaine: Wer soll die Wohltaten bezahlen?
Ob Rentenerhöhung, Kindergeld oder Pendlerpauschale ? wann immer in den vergangenen Monaten in Deutschland über sozialpolitische Wohltaten diskutiert wurde, rief die Linke selbstbewusst: »Wir sind allhier!« Nur darüber, wie all die schönen Versprechen finanziert werden sollen, gibt es in der Partei bis heute kein Konzept.
Das hindert einige Genossen nicht, nun noch einmal kräftig draufzulegen. Auf dem Parteitag der Linken Ende Mai in Cottbus stellen sie ein Zukunftsinvestitionsprogramm zur Abstimmung, das Investitionen in Höhe von »zunächst jährlich 50 Milliarden Euro« in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur vorsieht und eine Million neue Arbeitsplätze verspricht. »Ver.di-Antrag«, heißt die Vorlage parteiintern, weil sie sich liest, als sei sie in der Grundsatzabteilung der Dienstleistungsgewerkschaft formuliert worden. Tatsächlich stammen die Autoren ? unter ihnen der Bundestagsabgeordnete Axel Troost ? aus dem gewerkschaftsnahen WASG-Flügel der Partei.
Inzwischen laufen allerdings die ostdeutschen Realpolitiker Sturm gegen das geplante Programm. Von »Luftschlössern, für die wir nicht gewählt werden«, spricht der sachsen-anhaltinische Landesvorsitzende der Linken, Matthias Höhn. Der ehemalige Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, nennt den Weg »grundsätzlich falsch«. Mit Wirtschaftspolitik, die Wachstum generiere, habe eine solche Politik nichts zu tun.
Die Finanzpolitiker der ostdeutschen Landtagsfraktionen sowie die finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion haben gar einen Brandbrief an den Parteivorstand geschrieben, der der ZEIT vorliegt. Sie erklären darin, für ein 50 Milliarden Euro teures Konjunkturprogramm stünden »schlichtweg keine Finanzmittel zur Verfügung«. Der Antrag sei daher »zutiefst unseriös«. Die Finanzpolitiker der Linken errechnen »Fehlbeträge im hohen zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich« und kritisieren, das Programm sei »mit rein fiktiven Mehreinnahmen« untersetzt.
Damit bricht ein Streit offen aus, der seit Langem schwelt. Denn die Auseinandersetzung um das Konjunkturprogramm verläuft genau an der Nahtstelle der neuen Partei ? zwischen Ost und West, PDS und WASG, Reformsozialisten und Exsozialdemokraten. Viele Ostdeutsche fühlen sich von den »Wessis« an den Rand gedrängt. Zumal Parteichef Oskar Lafontaine permanent gegen jene SPD polemisiert, mit der die Linke im Osten gerne regieren würde. Übel aufgestoßen ist ihnen dabei auch, dass Lafontaine auf einer internen Beratung mit westdeutschen Parteifreunden kürzlich abschätzig davon gesprochen hatte, es gebe in den ostdeutschen Landesverbänden der Linken »auch rechte Sozialdemokraten«.
Ihre manchmal schmerzhaften Erfahrungen aus 17 Jahren Realpolitik sehen die früheren PDS-Mitglieder durch eine solche Polemik entwertet. Die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert hält Lafontaine entgegen, es reiche »auf lange Sicht nicht, auf populistische Stimmenmaximierung zu setzen, die Linke muss auch den Realitätstest bestehen«.
Dennoch scheuen die Ostdeutschen bislang die direkte politische Auseinandersetzung mit Lafontaine. Sie wissen, dass dieser für den Erfolg der Partei im Westen unverzichtbar ist. Stattdessen haben sie sich auf das Zukunftsinvestitionsprogramm eingeschossen, das Lafontaine in Auftrag gegeben hatte.
Die Parteiführung versucht nun, die Streithähne mit einem Formelkompromiss einzufangen. Die Forderung nach einem Investitionsprogramm soll in den Leitantrag zum Parteitag integriert, der Grundsatzkonflikt vertagt werden. Alle Finanzierungsfragen will Weltökonom Oskar Lafontaine dabei auf eine höhere finanzpolitische Ebene transformieren. Bei 50 Milliarden hält er sich gar nicht lange auf. Um alle Wohltaten der Linken finanzieren zu können, will der Parteivorsitzende die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland auf ein »europäisches Durchschnittsniveau« anheben. 120 Milliarden Euro zusätzliche Staatseinnahmen glaubt Lafontaine damit realisieren zu können. Der Berliner Landtagsabgeordnete und Haushaltsexperte Carl Wechselberg, der sich tagtäglich mit den Finanzproblemen des rot-roten Senats herumschlägt, kann sich den Spott nicht verkneifen: »Wer hätte gedacht, dass der Weg zum Sozialismus so einfach ist.«
quelle: die zeit http://www.zeit.de/2008/16/Linke
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