UPDATE: Cessna-Mutterkonzern prüft angeblich Thielert-Übernahme
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(NEU: Insolvenzverwalter, Sprecher, Hintergrund)
Von Kirsten Bienk und Olaf Ridder DOW JONES NEWSWIRES
=== HAMBURG (Dow Jones)--Der vor dem Aus stehende Flugmotorenhersteller Thielert wird möglicherweise von jenem Kunden aufgefangen, auf den die Investoren des SDax-Konzerns seit dem vergangenen Jahr ihre Hoffnungen gesetzt hatten. Wie Dow Jones Newswires am Freitag von einer mit der Situation vertrauten Person erfuhr, erwägt der Mutterkonzern des US-Flugzeugherstellers Cessna, der Industriekonzern Textron Inc, eine Übernahme des Geschäfts.
Das Interesse an den Dieselflugmotoren des Hamburger Unternehmens sei bei Cessna groß, und es gebe derzeit keine adäquate Alternative zu den spritsparenden Antrieb von Thielert, sagte der Informant. Offen sei allerdings, ob sich die Thielert-Motoren auch mit Gewinn produzieren ließen. Gegenwärtig stimme das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht.
Die Thielert Aircraft Engines GmbH, bei der die Flugmotoren gebaut werden, musste am Donnerstag Insolvenz anmelden. Die Thielert-Turbodiesel sollten ab Mitte des Jahres serienmäßig in einer Version der Cessna 172 eingebaut werden, eine viersitzige Propellermaschine, die weltweit verbreitet ist. Es ist derzeit unklar, ob Thielert seine vertragliche Vereinbarung aus dem vergangenen Jahr einhalten kann.
Der Insolvenzverwalter Bruno M. Köbler erklärte laut Nachrichtenagentur ddp am Freitag: "Mein Ziel ist es, den Betrieb der Thielert Aircraft Engines GmbH fortzuführen, um sowohl die Interessen der Gläubiger wahrzunehmen als auch möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten". Er sehe gute Chancen, das Unternehmen zu erhalten. In der nächsten Woche werde er die "Öffentlichkeit über den Stand der Dinge sowie über die weiteren Schritte" informieren.
Unterdessen beruhigte Thielert-Konzernsprecher Sebastian Wentzler, der Insolvenzantrag bei der operativ tätigen Motorentochter bedeute nicht, dass die Produktion der Motoren am sächsischen Standort Lichtenstein brach liege. Auch scheint der größte bekannte Kunde, der Flugzeughersteller Cessna aus Wichita im US-Bundesstaat Kansas, bislang noch nicht abgesprungen zu sein. "Wir beobachten die Situation und entscheiden erst später", sagte ein Cessna-Sprecher.
Der Insolvenzverwalter von Thielert Aircraft Engines, Köbler, versicherte, was die Vorwürfe der Bilanzfälschung und sonstige strafrechtlich relevante Tatbestände anbelange, werde er mit seinen Möglichkeiten zur Aufklärung beitragen. Die börsennotierte Muttergesellschaft des Flugmotorenherstellers hatte am Mittwoch eingeräumt, dass das Landgericht Hamburg die Bilanzen der Jahre 2003 bis 2005 im März wohl zu recht für "nichtig" erklärt hatte. Der Vorstand hatte dies immer bestritten.
Nach neuen Erkenntnissen des bereits wegen Falschbilanzierung ermittelnden Landeskriminalamtes und Erklärungen der Vorstände geht jetzt auch der Aufsichtsrat davon aus, dass die Geschäftsabschlüsse "wahrscheinlich fehlerhaft und möglicherweise nichtig sind". Das Kontrollgremium zog daraufhin am Mittwoch die Notbremse und trennte sich mit sofortiger Wirkung von den beiden Vorständen Frank Thielert und Roswitha Grosser.
Wegen des Bilanzskandals sprangen daraufhin Investoren ab, die eigentlich zugesagt hatten bei der nötigen Sanierung von Thielert mitwirken zu wollen. Erst vor zwei Wochen hatte Thielert die Märkte mit dem Eingeständnis schockiert, dass allein bis zur Jahresmitte 13,6 Mio Euro frische Mittel fehlten, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das Unternehmen machte eine "verzögert beginnende Serienlieferung" für den Liquiditätsengpass verantwortlich, erklärte aber, eine Überbrückung des Engpasses sei mit Hilfe der Großaktionäre gesichert.
Nach den neuerlichen Enthüllungen ist diese Möglichkeit geplatzt. Unternehmenssprecher Wentzler versicherte am Freitag, der Aufsichtsrat führe bereits Gespräche, um einen neuen Vorstand für das SDax-Unternehmen zu finden. Erst wenn es eine neue Führung gebe, könne man sich zur weiteren Entwicklung äußern. Unklar ist beispielsweise, wann die Bilanz für 2007 vorgelegt wird. Kürzlich war dies für Ende April angekündigt worden. Am 20. Mai sollten die Aktionäre auf einer Hauptversammlung das Sanierungsprogramm und eine Kapitalerhöhung billigen.
Die Thielert-Aktie, die in den vergangenen Tagen abgestürzt und zu einem Penny-Stock geworden war, büßte zum Wochenschluss nicht weiter an Wert ein. Das Papier ging wie am Vortag bei 0,43 Euro aus dem Handel. Vor einem Jahr war die Aktie noch knapp 25 Euro wert gewesen.
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Webseiten: http://www.thielert.de/ http://www.textron.com/ http://www.cessna.com/ ----------- Es ist besser ungefähr recht zu haben, als sich tödlich zu irren. ...Warren Buffett
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