ROUNDUP 3: Barclays sichert sich großes Stück von Lehman Brothers
(neu: Europa-Geschäft, Gewinn, HBOS, Kurs)
NEW YORK (dpa/AFX) - Zwei Tage nach Absage einer vollständigen Übernahme von Lehman Brothers durch die Barclays Bank kaufen die Briten nun Teile der insolventen amerikanischen Investmentbank. Barclays sichert sich den Hauptsitz Lehmans in New York sowie zwei Datenzentren in New Jersey für 1,5 Milliarden Dollar. Zudem erwerben die Briten das nordamerikanische Investmentbanking- und das Kapitalmarkt-Geschäft für 250 Millionen Dollar in bar, wie die Bank am späten Dienstag mitteilte. Rund 10.000 der 25.000 Lehman-Mitarbeiter sollen unter dem Dach von Barclays ihren Job behalten. Der Teilverkauf muss aber noch vom Insolvenzgericht genehmigt werden. Bis zum Nachmittag legten Barclays-Aktien in London nach einer Berg- und Talfahrt um rund 7 Prozent zu.
Mit der teilweisen Übernahme bestätigten sich Medienmeldungen vom Dienstag. Am Montag hatte Lehman Brothers wegen milliardenschwerer Fehlspekulationen Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts beantragt. Damit ist in der Finanzkrise bereits die dritte der einst fünf großen US-Investmentbanken gekippt oder hat sich aufkaufen lassen. Auch auf deutsche Finanzkonzerne rollt wegen der Lehman-Insolvenz eine hohe Belastung zu. Die Pleite des größten US-Versicherers AIG konnte indes durch einen staatlichen Notkredit über 85 Milliarden Dollar abgewendet werden.
NEUE BAUSTELLE
Eine neue Baustelle tat sich dagegen im Laufe des Tages in Großbritannien auf, wo die Hypothekenbank HBOS wankte und nun Übernahmegespräche mit dem Finanzkonzern Lloyds TSB führt. Die ungewisse Lage hatte den gesamten Markt Achterbahn fahren lassen.
Lehman versucht derweil fieberhaft, das restliche Geschäft loszuschlagen, wozu auch die Vermögensverwaltungs-Tochter Neuberger Berman zählt. Sie wurde an der Wall Street einst mit 10 Milliarden Dollar bewertet, dürfte angesichts Lehmans Notlage nun aber erheblich weniger Geld einbringen, auch weil das Vertrauen der Kunden als schwer beschädigt gilt. Lehman hat als Käufer dem Vernehmen nach Beteiligungsunternehmen im Visier: Unter den Interessenten befänden sich Bain Capital, Hellman & Friedman sowie Kohlberg Kravis Roberts (KKR), hieß es. Ein Verkauf könnte bereits in den kommenden Tagen angekündigt werden.
GESPRÄCHE ÜBER EUROPA- UND ASIENGESCHÄFT
Was aus dem außeramerikanischen Investmentbank-Geschäft wird, ist unklar. Die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers führt derzeit für die europäischen Töchter Verkaufsgespräche. An diesen sowie den asiatischen Einheiten zeigte Barclays nur geringes Interesse, schloss eine Übernahme aber auch nicht aus: Es gebe Möglichkeiten, aber keine Verpflichtungen, sagte Barclays-Chef John Varley gegenüber Analysten.
Bereits für das jetzt getätigte Geschäft müssen die Briten ihre Anteilseigner um frisches Geld bitten. Mehrere Aktionäre hätten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, insgesamt 600 Millionen Pfund zu geben, hieß es. Es wäre das zweite Mal binnen weniger Monate, dass Barclays Kapital einsammelt. Erst im Juli hatten die Briten Investoren um 4,5 Milliarden Pfund gebeten. Denn die Finanzkrise hatte auch bei Barclays merkliche Spuren hinterlassen. Im ersten Halbjahr war der Gewinn um ein Drittel auf 1,72 Milliarden Pfund eingebrochen. Vor allem das eigene Investmentbanking hatte gelitten. Der Zukauf soll die Situation verbessern helfen. Konzernchef Varley kündigte an, die Übernahme werde den Gewinn schon im ersten Jahr mehren.
KOMPLETTÜBERNAHME SCHEITERTE
Die Briten waren am Wochenende als Käufer der gesamten Investmentbank im Gespräch gewesen. Das rettende Geschäft scheiterte aber an fehlenden Staatsgarantien. Das Scheitern von Lehman und die Übernahme des Wettbewerbers Merrill Lynch durch die Bank of America setzte die Finanzmärkte weltweit seit Wochenbeginn unter Druck. Die Aktie von Lehman erlitt praktisch einen Totalverlust. Nach den Berichten über den Teilverkauf stieg sie am Dienstag zum Börsenschluss wieder kräftig an.
Lehman war in der vergangenen Woche immer schneller in den Abgrund geschlittert. Am Mittwoch gab die Bank einen Quartalsverlust von 3,9 Milliarden Dollar bekannt. Mit der Insolvenz ist die erste US-Großbank pleite. Zuvor waren bereits mehrere kleinere Institute umgekippt. Weiter undurchsichtig ist die Lage bei der größten US-Sparkasse Washington Mutual . Laut Medienberichten ist der Finanzkonzern JPMorgan Chase an einer Übernahme des angeschlagenen Instituts interessiert; andere Medien berichten hingegen, es gebe keine Verhandlungen./FX/fn/das/tw/he
Quelle: dpa-AFX
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